Dirk-Oliver Heckmann: Darf die AfD, die Alternative für Deutschland, bei den sogenannten Elefantenrunden vor der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg teilnehmen? Grüne und SPD hatten angekündigt, sollten Vertreter der AfD eingeladen werden, werde man ohne sie selbst auskommen müssen. Der SWR hat gestern entschieden, dass nur die im Landtag vertretenen Parteien berücksichtigt werden, also nicht die AfD. Genauso sieht es übrigens beim MDR in Sachsen-Anhalt aus. Jörg Meuthen, Spitzenkandidat der AfD in Baden-Württemberg, meinte dazu heute im Deutschlandfunk:
"Man sollte uns deswegen einladen, weil wir in allen Umfragen derzeit bei rund zehn Prozent stehen, etwa in Baden-Württemberg, und über acht Prozent meines Wissens in Rheinland-Pfalz. Damit sind wir eine politisch relevante Größe. Dann ist das doch schlichtweg lächerlich."
Heckmann: Der stellvertretende Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Nils Schmid von der SPD, der kann die Aufregung im Deutschlandfunk nicht nachvollziehen. Schmid heute Früh in den "Informationen am Morgen":
"Wir wollen schon - und das ist eine Aufgabe aller Demokraten - deutlich machen, dass es einen Unterschied zwischen dem gibt, was die AfD an Ausländerhetze veranstaltet, und dem, was wir als demokratische Parteien diskutieren. Das ist auch für die Bürgerinnen und Bürger ganz wichtig, dass man diesen fundamentalen Unterschied deutlich macht und nicht so tut, als wäre es eine ganz normale Partei. Das ist sie nicht."
Heckmann: Am Telefon hat mitgehört Professor Klaus Schröder, Politikwissenschaftler an der FU Berlin. Schönen guten Tag, Herr Schröder.
"Damit ist überhaupt nichts gewonnen"
Klaus Schröder: Schönen guten Tag, Herr Heckmann.
Heckmann: Herr Schröder, ist die Entscheidung von SWR und MDR, die AfD nicht zu berücksichtigen, eine gute Entscheidung?
Schröder: Nein, es ist eine sehr schlechte Entscheidung, weil hiermit den Vorurteilen, die ohnehin in diesem rechtspopulistischen Milieu da sind, noch Nahrung gegeben wird. Jetzt kann sich verbreiten: Aha, die wollen nicht mit uns diskutieren, die können nicht mit uns diskutieren, die wollen uns außen vor lassen. Es wird eine Trotzreaktion geben. Das ist Wahlkampfhilfe für die AfD. Sie wird ein, zwei, drei Prozentpunkte durch diese Entscheidung mehr erhalten und es ist für die Grünen und die SPD ein Armutszeugnis.
Heckmann: Und aus Sicht der etablierten Parteien im Prinzip auch eine kontraproduktive Entscheidung?
Schröder: Ja! Damit ist überhaupt nichts gewonnen. Die Argumente der AfD sind da, mit denen muss man sich auseinandersetzen. Wenn man sie für verfassungswidrig hält im Übrigen, muss man den Antrag stellen, die Partei zu verbieten. Das habe ich bisher von den Grünen und der SPD noch nicht gehört. Also es ist allemal besser, sich offensiv auseinanderzusetzen, die Probleme, die die AfD anspricht, demokratisch zu beantworten, zu lösen, aber nicht zu kneifen. Und ich möchte noch eins sagen, gerade in Baden-Württemberg: Herr Meuthen ist nicht Herr Höcke. Mit Herrn Meuthen sich auseinanderzusetzen, dürfte wahrscheinlich für Herrn Schmid und Herrn Kretschmann eine Nummer zu groß sein. Deshalb verstehe ich deren Angst. Aber warum in Rheinland-Pfalz auch die beiden Parteien kneifen, das erschließt sich mir nicht.
"Das ist für den Sender ein Skandal"
Heckmann: Aber, Herr Schröder, jetzt sagt ja Nils Schmid zum Beispiel bei uns heute Früh im Deutschlandfunk, bei der AfD handele es sich nicht um eine ganz normale Partei, sondern um eine Partei, die Ausländerfeindlichkeit propagiere, und mit einer solchen Partei kann man auch nicht so umgehen wie mit einer ganz normalen Partei. Müssen sich denn Demokraten mit Parteien mit zweifelhaftem Ruf wirklich zusammensetzen?
Schröder: Solange diese Parteien nicht verboten sind, muss man sich mit ihnen auseinandersetzen. Wenn sie in die Parlamente kommen, muss man sich auch mit ihnen auseinandersetzen. Und erst in der Auseinandersetzung mit den besseren Argumenten kann man potenzielle und tatsächliche Wähler wieder zurückgewinnen, aber nicht, indem man nicht diskutiert und ausgrenzt. Das ist der falsche Weg. Das spricht die Leute nicht an und es wird fürchterlich nach hinten losschlagen, vermute ich, am Wahlabend.
Heckmann: Aber auf der anderen Seite, wenn man die AfD eingeladen hätte, dann würden solche Elefantenrunden, solche Sendungen im Fernsehen vor Wahlen im Prinzip sinnlos, weil man dann ja alle antretenden Parteien einladen müsste, und das sind sicher mehr als ein Dutzend. Wo soll das hinführen?
Schröder: Nein, man muss nicht alle einladen. Der SWR hat ja vor den letzten Landtagswahlen immer die Spitzenkandidaten der relevanten Parteien eingeladen. Da kann man die nehmen, die bei Wahlumfragen um fünf Prozentpunkte und mehr liegen. Das stimmt nicht. Man hat es früher anders praktiziert. Jetzt haben die Spitzenpolitiker den Sender gleichsam erpresst. Das ist ja nicht nur für den Sender ein Skandal im Grunde genommen, sondern auch der Journalismus leidet ja darunter, weil gerade der SWR ja hervorragende Journalisten hat, die jetzt auf einmal so dastehen, als ob sie kneifen.
Verheerend für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk
Heckmann: Aber Umfrageergebnisse zur Grundlage zu nehmen, das ist ja auch problematisch, denn dann wird eine Partei, die bei 4,5 ist, sagen, wir wollen auf jeden Fall rein, und wenn die reinkommt, dann will die Partei, die bei 4,0 liegt, genauso rein.
Schröder: Noch mal: In den Jahren zuvor, als die Linkspartei und die Grünen nicht in den Landtagen vertreten waren, hat man sie trotzdem eingeladen zu den Elefantenrunden. Dann soll das, bitte schön, erklärt werden, warum bei den Parteien es anders gemacht wurde als heute.
Heckmann: War das vielleicht der grundlegende Fehler, der gemacht worden ist 2011, dass man da offenbar eine Ausnahme gemacht hat und Grüne und FDP mit hineingenommen hat?
Schröder: Nein. Entweder hat man ein Prinzip, das man durchhält, über die Jahre hinweg, nur die Spitzenkandidaten, die vertreten sind, okay. Aber sozusagen den Modus zu wechseln, bloß weil es jetzt sich um eine rechtspopulistische Partei handelt, das stößt bitter auf. Und wie gesagt, es wird nicht den Effekt haben, den sich Grüne und SPD erhoffen, nämlich Wähler abzuschrecken, sondern es wird Wähler zur AfD locken.
Heckmann: Viele Leute, vielleicht auch einige, die uns zuhören, Herr Schröder, die sind der Meinung, die öffentlich-rechtlichen Medien, die befänden sich am Gängelband der Staatskanzleien. Der Intendant des SWR, Herr Boudgoust, der hat gestern auch gesagt, es habe keinen Einfluss vonseiten der Politik gegeben. Denken Sie, dass die Leute ihm das abnehmen? Wie verheerend ist diese Entscheidung auch mit Blick auf das Bild, das die öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland abgeben?
Schröder: Verheerend ist das. Verheerend, weil natürlich haben die nicht angerufen und gesagt, lad die nicht ein, sondern die haben gesagt, wir kommen nicht, und das ist ja Erpressung. Der Intendant stand vor der Frage, leere Stühle oder die anderen nicht einladen, und er hat sich dann dafür entschieden, keine leeren Stühle, sondern die anderen nicht einladen. Ein bisschen Geschmack negativer Art bekommt es dadurch, dass er ja wiedergewählt werden will, und wir wissen ja, wer die Intendanten wählt. Die sind abhängig von der Politik und man kann durchaus die Frage stellen, ob der Staatseinfluss auf die öffentlich-rechtlichen Sender nicht zu groß ist.
"Ich würde empfehlen, zu revidieren"
Heckmann: Also auch ein Konjunkturprogramm für die Skepsis gegenüber öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland?
Schröder: Ja. Die stehen ja eh unter Druck, wegen ihrer Berichterstattung über die Flüchtlingswelle. Es wird ja von vielen sehr negativ gesehen. Und man erweist sich mit dieser Entscheidung einen Bärendienst, sowohl beim SWR als auch beim MDR.
Heckmann: Würden Sie empfehlen, diese Entscheidung noch mal zu revidieren?
Schröder: Ja! Ich würde wirklich empfehlen, revidieren, den Mut zu haben. Wir haben unterschätzt, welche Auswirkungen das hat, und ich glaube, es gibt keinen ernst zu nehmenden seriösen Journalisten, der diese Entscheidung für richtig hält.
Heckmann: Der Politikwissenschaftler Professor Klaus Schröder war das live hier im Deutschlandfunk. Herr Schröder, danke Ihnen für dieses Gespräch.
Schröder: Ja bitte! Schönen Tag.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.