Der Orangenhof der Moschee-Kathedrale von Córdoba: Unter den Zitrusbäumen plätschern Brunnen, Touristen fotografieren orientalische Ornamente und Marienstatuen am Eingang, das Minarett und die Kirchenkuppel. Für die meisten Besucher ist klar: Sie betreten ein Gebäude mit islamisch-christlichem Doppelcharakter.
Die Eintrittskarte weist das Baudenkmal jedoch allein als Kathedrale von Córdoba, als "unsere heilige Kirche" aus. Diese Bezeichnung verwenden auch die Touristenführer. Am Anfang jeder Tour: der Hinweis, dass die Moschee über den Fundamenten einer westgotischen Basilika erbaut wurde. Dann folgt der Rundgang durch den sich scheinbar bis ins Endlose erstreckenden Säulenwald der 785 unter dem Emir von Córdoba Abd ar Rahman I. begonnenen und ständig erweiterten Moschee. Die Besucher bewundern die berühmten doppelten Hufeisenbögen, den Mirhab, die prächtig gestaltete Gebetsecke.
Mit 23.400 Quadratmetern war die Mezquita von Córdoba zeitweise die zweitgrößte der Welt. Mit der christlichen Rückeroberung der Stadt 1236 wurde sie zur Kirche geweiht, mit wenigen baulichen Veränderungen. 1523 dann ließ der Bischof von Córdoba in ihr Inneres ein mächtiges Kirchenschiff setzen.
Tageslicht fällt durch die hohe Kuppel und die Fremdenführerin erklärt:
Der Vorwurf: einseitige Sichtweise auf wechselvolle Geschichte
"Mächtig, prächtig, lichtdurchflutet – so kennen wir unsere Kirchen: als wahre Gotteshäuser."
Für Miguel Santiago von der Plattform Mezquita-Catedral von Córdoba, einem Zusammenschluss von Historikern, Journalisten und Bürgern der Stadt, sind solche Führungen Beweis einer einseitigen Sichtweise auf die wechselvolle Geschichte.
"Wir beobachten, dass seit Anfang des Jahrhunderts die Bischöfe aus Córdoba die katholische Dimension des Gebäudes über allen anderen betonen: Mit der Amtseinführung des jetzigen Bischofs 2010 ist der Name Moschee verschwunden. Aber die Unesco hat das Gebäude zum Weltkulturerbe ernannt, eben weil es so einen großen symbolischen Wert hat und als Baudenkmal für die Begegnung der Kulturen, der Religionen, die Begegnung der Kunstgeschichten steht."
185.000 Unterschriften hat die Plattform inzwischen gesammelt. Neben der symbolischen Vereinnahmung kritisiert sie auch die "juristische und wirtschaftliche" des seit 2006 offiziell als Privateigentum der Kirche registrierten Gebäudes. Geschätzte acht bis elf Millionen Euro Eintrittsgelder fließen jährlich in die Bistumskassen, steuerfrei und ohne Offenlegungspflicht. Geht es nach der Plattform, sollen diese Gelder der Regionalregierung zukommen. Sie fordert, das Gebäude in öffentliche Trägerschaft zu überführen und von Regierung und Bistum gemeinsam verwalten zu lassen.
"Natürlich muss das Bistum das Gebäude weiter nutzen, aber nicht so wie bisher. Wir als Plattform fordern eine öffentliche Verwaltung unter Beteiligung der Kirche, mit begrenzten Bereichen: der liturgischen, privaten Nutzung auf der einen und der touristischen, öffentlichen Nutzung auf der anderen Seite – um Missbrauch wie derzeit zu vermeiden."
Die andalusische Regionalregierung lässt den Antrag derzeit prüfen und will sich in den nächsten Wochen mit Vertretern der Plattform treffen. Die Kirche begegnet der Initiative mit Unverständnis. Bistumssprecher Pablo Garzón:
"Das Gebäude ist Teil des christlichen Erbes Córdoba und die Kirche hat es Jahrhunderte lang gepflegt und für es gesorgt. 2006 haben wir unsere Rechtsansprüche darauf angemeldet, um in dieser Angelegenheit Rechtssicherheit zu haben; aber das war kein Einzelfall: In ganz Spanien hat die katholische Kirche ihre Besitztümer registrieren lassen. Diese Möglichkeit haben wir genutzt, wie jeder Bürger das getan hätte. Die heilige Kathedrale von Córdoba – ehemalige Moschee – darf jeder betreten und bewundern. Wir verlangen von niemandem die Taufurkunde beim Betreten der Kathedrale."
Seit das Gebäude 1984 zum Weltkulturerbe erklärt worden war, habe es keine wesentlichen Veränderungen bei der Verwaltung gegeben, ein Drittel der Einnahmen fließe in die Instandhaltung. Lediglich beim Thema Namens- und Symbolpolitik gibt Pablo Garzón einen offensiveren Umgang zu:
"Durch den Anstieg des Tourismus ist der eigentliche Charakter, die religiöse Bedeutung des Gebäudes, verwässert worden. Natürlich hat das Gebäude touristischen, künstlerischen, ästhetischen und geschichtlichen Wert. Aber wir wollen auch, dass es in seiner eigentlichen Bedeutung wahrgenommen wird: Es ist eine Kathedrale, für uns ein heiliger Ort. Früher war die spanische Gesellschaft sehr katholisch, aber in einer pluralen, multikulturellen Gesellschaft ist es wichtig, den Menschen klar zu machen, wo sie sich befinden."
Eine symbolpolitische Reconquista also, auch um ein für alle Mal den Anspruch auf eine exklusive religiöse Nutzung festzuschreiben. Denn immer wieder flammte in den letzten Jahren in Córdoba die Debatte um eine interreligiöse Nutzung des Gotteshauses auf: 2004 wollte die lokale islamische Gemeinde vor dem Mirhab beten. Sechs Jahre später kam es zu einem Handgemenge, als österreichische Muslime in der Mezquita-Catedral das Nachmittagsgebet anstimmten. Für den derzeitigen Bischof von Córdoba ist eine gemeinsame Nutzung undenkbar, weil dies, so der Sprecher, unvereinbar mit dem sakralen Charakter der Kirche sei.
Diese Position ist nicht nur zeitlich weit entfernt vom Pragmatismus der ersten muslimischen Jahre Córdobas. Die Sankt-Vinzenz-Kirche, deren mosaikbesetzter Boden in der Mezquita-Catedral hinter Glas zu besichtigen ist, wurde einige Jahre zeitgleich genutzt - von Christen wie von Muslimen.