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Vor dem UNO-Klimagipfel
Globale Erwärmung als Sicherheitsrisiko

Der Klimawandel sei eine große Herausforderung für die globale Sicherheit, sagte Benjamin Pohl von der Denkfabrik adelphi im DLF. Schließlich gefährdeten Wassermangel, Hunger und Dürren die Lebensgrundlage sehr vieler Menschen.

Benjamin Pohl im Gespräch mit Jule Reimer |
    Die UN-Klimakonferenz zur Vorbereitung auf den Klimagipfel vom 30. November bis 11. Dezember in Paris findet in Bonn statt.
    Die UN-Klimakonferenz zur Vorbereitung auf den Klimagipfel vom 30. November bis 11. Dezember in Paris findet in Bonn statt. (dpa / picture alliance / Oliver Berg)
    Jule Reimer: Es ist ein einmaliges Ereignis in der Geschichte der Europäischen Union: Nach den Terroranschlägen von Paris hat Frankreich jetzt offiziell um die Hilfe der übrigen Mitgliedstaaten gebeten. Mit Bezug auf Artikel 42 Absatz 7 des EU-Vertrags, der besagt, dass im Falle eines militärischen Angriffs auf ein EU-Land die anderen ihm alle mögliche Unterstützung schulden. Was das praktisch heißt, ob es sich mehr um Symbolpolitik handelt, das bleibt abzuwarten. Der UN-Klimagipfel in Paris soll jedoch auf jeden Fall am 30. November dort beginnen.
    Benjamin Pohl von der Denkfabrik adelphi ist einer der Leitautoren der sicherheitspolitischen Studie "New Climate for Peace", was etwa übersetzt heißt "Neue Klimapolitik, die Frieden schafft". Kurz vor dieser Sendung fragte ich ihn, wie sich die Anschläge wohl inhaltlich auf den Klimagipfel auswirken werden, von dem ja viele dachten, diesmal sehe es ganz gut für ein weltweites Klimaabkommen gegen die Erwärmung aus.
    Benjamin Pohl: Ich denke und hoffe, dass das den Gipfel zumindest nicht negativ beeinflussen wird, hoffentlich vielleicht auch beflügeln, denn der Klimawandel ist ja auch eine große Herausforderung für die globale Sicherheit und wahrscheinlich eine größere Herausforderung für die globale Sicherheit noch als der internationale Terrorismus.
    Reimer: Warum?
    Pohl: Weil er sehr viel mehr Menschen betrifft und deren Lebensgrundlagen strukturell unterminiert. Natürlich ist er nicht so direkt spürbar und sichtbar und in Fernsehbilder zu übersetzen, aber dieses Zerstören von Lebensgrundlagen trägt zu vielen der Konflikte bei, die wir momentan sehen, sowohl im Nahen Osten als auch in Afrika.
    Reimer: Können Sie das an einem konkreten Beispiel verdeutlichen?
    Pohl: Ja. Es gab in den Medien in den letzten Monaten eine ziemliche Debatte zu Syrien, inwiefern der Bürgerkrieg in Syrien durch den Klimawandel mit angetrieben wurde, und da ist relativ deutlich, dass es im Vorfeld zu den Demonstrationen eine langjährige Dürre gab, die dazu beigetragen hat, dass aus vielen ländlichen Gegenden die Leute ihre Lebensgrundlage verloren haben und in die Städte umgesiedelt sind, wo wiederum die Reaktionen der syrischen Regierung oder das, was sie getan haben, völlig unzureichend war dafür, um diesen Menschen ein würdiges Leben zu ermöglichen, und das hat sicherlich eine Grundlage mit geschaffen dafür, dass dieser Konflikt so eskaliert ist. Das soll keinesfalls heißen, dass der syrische Bürgerkrieg in erster Linie ein Klimakrieg wäre. Der Begriff ist sicherlich ein irreführender.
    Der syrische Bürgerkrieg ist in erster Linie ein Konflikt um das autoritäre Regime von Assad, das in menschenverachtender Weise gegen seine eigene Bevölkerung vorgeht. Aber diese strukturellen Grundlagen sollten dabei nicht aus dem Blickfeld geraten, und die sind zum einen sicherlich durch den Klimawandel verursacht, zum anderen natürlich auch durch jahrzehntelanges Missmanagement der Wasservorräte des Landes, dass man zugelassen hat, dass jenseits der nachhaltigen Möglichkeiten Wasser gefördert wurde, und irgendwann ist es dann alle und dann fehlt den Leuten die Lebensgrundlage.
    "Strukturelle Aufgaben nicht aus dem Blick verlieren"
    Reimer: Sehen das denn die Sicherheitspolitiker dieser Welt, dass Klimawandel eine Rolle spielt?
    Pohl: Ich denke, sie sehen es schon. Ich denke, die Herausforderung ist, im Umfeld dieser Krisen und permanent sich in die Nachrichten drängenden Ereignisse diese strukturellen Aufgaben nicht aus dem Blick zu verlieren.
    Reimer: Wenn wir jetzt auf Paris gucken: Anschläge erfordern ja schnelle Reaktionen und Beschlüsse. Bei uns in Europa ist der Klimawandel nicht so spürbar. Das wird doch möglicherweise dann für Paris Ressourcen an anderer Stelle binden und das Bestreben, da zu einer Einigung zu kommen, mindern?
    Pohl: Ja. Man muss das eine tun, ohne das andere zu lassen. Natürlich muss man auf die Krise des Tages reagieren und ein aktives, proaktives Krisenmanagement betreiben. Nur wenn man es dabei belässt, wird die Lage sich nicht grundsätzlich bessern. Wir wissen ja: Die Auswirkungen des Klimawandels werden sich über die nächsten Jahrzehnte noch massiv verstärken. Das steht schon fest, unabhängig davon, was in Paris herauskommt, weil die Auswirkungen sich eine ganze Weile noch fortsetzen werden. Das heißt, wir dürfen uns nicht nur mit der jetzt aktuellen Krise befassen, sondern wir müssen auch an die Krisen der Zukunft denken und die müssen wir jetzt schon versuchen zu verhindern. Denn es gilt weiterhin, dass Prävention weitaus einfacher ist als das Krisenmanagement. Wie schwer das ist, das sehen wir ja im Moment.
    Reimer: Beim G20-Gipfel sind die Aussagen über den Kampf gegen den Klimawandel ziemlich dürftig ausgefallen. Anders als beim Gipfel in Elmau war es nicht möglich, sich auf ein Ende für die Subventionen für fossile Energien zu einigen. Dann gab es auch noch Streit um gewisse Formulierungen. Ist das ein schlechtes Zeichen, oder muss man das nicht so wichtig nehmen?
    Pohl: Man muss natürlich im Kopf haben, dass die G20 wesentlich diverser ist als die G7 oder G8, dass es da ganz andere Entwicklungsbedürfnisse auch noch gibt bei einigen der Nationen. Insofern sollte man vielleicht auch nicht ein ganz so starkes Zeichen erwarten. Gleichzeitig denke ich nicht, dass man jetzt daraus nur die negativen Seiten sehen sollte. Es gibt an anderen Stellen durchaus Fortschritte, zum Beispiel beim Green Climate Fund, der Projekte finanziert zur Treibhausgas-Minderung und auch Anpassung. Insofern geht es an einigen Stellen durchaus auch gut voran.
    Reimer:
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.