Archiv

Weltgrößte Fotosammlung
"Rund eine Million an fotografischen Objekten"

In London entsteht die größte Fotosammlung der Welt unter dem Dach des Victoria and Albert Museums. Der Leiter der Kunsthäuser, Martin Roth, sagte im DLF, er werde ein Archiv aufbauen, das absolut zugänglich sei für alle, also nicht nur für Enthusiasten und Spezialisten, sondern für jeden, der sich für das Thema interessiere.

Martin Roth im Gespräch mit Burkhard Müller-Ullrich |
    Eine Hand hält eine Fotokamera.
    Fotografische Werke von künstlerischem und kunsthistorischem Wert werden im Victoria and Albert Museum zu sehen sein. (picture alliance / dpa / Boris Roessler)
    Burkhard Müller-Ullrich: Aus London erreichte uns heute Mittag die Meldung, dass dort die größte Fotosammlung der Welt unter dem Dach des Victoria and Albert Museums entsteht. Millionen Bilder werden dort zusammenkommen, und zwar nicht virtuell in Form einer Datenbank, sondern materiell, fotographische Werke von historischem und künstlerischem und kunsthistorischem Wert. Martin Roth, ein deutscher Museumsmann, leitet seit fünf Jahren das Victoria and Albert, dieses gigantische Kulturschatzhaus, und er hat jetzt Anlass zum Feiern. Herr Roth, um was für Fotos handelt es sich denn?
    Martin Roth: Es ist in der Tat so, dass es eine wunderschöne, riesengroße Sammlung von Fotographie im V&A gibt und gab, und zwar, glauben Sie es oder nicht, seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Man hat im Prinzip angefangen, Fotographie zu sammeln, gleichsam als sie erfunden, entwickelt, weitergeführt wurde. Das ist ungefähr so fortschrittlich, wie wenn ich mit Herrn MASK zum Mars fliegen wollte als Museumsdirektor: man wollte mit vornedran sein. Und unsere grandiose Geschichte, die wir zurzeit auch ausstellen, ist Julia Margaret Cameron, die erste Fotografin, die sogar hier im V&A in den 1850er-Jahren als Artist in Residence war und die grandiose Arbeit geleistet hat. Auch ihr Archiv ist bei uns. Das heißt, von vornherein war das nicht nur ein interessantes Medium, sondern man hat es sofort als Kunst erkannt. Und was dann passierte, Ende des 19. Beziehungsweise zu Beginn des 20. Jahrhunderts, war, dass die Sammlung geteilt wurde in eine wissenschaftliche fotographische Sammlung und eine künstlerische. Die wissenschaftliche kam zu dem Science Museum, das damals gegründet wurde, und der Rest blieb hier. Dies alles wird jetzt wieder zusammengeführt. Es gab ein Nationalmuseum für Fotographie, das zum Science Museum gehörte in Bedford. Das wird jetzt aufgelöst und verändert und diese Sammlung kommt wieder zurück. Das heißt, wir besitzen ab demnächst - das wird ein langer Prozess sein, bis das zusammengeführt ist - rund eine Million, etwas weniger, aber rund eine Million an fotographischen Objekten, Prints und was alles dazugehört. Das ist damit, so gehe ich mal unbescheiden davon aus, die größte Sammlung an Kunstfotographie weltweit, und das macht uns, wie sie sich vorstellen können, richtig stolz.
    Alles wird jetzt wieder zusammengeführt
    Müller-Ullrich: Da stellt sich aber doch auch eine kleine Platzfrage. Das V&A, das Victoria and Albert Museum, ist zwar riesig groß, aber sie haben ja fast alles im Haus, vom Kunstgewerbe bis zur hohen Kunst, und Fotos werden auch gezeigt. Was können Sie überhaupt davon ausstellen jetzt?
    Roth: Die Frage ist berechtigt, aber wir möchten die Ansel Adams und Paul Strands und Julia Margaret Camerons und die Alfred Stieglitzs und vieles andere mehr zugänglich machen. Das heißt, wir werden ein Archiv aufbauen, das absolut zugänglich ist für alle, also nicht nur für Enthusiasten und nicht nur für Spezialisten, sondern für jeden, der sich irgendwie für das Thema interessiert. Und wir werden in den nächsten Jahren auch den Anteil an Fotographie innerhalb unserer Ausstellung deutlichst erhöhen. Dazu kommt noch, dass wir im Osten Londons im ehemaligen Olympia-Gelände derzeit ein neues Museum ist vielleicht das falsche Wort, eher eine Institution bauen, die gleichsam ein im positiven Sinne Zwischending ist zwischen Archiv, zwischen Depot und Ausstellungshaus, sehr stark auf Forschungsarbeiten beruhend, und dieses sehr offene, transparente Archiv und Ausstellungshaus ist dann natürlich auch umso attraktiver, nachdem wir diese Sammlung wieder für uns zurückgewinnen konnten.
    Müller-Ullrich: Wie sieht denn diese Forschungsarbeit genau aus? Oder anders: Welche Recherchemöglichkeiten wird dieses Riesenarchiv dann bieten und wie wird es erschlossen?
    Roth: Das gibt es zum Teil jetzt schon. Das V&A ist ja sehr gut darin und das geht immer noch zurück auf Prinz Albert, ein Museum für jeden zu sein. Jeder, der ins V&A kommen möchte und hier arbeiten möchte, was erfahren möchte, bekommt hier Antwort. Das Problem ist bloß, dass man zurzeit wahrscheinlich relativ lang darauf warten muss, bis man hier die Antwort bekommt, und das wollen wir natürlich beschleunigen mit diesen anderen vergrößerten Institutionen. Aber wenn die Sammlung wieder zu uns kommt, wird sie hier zwischengelagert werden, und jeder, der dann damit arbeiten möchte, kann sich bei unseren Mitarbeitern des Departement of Fotographie anmelden und bekommt dann Zugang zu dem Material. Das ist relativ unspektakulär, dauert bloß ein bisschen.
    Müller-Ullrich: Martin Roth, Direktor des Londoner Victoria and Albert Museums, über die heute bekanntgegebene Großfusion zweier Fotosammlungen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.