"Guten Tag meine Damen und Herren". Bernd Lucke ist nach Köln gekommen. Offizieller Auftakt des Europawahlkampfes - direkt am Dom. Der Wirtschaftsprofessor ist mit dem Zug aus Hamburg angereist. Er kommt alleine und zu Fuß zur Bühne, sieht mit seinem Rucksack aus wie ein Schüler. Bevor der Parteichef der Alternative für Deutschland seine Rede hält, lässt er sich geduldig fotografieren. Mit Männern und Frauen, Jung und Alt, zu zweit zu dritt, die Reihe nimmt über Minuten kein Ende. Sie haben auf ihn gewartet. Seine Fans sind begeistert: "Ich finde, dass der Bernd Lucke eben der richtige Mann ist. Der versteht was davon. Ich finde den Mann toll."
Wahlkampfschlager: Einwanderungspolitik und Euro-Rettung
Aber auch sie ist gekommen. Die Antifa. Sie gehört mit ihren Plakaten und Sprechchören mittlerweile fast schon zum festen Inventar bei Wahlkampfveranstaltungen der AfD. Die Partei sei rechtspopulistisch heißt es regelmäßig, die Partei weist das genau so regelmäßig zurück. Routiniert bewegt die Polizei die Demonstranten zur Seite des Platzes. Lucke begrüßt die gut 30 jungen Leute: "Guten Tag meine Besucher von der Antifa da drüben."
Um dann über die viel zu teure Euro-Rettung zu sprechen, das große Thema der AfD. Über Einwanderung – die will die AfD steuern. Nicht-EU-Ausländer dürften dann nur nach Deutschland kommen, wenn sie etwas können, was hier gebraucht wird. Und über die doppelte Staatsbürgerschaft. Die lehnt die AfD ab. "Man hat nur ein Herz in seiner Brust. Und ich denke, dieses eine Herz sollte für den Staat schlagen, dem man als Staatsbürger angehört. Und man sollte keine Doppelstaatlichkeit zulassen", sagt Spitzenkandidat Lucke.
Zwischen liberalem Anspruch und konservativen Ideen
Aber nicht nur Bernd Lucke ist in diesen Tagen in Deutschland unterwegs, um Wahlkampf zu machen für seine euroskeptische Partei. Auch Beatrix von Storch macht in diesen Tagen den Spagat. Reist quer durchs Land und wahlkämpft zuhause in Berlin. Auch sie hat ihre Erfahrungen mit der Antifa gemacht. Die hat sich auch vor der Europawahl bei ihr angekündigt zum Protest. Zuhause. Hat ihre Privatadresse im Internet veröffentlicht, denn die ist auch die ihres Vereins "Zivile Koalition". "Es geht eben nicht um eine argumentative Auseinandersetzung mit unseren Themen und Argumenten, sondern es geht gezielt darum, Angst zu verbreiten"
Die "Zivile Koalition" ist eine konservative Lobbyorganisation. Sie vertritt mit ihrem Netzwerk und den mit ihr verbundenen Onlinemedien marktradikale Positionen und steht für eine sehr konservative Familienpolitik. Während des Gesprächs in einem Berliner Café, direkt neben einem großen Spielplatz, vergeht kaum eine Minute, ohne dass Mütter mit Kinderwagen vorbeischieben oder Kinderrädchen vorbeisausen. Der Schutz der Familie, auch für die AfD ein wichtiges Thema. Für sie sei Familie Vater, Mutter, Kind, sagt von Storch. Nicht Vater, Vater, Kind. Die Homo-Ehe ist für sie tabu. Abtreibung ebenso.
Wie ernst nimmt die AfD die Arbeit im Europaparlament?
Im Europawahlkampf aber hat sie dieses Thema zurückgestellt. Jetzt geht es um Europa. Mit Listenplatz vier wird sie, sollte die Partei tatsächlich die prognostizierten fünf bis sieben Prozent erhalten, sicher ins Europaparlament einziehen. Von Storch sagt: Parlament der Europäischen Union. Das ist ihr wichtig, denn Europa ist größer als die EU. Und noch größer als die Eurozone. Gegen Europa habe sie nichts, sagt sie, und auch nicht die AfD, aber die EU in ihrer jetzigen Form gehe zu weit: "Wir wollen nur dort kooperieren wo das sinnvoll ist, also das Problem der Vielsprachigkeit reduzieren auf das Notwendigste."
Eine gemeinsame Außenpolitik mache Sinn, erklärt Beatrix von Storch. Aber Sozialgesetzgebung, Arbeitsgesetzgebung, Handel, Wirtschaft, Finanzen: Das ist ihr zu viel. Was haben sie und ihre Parteifreunde also vor, wenn sie Mitglieder des Parlaments geworden sind? Der Chefredakteur des umstrittenen Magazins Compact, Jürgen Elsässer, hatte den Abgeordneten in spe bei einer Partei-Veranstaltung geraten: "Ich würde kandidieren. Ich würde versuchen, ein möglichst gutes Ergebnis zu bekommen. Aber ich würde die parlamentarische Arbeit nicht ernst nehmen. Und möglichst wenig Leute da hinschicken".
Ein Spagat, sagt Beatrix von Storch. "Wir werden die Aufgabe ernst nehmen. Wir werden uns mit dem System auseinandersetzen, aber wir werden innerhalb des Systems artikulieren, wo dieses System krankt. Wir werden die Mittel, die uns zur Verfügung gestellt werden, nehmen. Und wir werden gleichzeitig trotzdem artikulieren, dass das ein Übermaß an Mitteln ist, dass da zur Verfügung gestellt wird."