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Vulkanausbruch des Pinatubo
Ein großes Klimaexperiment der Natur

Tagelang hatte der Pinatubo auf den Philippinen zuvor schon gegrummelt, bevor der Vulkan vor genau 25 Jahren ausbrach. Dieses Ereignis war vor allem deshalb so spektakulär, weil riesige Mengen Schwefelgas in die Stratosphäre katapultiert wurden, die die Erde anschließend abkühlten - ein großes Klimaexperiment der Natur.

Von Volker Mrasek |
    Eine Eruptionswolke des Pinatubo
    Vulkanologe Stephen Self: "Der Ausstoß von Schwefeldioxid wurde auf 17 Milliarden Tonnen geschätzt. Das sind enorm große Gas-Mengen!" (picture-alliance / dpa)
    Schon Tage vor dem 15. Juni 1991 quoll eine riesige Aschewolke aus dem Pinatubo. Als er schließlich ausbrach, katapultierte es die Vulkan-Partikel bis in 40 Kilometer Höhe, mitten in die Stratosphäre. Gemessen an seiner Klimawirkung war es der größte Vulkanausbruch des 20. Jahrhunderts, so der US-Meteorologe Alan Robock, Professor für Klimawissenschaft an der Rutgers University. Sein Landsmann, der Vulkanologe Stephen Self, damals an der Universität von Hawaii:
    "Der Ausstoß von Schwefeldioxid wurde auf 17 Milliarden Tonnen geschätzt. Das sind enorm große Gasmengen! Daraus sind dann rund 30 Milliarden Tonnen Aerosole entstanden - schwefelsäurehaltige Partikel, die sich zwei, drei Jahre lang in der Stratosphäre hielten und das Klima beeinflussten."
    Im Jahr nach der Eruption in den Tropen fiel die globale Durchschnittstemperatur am Boden um ein halbes Grad Celsius - weil sich die Schwefel-Aerosole wie ein Schleier um die Erde legten und Teile des Sonnenlichts nicht mehr durchließen. Folglich wurde es kühler. Dieser Effekt war Alan Robock und anderen Forschern zwar längst bekannt, am Pinatubo konnten sie ihn aber detailliert studieren und in ihre Klimamodelle einbauen.
    "Wir haben damals auch angefangen, uns für regionale Klimawirkungen zu interessieren. Der Sommermonsun in Afrika und Asien zum Beispiel war nach dem Ausbruch schwächer und der Niederschlag geringer."
    Auch das hatte mit der abschattenden Wirkung der Pinatubo-Aerosole in der Stratosphäre zu tun. Dadurch erhitzten sich die Landflächen in Afrika und Asien nicht so stark, und das Temperaturgefälle zum kühleren Ozean war nicht so groß wie sonst. Genau das aber treibt den Monsun an. Deswegen fiel er im Folgesommer auch schwächer aus. Eine andere Beobachtung verblüffte Experten wie Robock: Der Winter in Europa und Nordamerika war nach dem Ausbruch des Pinatubo wärmer als normal.
    "Man würde erwarten, dass der Winter nach einem solchen Ausbruch kälter ist. Weil die Vulkan-Partikel ja die Sonnenstrahlung reflektieren. Im Winter ist aber gar nicht so viel Licht da, und eine andere Eigenschaft der Partikel bekommt größere Bedeutung: Sie schlucken auch die Wärmerückstrahlung der Erde und heizen so die Stratosphäre auf - vor allem in den Tropen. Dadurch wächst die Temperaturdifferenz zu höheren Breiten, und die Wind-Zirkulation verändert sich. Der Jet-Stream wird stärker und lenkt milde Luft vom Atlantik nach Europa. Deswegen wird es dort wärmer."
    In der Stratosphäre befindet sich die Ozonschicht. Auch sie wurde durch den Ausbruch des Pinatubo beeinträchtigt, wie sich damals zeigte. An der Oberfläche der Vulkanschwaden kamen chemische Reaktionen in Gang, die Ozon abbauten. Mit solchen Konsequenzen wäre auch zu rechnen, wenn der Mensch künstliche Aerosole in die Stratosphäre einbrächte. Diese Idee gibt es! Als sogenanntes Geoengineering-Konzept gegen die globale Erwärmung. Als der Pinatubo hochging, war das zwar noch kein Thema, doch man darf den Ausbruch rückblickend als Testfall betrachten. Alan Robock verweist hier auf eine aktuelle Studie aus dem Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg:
    "Ulrike Niemeyer und Claudia Timmreck haben ausgerechnet, dass man fünf bis sieben Pinatubos bräuchte, um die globale Erwärmung einzudämmen - und das pro Jahr! Das wäre eine gewaltige Anstrengung!"
    Seit einem Vierteljahrhundert ist der Pinatubo nun ruhig. Ein gewisses Risiko geht von dem Vulkan aber weiterhin aus. Der Regen hat noch nicht alle Asche-Ablagerungen von seinen Flanken gespült. Und Stephen Self schließt nicht aus, dass ein Taifun selbst heute noch Schlammlawinen am Pinatubo auslösen könnte ...