Stefan Römermann: Schummelei, Trickserei oder knallharter und womöglich sogar strafbarer Betrug? Die juristische Bewertung des VW-Abgasskandals, die wird sich wohl noch über Jahre hinziehen. Doch die VW-Kunden, die wollen endlich Klarheit, was denn jetzt genau passiert und wie sie gegebenenfalls entschädigt werden. Darüber spreche ich jetzt mit Constantin Hack vom Autoclub Europa (ACE). Herr Hack, wie gut sind denn die VW-Kunden hier in Deutschland bisher vom Konzern informiert worden? Was ist da Ihr Eindruck?
Constantin Hack: Das Problem ist wirklich die Salamitaktik. Das heißt, eigentlich sind die Kunden nicht gut informiert. Sie warten immer noch darauf, dass sie genau wissen, was passiert. Sie wissen jetzt, je nachdem, was sie für ein Fahrzeug haben, startet die Rückrufaktion entweder zum 01.01.16 Oder dann im September, wenn beispielsweise beim 1,6-Liter-Fahrzeug noch technische Veränderungen umgesetzt werden müssen. Aber grundsätzlich ist die Position der Verbraucher momentan wirklich noch sehr schwach. Er weiß nicht, wie es weitergeht.
Römermann: Wie informiert VW die Kunden? Ist das nur über Pressekonferenzen und die Medien, oder haben die jetzt auch schon die ganzen Kunden angeschrieben?
Hack: Die Kunden sind angeschrieben, aber da sind noch keine konkreten Maßnahmen benannt. Sie bitten darin um Verzeihung beziehungsweise bitten, sich zu entschuldigen, und es geht darum, es wird was kommen und das ist quasi der erste Schritt in der Kommunikation. Klare Maßnahmen gibt es aber noch nicht.
1000-Dollar-Gutscheine für US-Kunden
Römermann: In Amerika haben die betroffenen Kunden inzwischen Einkaufsgutscheine über 1000 Dollar bekommen als erste Wiedergutmachung, ohne dass da jetzt irgendwelche Rechtsansprüche und Verzicht auf Klagen mit verbunden wären. Warum kriegen denn die deutschen Kunden so was nicht?
Hack: Das ist wirklich auch für den Verbraucher schlecht nachzuvollziehen. In den USA sieht es natürlich ein bisschen anders aus, was die Verbraucherrechte angeht. Gleichzeitig hat Volkswagen natürlich angekündigt, verschiedene Modelle je nach Markt und Maßnahmen zu benennen, und da ist man bei den Amerikanern wirklich auf diese 1000-Dollar-Gutscheine gekommen. Es ist für mich aber nicht nachvollziehbar, warum man dann davon ausgeht, dass der deutsche Verbraucher davon nichts mitbekommt. Heutzutage sind wir vernetzt. Jeder weiß, wenn es da Entschädigungen gibt in den USA. Dann wird der Verbraucher, die auch in Deutschland verlangen. Da muss aber ganz klar geklärt werden, welchen Schaden hat denn der Verbraucher in Deutschland wirklich erlitten, und da geht es momentan in der Diskussion mit dem Kraftfahrtbundesamt noch um die konkreten Zahlen. Das heißt: Steigt der Verbrauch, ist er in der Vergangenheit gestiegen und stimmten da Angaben nicht.
Römermann: Inzwischen sind ja ein paar Details zu den geplanten Reparatur-, Rückrufaktionen, Auswechselaktionen bekannt geworden. Was ist denn Ihr Eindruck? Müssen die Verbraucher tatsächlich damit rechnen, dass sie einen Wertverlust bei ihren Fahrzeugen haben werden, dass sie mit höheren Kraftstoffverbrauchen rechnen müssen?
Hack: Das ist wirklich ein Problem. Das kann man noch gar nicht sagen. Die Software, die eingespielt wird, wird natürlich das Fahrzeug in irgendeiner Form ändern, vor allem das Abgasverhalten, und damit vielleicht auch den Verbrauch beeinflussen. Aber die Information ist bisher wirklich noch nicht raus und es ist reine Spekulation, ob jetzt der Verbrauch steigen wird und damit natürlich der Verbraucher auch einen Schaden davongetragen hat. Auch wenn Volkswagen und verschiedene Vertreter behaupten, die Fahrzeuge werden nicht weniger wert, man merkt natürlich schon die Verunsicherung und die Verunsicherung spiegelt sich auch immer im Fahrzeugwert. Das wird aber schwer, den wirklich zu benennen, den Schaden, den das Fahrzeug beziehungsweise der Fahrzeugwert von dieser ganzen Abgasproblematik mit sich gebracht hat.
Römermann: Die kalifornische Umweltbehörde berichtet jetzt, dass möglicherweise sogar ein Teil der betroffenen Wagen von VW zurückgekauft werden müsse, zumindest in Kalifornien. Es scheint, dann ja offenbar doch nicht so einfach zu sein, dass man einfach nur die Software austauscht, oder was ist Ihr Eindruck da?
Hack: Na ja, das ist nicht ganz klar. Bis heute hat Volkswagen ja Zeit und Möglichkeit, die technischen Möglichkeiten in den USA klar darzulegen. Und die US-amerikanische Behörde ist jetzt schon einen Schritt vorher rausgegangen und hat gesagt, vielleicht klappt es nicht. Da muss man aber wirklich schauen, ist es denn so oder nicht, und da kann auch die US-amerikanische Behörde eigentlich wirklich erst eine Aussage tätigen, wenn sie denn weiß, was gemacht wird. Sie haben sich jetzt auf die Vergangenheit berufen und gesagt, in der Vergangenheit hat sich oftmals gezeigt, dass ein Rückruf nicht so einfach ist und dass so was nicht so einfach geändert werden kann. Da müssen wir aber wirklich warten und schauen, wie es denn wirklich aussieht und wie sich das Abgasverhalten ändert.
"Mangelanzeige ist wichtig"
Römermann: Nur ganz kurz: Eine Anwaltskanzlei aus Deutschland hat jetzt offenbar schon Schadensersatzansprüche für mehr als 800 Geschädigte geltend gemacht oder versucht, sie geltend zu machen. Sollte ich als Verbraucher jetzt unbedingt schon aktiv werden, oder kann man da erst mal noch getrost abwarten?
Hack: Es kommt wirklich darauf an, wie sich das Ganze weiterentwickelt. Ich soll auf alle Fälle in irgendeiner Form gegenüber dem, von dem ich das Fahrzeug gekauft habe, im Regelfall dem Händler, meinen Mangel anzeigen. Das ist wichtig, dass ich jetzt diesen Mangelanzeige mache. Ob ich jetzt juristische Schritte gleich treffe, das muss ich selbst entscheiden. Das ist jetzt in der Situation momentan noch nicht dringend notwendig.
Römermann: Constantin Hack vom Autoclub Europa - vielen Dank für das Gespräch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.