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Wahlen in Montenegro
Kein leichtes Spiel für Milo Djukanovic

Seit 25 Jahren regiert Milo Djukanovic das kleine Balkanland Montenegro. Bei den Parlamentswahlen am Sonntag will er sich zum siebten Mal in sein Amt wählen lassen. Doch dieses Mal könnte alles anders kommen: Die Umfragewerte der Regierungspartei DPS haben schon jetzt ein historisches Tief erreicht.

Von Ralf Borchard |
    Milo Djukanovic, Premierminister von Montenegro, will am 16. Oktober erneut in sein Amt gewählt werden.
    Milo Djukanovic, Premierminister von Montenegro, will am 16. Oktober erneut in sein Amt gewählt werden. (dpa/ picture alliance/ Boris Pejovic)
    In der Sporthalle von Niksic zelebriert Milo Djukanovic noch einmal seine Macht. Tausende Anhänger rufen seinen Vornamen und schwenken rote Fahnen, prominente Vorredner preisen seine Verdienste - ein Schlagersänger, eine Handball-Nationalspielerin, ein Fernsehmoderator, Djukanovics einstige Grundschullehrerin. Dann tritt der 54-Jährige selbst auf und betont: er habe das Land in die Unabhängigkeit geführt, er werde es in die EU führen:
    "Noch nie hatte Montenegro eine so aussichtsreiche Chance, für alle seine Bürger europäische Lebensqualität zu sichern. Diese Chance dürfen wir uns diesmal nicht aus der Hand nehmen lassen."
    Djukanovic beherrscht Montenegro seit mehr als 25 Jahren, ist dabei zu ungeheurem Reichtum gekommen, angebliche Verbindungen zum Zigaretten- und Drogenschmuggel wurden nie aufgeklärt. Doch auch diesen Wahlkampf hat die Regierungspartei DPS ganz auf seine Person ausgerichtet. Allerdings: vieles ist anders diesmal, sagt Vanja Calovic, die den größten Verband von Bürgerinitiativen in Montenegro leitet:
    "Es ist anders, denn erstens konnte sich die Regierung zuletzt nur noch an der Macht halten, weil sie Oppositionsparteien eingebunden hat. Zum ersten Mal spielt der NATO-Beitritt eine große Rolle. Und erstmals könnten kleinere Parteien, die Djukanovic immer gestützt haben, an der Drei-Prozent-Hürde scheitern. Es wird spannend zu sehen, ob es eine Wende gibt, und wie groß der Wandel dann sein wird."
    Russland will NATO-Beitritt verhindern
    Neu ist auch: ein Oppositionsblock, die Demokratische Front, hatte im Wahlkampf mehr Geld zur Verfügung als je zuvor. Das Geld kommt eindeutig aus Russland, sagt der Politikwissenschaftler Zlatko Vujovic, der das Wahlbeobachtungszentrum Cemi leitet:
    "Russland hat, halb offiziell, halb inoffiziell, eine sehr klare Agenda: den Beitritt Montenegros zur NATO zu verhindern."
    Das zweite große Oppositionsbündnis tritt unter dem Namen Kluj, "Schlüssel" an, an der Spitze Ex-Präsidentschaftskandidat Miodrag Lekic. Bei der Abschlusskundgebung in der Hauptstadt Podgorica beschwört der 68-Jährige den Wechsel:
    "Der 16. Oktober wird ein großer Sieg für uns sein. Am 17. Oktober beginnen wir den großen demokratischen, wirtschaftlichen und moralischen Wiederaufbau Montenegros."
    Doch noch ist Djukanovic nicht geschlagen. Selbst wenn er an Stimmen verliert, ist fraglich, ob sich die traditionell zerstrittene Opposition zusammenraufen kann. Zwar kursieren Gerüchte, Djukanovic sei amtsmüde, wolle einem anderen aus seiner Partei Platz machen, doch der Dauerherrscher hat sich schon einmal offiziell zurückgezogen und im Hintergrund weiter alle Fäden in der Hand behalten. Unklar ist auch, ob die Wahl frei von Betrug sein wird, die Opposition bezeichnet mindestens 50.000 Namen im Wählerverzeichnis als "verdächtig", darunter sollen zahlreiche Verstorbene sein. Auch Stimmenkauf bleibt in Montenegro üblich.
    Auf der Straße in Podgorica ist jedenfalls wachsende Unzufriedenheit zu spüren:
    "Eine Gesellschaft totaler Ungleichheit"
    "Djukanovic hat eine ungerechte Gesellschaft geschaffen", sagt dieser Mann. "Eine Gesellschaft totaler Ungleichheit, in der sich eine kleine Gruppe unglaublich bereichert hat, während die große Mehrheit in völliger Armut und Hoffnungslosigkeit geblieben ist."
    "Das Volk in Montenegro ist nicht dumm, es hat nur das Pech, dass es von einem Diktator regiert wird", meint er.
    Diese Frau fordert wie viele eine Volksabstimmung über den geplanten NATO-Beitritt.
    Und dieser Mann bleibt bei allem Wunsch nach Wandel skeptisch:
    "Es sollte sich schon etwas ändern am Wahltag", sagt er. Aber ich bin nicht sicher, ob es wirklich passiert. Jedenfalls sollten aufrechte Menschen an die Macht kommen. Alles andere wird sich weisen."