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Vor dem EU-Flüchtlingsgipfel
Überstimmte EU-Länder wollen sich wehren

Nachdem beim Beschluss der EU-Innenminister zur Flüchtlingsverteilung mehrere Länder überstimmt wurden, muss beim heutigen EU-Sondergipfel mit weiteren Konflikten gerechnet werden. Die überstimmten Länder wollen sich gegen den Beschluss wehren.

    Teilnehmer einer Demonstration gegen Flüchtlinge in der slowakischen Hauptstadt Bratislava halten Flaggen und ein Banner mit der Aufschrift "Go Home" hoch.
    Stimmungsmache gegen Flüchtlinge: In der slowakischen Hauptstadt Bratislava hat eine Initiative gegen eine Islamisierung Europas Proteste organisiert. (afp / Samuel Kubani)
    Auch wenn es gestern eine Einigung zur Verteilung von 120.000 Asylsuchenden in Europa gab, ist die Stimmung nicht gut. Für die Staats- und Regierungschefs der EU ist Streit bei ihrem Flüchtlings-Sondergipfel am Mittwochabend programmiert. Denn vier Länder wurden bei dem Beschluss zur Verteilung der Flüchtlinge überstimmt.
    Fragen und Antworten zum Beschluss der Innenminister
    Die EU-Innenminister fassten ihren Beschluss in Brüssel zwar mit "großer Mehrheit", wie die luxemburgische Ratspräsidentschaft mitteilte. Der tschechische Minister Milan Chovanec ergänzte aber, dass sein Land, die Slowakei, Rumänien und Ungarn dagegen gestimmt hätten und Finnland sich enthalten habe. Durch den Beschluss sind die Länder verpflichtet, Flüchtlinge aufzunehmen. Dagegen wollen sie sich aber offenbar wehren.
    Blockieren die überstimmten Länder den Beschluss?
    Tschechiens Regierungschef Bohuslav Sobotka kritisierte: "Es ist eine schlechte Entscheidung, und die Tschechische Republik hat alles getan, was sie konnte, um sie zu blockieren." Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico ergänzte, sein Land werde eher mit der Maßnahme brechen als "solch ein Diktat zu akzeptieren". Das bedeutet möglicherweise, dass das Land sogar ein Vertragsverletzungsverfahren in Kauf nehmen und vor den Europäischen Gerichtshof ziehen könnte. Die linksliberale slowakische Tageszeitung "Pravda" kommentiert die EU-Mehrheitsentscheidung ebenfalls kritisch: "Auf diese Weise wird die Migrationskrise nicht gemildert, sondern im Gegenteil verstärkt. Die Menschenschmuggler können sich die Hände reiben. Die Migranten wissen, dass die EU sie aufnimmt und ihnen nichts Schlimmeres drohen kann, als dass sie in eines der ärmeren postkommunistischen Länder geschickt werden."
    Der Erste Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, rief alle Mitgliedsstaaten auf, das Ergebnis der Innenministerkonferenz zu akzeptieren. Doch auch er räumte ein, dass durch die Einigung der Innenminister nicht die komplette Krise gelöst worden sei.
    Die Umverteilung von 120.000 Flüchtlingen löst die Krise nicht
    Bei dem aktuellen Beschluss ging es vor allem um die Unterbringung von 120.000 Asylsuchenden, die sich bereits in den besonders überlaufenen Ankunftsländern Griechenland, Italien und Ungarn befinden. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International sagten, diese Zahl sei angesichts des Umfangs der derzeitigen Krise nach wie vor zu gering. Auch das UN-Flüchtlingshilfswerk wies darauf hin, dass weitergehende Konzepte nötig seien. Denn: Seit Jahresbeginn seien schon 477.906 Menschen in Europa angekommen. Die nächsten Tage könnten "die letzte Chance für eine schlüssige europäische Antwort sein", sagte UNHCR-Sprecherin Melissa Fleming.
    (cc/tj)