Jule Reimer: Im Bonner Weltkonferenzzentrum kommen ab heute bis Freitag Hunderte Diplomaten und Experten zusammen, um in Vorverhandlungen den Weltklimagipfel in Paris im Dezember vorzubereiten. Sie beraten über einen Textentwurf, der dann in Frankreich von der Weltgemeinschaft beschlossen werden soll.
- Mit dabei und am Telefon ist Sven Harmeling von der internationalen Hilfsorganisation Care. Herr Harmeling, gemeinsam mit zahlreichen anderen internationalen Nichtregierungsorganisationen mahnen Sie mehr Gerechtigkeit in den Klimaverhandlungen an. Was heißt denn das?
Sven Harmeling: Hallo und guten Tag! - Es geht vor allen Dingen darum, dass die Länder, die in der Vergangenheit auch hauptverantwortlich für den Klimawandel waren - und das sind insbesondere die Industrieländer -, stärker ihre Verantwortung wahrnehmen. Unter anderem die Entwicklungsländer zu unterstützen bei dem Umgang mit Klimafolgen, aber auch viel stärker zusammenzuarbeiten, um in Zukunft die Emissionen deutlich zu verringern. Wir sehen im Moment, dass das, was jetzt an Klimaschutzvorschlägen für die Zukunft, für die nächsten 15 Jahre auf dem Tisch liegt, dass das weit hinter dem zurückbleibt, was wir brauchen, um einen wirklich gefährlichen Klimawandel abzuwenden. Es ist zwar ein gewisser Fortschritt, aber es bleibt weit hinter dem zurück.
Reimer: Ein Thema ist ja auch das Geld, dass eben Mittel bereitgestellt werden, damit sich Entwicklungsländer gegen den Klimawandel wappnen können. Aber Ihnen geht es im Augenblick tatsächlich weniger ums Geld, sondern wirklich um Reduktionsverpflichtungen?
Harmeling: Beides ist ja dringend notwendig. Es hilft ja auch nichts, wenn wir nur Geld für die Anpassung und die Klimafolgen ausgeben. Das ist ganz zentral, weil davon insbesondere die ärmsten Menschen derzeit schon direkt betroffen sind. Aber gleichzeitig, wenn wir den Klimawandel nicht wirklich abbremsen - und dafür braucht es weltweit viel mehr Klimaschutz, sowohl in den Industrieländern als auch in ärmeren Ländern, natürlich Schwellenländern wie China, Indien und so weiter -, dann können wir den Kampf gegen den Klimawandel nicht gewinnen.
Reimer: Auf was wird es in Bonn außerdem noch ankommen?
Harmeling: Hier in Bonn geht es ganz konkret darum, diesen Entwurf für diesen Vertrag, den man in Paris beschließen will, wirklich weiterzuentwickeln. Und da liegt jetzt im Moment ein Papier vor, was leider ziemlich schwach geworden ist. Und da werden die Länder diese Woche dran arbeiten. Wir hoffen und wir sehen im Moment auch Signale, sowohl zum Beispiel von der Europäischen Union als auch von vielen Entwicklungsländern, dass dieser Text ganz toll gestärkt werden muss. Dazu gehört zum einen, auch klarer zu machen, wo wollen wir eigentlich langfristig hin. Und langfristig brauchen wir ja im Grunde den Ausstieg aus den fossilen Energien und die Reduktion der Emissionen nahe null. Das wäre so ein langfristiger Kompass für diese Vereinbarung. Darüber muss man auch die entscheidenden Schritte jetzt vereinbaren, dass zum Beispiel alle fünf Jahre jedes Land wieder neue Vorschläge für die Zukunft auf den Tisch legt, die immer ambitionierter werden. Dass wir das Ganze auch in der Gesamtheit uns angucken und messen, reicht das denn. Und wo ist auch einfach mehr finanzielle Unterstützung, die auch planbar und verlässlich ist, notwendig.
Reimer: Danke für diese Informationen an Sven Harmeling von der Hilfsorganisation Care zu den Klimagipfel-Vorverhandlungen in Bonn.
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