Archiv

Vorstandswahl ohne Öffentlichkeit
Alles beim Alten bei der DITIB

Der größte Moscheeverband in Deutschland, DITIB, steht immer wieder in der Kritik, besonders wegen seiner Abhängigkeit von der türkischen Religionsbehörde. Nun hat die DITIB einen neuen Vorstand gewählt, der nach Einschätzung von Beobachtern aber eher nicht für Veränderungen steht.

Von Kemal Hür |
    Nevzat Yasar Asikoglu, der Vorstandsvorsitzende der Ditib, spricht in Köln im Juni 2016.
    Der türkische Botschaftsrat für Religion, Nevzat Yasar Asikoglu, ist erneut zum Vorstandsvorsitzenden der Ditib gewählt worden (AFP / Maja Hitij)
    Wenn große deutsche Verbände ihre Jahreskonferenzen abhalten und einen neuen Vorstand wählen, wird normalerweise die Presse dazu eingeladen. Nicht so bei der DITIB. Der größte deutsche Moscheeverband hat Ende Dezember einen neuen Vorstand gewählt. Die Öffentlichkeit sollte davon offenbar nichts mitbekommen. So beschreibt es auch Susanne Schröter, Leiterin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam:
    "Die Wahl fand in einem Hotel in Köln hinter verschlossenen Türen statt. Ganz verblüffend ist, dass bei denjenigen, die wahlberechtigt waren, pensionierte Religionsattachés nach Köln gekommen sind, dass Gründungsmitglieder der DITIB, die auch in der Türkei wohnen, gekommen sind. Das ist definitiv kein Gremium, das von denjenigen DITIB-Mitgliedern gewählt wurde, die hier in Deutschland die ganze ehrenamtliche Arbeit in den Gemeinden machen."
    Bisheriger Vorsitzender im Amt bestätigt
    Die Fäden zieht ohnehin die türkische Religionsbehörde "Diyanet", die eine Abteilung des Ministerpräsidentenamtes ist. In der Satzung der deutschen DITIB steht, dass allein ein Beirat darüber entscheidet, wer in den DITIB-Vorstand gewählt werden darf. Und der Vorsitzende dieses Beirats ist ausgerechnet der Chef der "Diyanet" in Ankara. Sein Vertreter in Deutschland ist der türkische Botschaftsrat für Religion. Dieser wiederum wird immer zum Bundesvorsitzenden der DITIB gewählt. So wurde Professor Nevzat Yasar Asikoglu im Dezember in seinem Amt bestätigt. Er ist nicht der einzige türkische Beamte im Vorstand des deutschen Vereins DITIB, kritisiert Susanne Schröter:
    "Der neue Vorstand ist nicht anders als der alte; das muss man ganz klar sagen. Nach wie vor haben diejenigen, die auf der Gehaltsliste der türkischen Regierung stehen, enorm viel zu sagen. Von sieben Personen werden drei aus Ankara bezahlt. Es waren ohnehin 14 Vorschläge, sieben davon sind gewählt worden."
    Volker Beck: "Alles ganz offen gesteuert von Ankara"
    Auch dieses Vorgehen ist in der Satzung festgeschrieben. Der Beirat schlägt für jede zu besetzende Stelle zwei Personen vor. Ein Vertreter der DITIB hätte in diesem Beitrag zu Wort kommen und sich zur umstrittenen Praxis der Vorstandswahl äußern können. Doch die Pressestelle reagierte nicht auf die Anfrage des Deutschlandfunks, sondern ließ auf Nachfrage eine Mitarbeiterin der Telefonzentrale ausrichten, die Pressereferentin habe keine Zeit. Der ehemalige religionspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Volker Beck, schmunzelt nur noch über die Vorstandswahl der DITIB:
    "Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass man versucht, die Fassaden des potemkinschen Dorfes etwas hübscher anzustreichen. Aber das ist nicht der Fall. Es sind drei Beamte des türkischen Staates im Vorstand. Und der Rest sind auch unkritische Mitläufer der Linie der Diyanet. Insofern ist ganz klar, bei der DITIB läuft ganz offen alles gesteuert von Ankara weiterhin ab."
    Der Grünen-Politiker Volker Beck
    Grünen-Politiker Volker Beck lehrt am Zentrum für religionswissenschaftliche Studien an der Universität Bochum (Imago / Metodi Popow)
    Eine Abkoppelung von Ankara ist rechtlich nicht möglich; denn dass die maßgeblichen Entscheidungen von Mitarbeitern der türkischen Religionsbehörde getroffen werden, ist ebenfalls in der Satzung verankert. Es sei an der Zeit, dass sich in Deutschland sozialisierte junge Muslime zu Wort melden und sich hier selbst organisieren, sagt Susanne Schröter von der Goethe-Universität Frankfurt:
    "In Berlin gab es zaghafte Ansätze. Das ist gleich gestoppt worden, weil die Zentrale den Vorstand entlassen hat. Der Jugendverband, der geschlossen zurückgetreten ist, bei dem hatte man ein bisschen den Eindruck, als ob er etwas anderes möchte. Das Problem ist tatsächlich, dass da keine Gruppe bis jetzt in die Öffentlichkeit getreten ist und sagt, wir wollen es aber wirklich anders."
    Neue Vereine entstehen
    Es gibt zwar diese Gruppen, aber sie haben Angst, sich öffentlich zu äußern. Hinter vorgehaltener Hand erzählen vereinzelte DITIB-Mitarbeiter, die Religionsattachés träten wie militärische Vorgesetzte auf und verlangten Gehorsam von den DITIB-Mitarbeitern, auch von den Ehrenamtlichen. In einigen Bundesländern entstehen derzeit neue Vereine, vor allem von jungen Menschen, die sich von der DITIB gelöst haben. Die Reformer müssten sich gerade jetzt offensiv zu Wort melden, denn Politik und Öffentlichkeit seien auf der Suche nach ihnen, sagt Schröter:
    "Das liegt natürlich auch an so einer Kultur des Schweigens. Es liegt daran, dass man sich in der Öffentlichkeit nicht gegenseitig gegen das Bein treten möchte, dass man irgendwie doch solidarisch sein möchte. Aber ich glaube, dieser verhängnisvolle Status quo, dieses Nicht-Rühren, das ist wirklich zum Schaden der Muslime."
    Volker Beck, der dem neuen Bundestag nicht mehr angehört und derzeit Lehrbeauftragter am Zentrum für religionswissenschaftliche Studien an der Universität Bochum ist, fordert die Muslime in Deutschland auf, sich unabhängig von ihren Herkunftsländern zu organisieren:
    "Die Menschen, die islamischen Glaubens sind, verdienen hier in Deutschland Geld. Und sie müssen ihre religiöse Veranstaltung auch selbst finanzieren. Das gehört ein Stück weit zum Erwachsenwerden. Man redet immer viel davon: 'Der Islam gehört zu Deutschland'. Ich finde, die muslimischen Organisationen müssen daran arbeiten, dass der Islam in Deutschland auch organisatorisch ankommt. Und dann gelten die gleichen Regeln wie für andere Religionsgemeinschaften auch."
    Dann könne über den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts neu diskutiert werden.