Archiv


Weniger Steuern, mehr Arbeitsplätze

Dass die Bürger bei einer Reform der Unternehmenssteuern nicht direkt profitieren, versteht sich fast von selbst. Indirekt aber sollen sie dadurch etwas davon haben, dass die Unternehmen neue Arbeitsplätze schaffen, so zumindest die Hoffnung der Bundesregierung.

Von Michael Braun und Brigitte Scholtes |
    "You must observe the rules of the market-place. That's rather a lot. It's rather complicated."

    Die Eiserne Lady ist schuld: Margaret Thatcher mahnte, wer sich für eine Marktwirtschaft entschieden habe, müsse ihre Regeln beherrschen. Das sei ziemlich schwierig. Aber ihr gelang es trotzdem. Sie modernisierte Großbritannien mit harter Hand. Eines ihrer Mittel: die Reform der Unternehmenssteuern. Zwischen 1982 und 1986 senkte die damalige Premierministerin den Körperschaftssteuersatz in Großbritannien massiv – von 52 auf 35 Prozent.

    Seitdem ist ein internationaler Steuerwettbewerb entbrannt. Für die Steuern aus Unternehmensgewinnen heißt es nun: runter. Denn jeder Staat glaubt, dass er mit niedrigen Steuern internationale Investoren anlocken könne. Denn wo produziert und investiert wird, das ist dem Kapital egal. Vor allem internationale Konzerne stehen mitten im Wettbewerb um die besten Standorte.

    Der Steuersatz kann da mitentscheidend sein. Charlotte Winzer, die Vorsitzende des Steuerausschusses der Amerikanischen Handelskammer in Deutschland vertritt die Ansicht, Deutschland habe dabei zuletzt oft schlechte Karten gehabt:

    "Ich denke in erster Linie im Hinblick auf Neuinvestitionen. In einem Land wie den USA, das ist doch relativ weit von uns entfernt, da guckt man sich alle Standortfaktoren an. Und wie gesagt: Steuern spielen da vielleicht mal eine Rolle. Man ist so abgeschlagen mit seinen 38 bis 40 Prozent."

    Deshalb glauben die Regierungen daran, dass sie mit guten Rahmenbedingungen, seien sie politischer, rechtlicher oder sozialer Natur, einen großen Beitrag zur Förderung der Wirtschaft leisten können. Und günstige Steuersätze könnten da einen wesentlichen Investitionsanreiz schaffen. Eine These, die Kritiker jedoch bezweifeln, wie etwa Wilfried Kurtzke, Steuerexperte der IG Metall:

    "Unternehmen brauchen natürlich auch gute Standortbedingungen, gut ausgebildete Leute, eine gute Infrastruktur und so weiter. Das ist viel, viel wichtiger oftmals als die Steuerbelastung und viel entscheidender."

    So hat die damalige rot-grüne Bundesregierung den Satz für die Körperschaftssteuer im Jahr 2001 auf einheitlich 25 Prozent reduziert. Doch zusammen mit der Gewerbesteuer und dem Solidaritätszuschlag ist die nominale steuerliche Belastung in Deutschland mit 39 Prozent immer noch die höchste in Europa. Professor Wolfgang Franz, Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung:

    "Ausgangspunkt der ganzen Reformüberlegungen ist die Tatsache, dass Deutschland nach wie vor, was die Unternehmenssteuerbelastung angeht, ein Hochsteuerland ist. Das zeigen Berechnungen des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung Mannheim und des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Und daher war ein Ziel der Bundesregierung, die Standortqualität in steuerlicher Hinsicht für Unternehmen zu verbessern, um ausländische Investoren ins Land zu locken, die dann hoffentlich Arbeitsplätze schaffen."

    Schon zu Zeiten der rot-grünen Bundesregierung entwarfen der SPD-Politiker Peer Steinbrück, heute Bundesfinanzminister, und Roland Koch, damals wie heute Ministerpräsident des CDU-regierten Hessen, ein Konzept für die Reform der Unternehmenssteuer. Ursprünglich sollte sie einer der großen Würfe der Großen Koalition werden. Hehre Ziele: im internationalen Wettbewerb um Investoren mithalten und die Steuerflucht der Unternehmen weitgehend verhindern, so Bundesfinanzminister Steinbrück vor wenigen Wochen.

    "Ich sage nicht zweckoptimistisch: Wir kriegen das Kapital aus Österreich, der Schweiz und Luxemburg wieder zurück, aber ich möchte im Augenblick die lachenden Gesichter von Bankenvertretern, insbesondere in der Schweiz, doch etwas verändern, die mir jährlich sagen und zeigen: Oh – wir haben wieder den und den Nettokapitalzufluss aus Deutschland. Ich möchte, dass die Kapitalanlagen hier stattfinden, hier in Deutschland."

    Und auch der hessische Ministerpräsident Roland Koch hat als Mitautor große Erwartungen an die Unternehmenssteuerreform, glaubt, vor allem der Mittelstand werde deutlich davon profitieren:

    "Die großen Konzerne haben eine niedrigere Steuerrate mit diesen unter 30 Prozent, aber in der Tat Konzerne, die bisher etwa Gewinne ins Ausland verlagern, werden in Zukunft Schwierigkeiten haben, das in gleicher Weise zu machen, während mittelständische Unternehmen, die bisher sehr viel Steuern bezahlen mussten, mehr bezahlen mussten als die Konzerne, die werden sehr deutlich entlastet, so dass diese Steuerreform sowohl für eine international vergleichbare Steuersystematik sorgt, aber auch einen ganz klaren Impuls an den Mittelstand ist. Der ist der große Gewinner der Steuerreform."

    Das aber bezweifeln die Gewerkschaften. Jürgen Peters, Vorsitzender der IG Metall jedenfalls, hat ein Déjà-vue-Erlebnis:

    "Hier verschenkt der Staat Geld an die Unternehmer - immer mit der großen Hoffnung, das würde sich mal auszahlen in mehr Arbeitsplätzen, in mehr Beschäftigung. Wir haben die Erfahrung der Vergangenheit, wo nichts von dem eingetreten ist."

    Ähnlich wie der IG-Metall-Vorsitzende argumentiert auch die Linkspartei, so deren Fraktionsvorsitzender im Bundestag, Oskar Lafontaine. Auch der Unmut der Linken in der SPD ist groß: Die fürchten nämlich, sie könnten ihrer Klientel kaum verständlich machen, warum die Unternehmen zum zweiten Mal in diesem Jahrzehnt entlastet werden, während die Steuer- und Abgabenlast für die Bürger weiter gewachsen sei. Finanzminister Steinbrück hat alle Mühe, den Widerstand in den eigenen Reihen gegen die Steuerreform zu dämpfen:

    "Wenn Teile meiner Partei sagen, das sind alles Geschenke an die Unternehmen, um nicht zu sagen an die Unternehmer, dann kann man eine solche Kommunikation nur sehr schwer durchtragen. Es sind keine Unternehmergeschenke, sondern ist eine Investition in den Standort Deutschland. Und es ist im ursozialdemokratischen Sinn, dass Gewinne, die in Deutschland erzielt werden, auch in Deutschland versteuert werden und dass Verluste nicht aus dem Ausland nach Deutschland hereingeholt werden und Steuern mindern. Das ist sozialdemokratisches Interesse."

    Die Unternehmenssteuerreform bereitet der SPD heftige Identitätsprobleme. Auch ihr Vorsitzender kann sie kaum beseitigen. So hatte in der vergangenen Woche eine Forsa-Umfrage unter SPD-Mitgliedern ergeben: Viele von ihnen sind mit ihrem Parteivorsitzenden Kurt Beck unzufrieden. Sie trauen ihm nicht zu, als aussichtsreicher Kanzlerkandidat in die nächste Bundestagswahl gehen zu können. Sozialdemokratische Ideen kämen in der Großen Koalition nicht genügend zur Geltung. Als Reaktion darauf hat Beck zu Beginn dieser Woche vorgeschlagen, den Parteivorstand zu verkleinern und neu zu besetzen. In seinen designierten Stellvertretern Peer Steinbrück und Andrea Nahles manifestiert sich der wirtschaftspolitische Spagat der SPD.

    Als Preis für ihre Zugeständnisse an die Union setzten die Sozialdemokraten immerhin durch, dass die Erbschaftssteuer nun nicht wie geplant abgeschafft, sondern ebenfalls reformiert wird.

    Zentraler Punkt der Unternehmenssteuerreform ist freilich die Senkung der Steuersätze: Die Körperschaftssteuer, also die Einkommensteuer der Unternehmen, soll von 25 auf 15 Prozent verringert werden. Zusammen mit den anderen Steuerarten, vor allem der Gewerbesteuer und dem Solidaritätszuschlag, soll die Gesamtbelastung der Unternehmen von heute knapp 39 Prozent auf unter 30 Prozent ab 2008 sinken.

    Ausgemachte Sache in der Großen Koalition ist, dass die Unternehmenssteuerreform höchstens fünf Milliarden Euro kosten dürfe. Um die Steuerausfälle des Staates zu begrenzen, will der Bundestag morgen eine Gegenfinanzierung beschließen, zumindest teilweise. Dazu gehört, dass nur noch wenige so genannte geringwertige Wirtschaftsgüter im Jahr der Anschaffung mit ihrem vollen Kaufpreis geltend gemacht werden können. Die meisten Anschaffungen müssen über fünf Jahre abgeschrieben werden, was die steuerlich anerkannten Kosten dämpft und somit die Steuern erhöht. Die Gegenfinanzierung betrifft auch Bereiche, die mit der Unternehmensbesteuerung nahezu nichts zu tun haben, wie etwa die Geldanlage.

    Die Steuerexpertin der Amerikanischen Handelskammer in Deutschland, Charlotte Winzer, kann der Unternehmenssteuerreform einiges Positive abgewinnen:

    "Die ganz grundlegende Verbesserung ist natürlich die Senkung der Steuerrate, die uns jetzt in ein Mittelfeld bringt, nachdem auch einige andere Mitgliedsunternehmen in der EU jetzt ja gerade wieder die Steuern gesenkt haben, schon wieder ans obere Ende des Mittelfeldes bringt, was natürlich nicht ganz positiv ist. Wir haben immer für eine 25-Prozent-Steuerrate plädiert, die wir für deutlich richtiger gehalten hätten, und glauben, damit wären wir auf die Liste derer gekommen, wo man sagt, wir gucken sie uns jedenfalls mal für Investitionen an."

    Mehr Schatten als Licht sieht jedoch der Bund der Steuerzahler. Dessen Vizepräsident Zenon Bilaniuk sieht Positives allenfalls bei den großen Konzernen:

    "Das bisschen Licht sehen wir darin, dass die Körperschaftssteuer um zehn Prozentpunkte gesenkt wird. Das könnte, wobei das mit Fragezeichen zu versehen ist, dazu führen, dass die großen Konzerne wieder hier in Deutschland versteuern. Es könnte auch den Standort Deutschland attraktiver machen."

    Insgesamt begrüßen die großen deutschen Konzerne zwar, dass es überhaupt eine Reform geben soll. Doch mit der Ausgestaltung des Gesetzes sind sie unzufrieden. Am Beispiel der BASF erklärt Kurt Bock, Finanzvorstand des Chemiekonzerns, warum das so ist: So investiere die BASF auch am belgischen Standort Antwerpen, und die Investitionen dort seien steuerlich schon jetzt weit im Vorteil gegenüber Deutschland:

    "Dieser Abstand wird nach der Reform noch steigen, weil es tatsächlich so ist, dass die niedrigeren nominalen Steuersätze mehr als ausgeglichen werden, in unserem Fall mehr als ausgeglichen werden durch die Abschaffung der degressiven Abschreibung. Künftig wird es nur eine lineare, also gleichmäßige Abschreibung über den Nutzungszeitraum der Chemieanlagen geben. Und der Nettoeffekt ist negativ für die BASF, und das ist eigentlich nicht das, was man sich von einer Steuerreform wünscht. Eigentlich soll ja die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Standortes verbessert werden. De facto führt es bei uns zu einer leichten Verschlechterung."

    Unter dem Strich werde der Chemiekonzern in Deutschland netto vielleicht einen Prozentpunkt an Steuern einsparen, bei einer aktuellen Steuerquote von fast 40 Prozent im Inland. Im internationalen Wettbewerb jedoch werde eine solche Reform Deutschland wohl nicht weiterbringen, glaubt Bock:

    "Das Signal ist sicher die Reduzierung der nominalen Steuersätze. Das wird im Ausland wahrgenommen werden, wobei wir uns nichts vormachen sollten: Jeder Investor wird am Ende des Tages natürlich auf die tatsächliche, also auf die effektive Steuerlast auch schauen und natürlich auch genau rechnen: Investiere ich in Deutschland, in Osteuropa, England oder Holland oder in Belgien? Und dann wird wirklich durchgerechnet, welche Steuern fallen denn tatsächlich an unter Berücksichtigung aller Umstände?"

    Die Bundesregierung hat den großen Konzernen in den vergangenen Jahren vorgeworfen, sie rechneten sich künstlich arm, nur um Steuern zu sparen. Doch diesen Einwand lässt der BASF-Finanzchef nicht gelten:

    "Der Bundesfinanzminister war immer sehr kreativ im Finden von Beispielen, die wir dann in der eigenen unternehmerischen Praxis so gar nicht wiedergefunden haben. Wir haben uns immer gefragt, ob wir was übersehen haben bei den Gestaltungsmöglichkeiten. Natürlich versuchen wir, die Steuerlast der BASF-Gruppe weltweit zu minimieren. Das ist auch unsere Pflicht gegenüber unseren Aktionären, und der Pflicht stellen wir uns natürlich auch."

    Der Mittelstand hingegen klagt am lautesten: Selbst Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) hat dessen Einwände verstanden, dennoch aber dem Gesetzentwurf im Kabinett zugestimmt. Zenon Bilaniuk, Vizepräsident des Bundes der Steuerzahler, sieht Verschlechterungen für die kleinen und mittleren Unternehmen und Personengesellschaften. Seiner Meinung nach entstehen die auch dadurch, dass die Reform nicht aufkommensneutral ist, sondern eine Gegenfinanzierung von fünf Milliarden Euro notwendig mache.

    "Es ist deshalb nämlich auch keine Reform, und von Steuer-Vereinfachung sehen wir auch keine Spur. Eigentlich ist es noch eine weitere Verkomplizierung. Nur der Mittelstand ist an dieser Gegenfinanzierung in großem Umfang beteiligt, ohne dass er gleichzeitig eine Kompensation durch Entlastung erfährt. Und deshalb befürchten wir, dass Teile des Mittelstandes sich nach dieser Reform sogar schlechter stehen als vor diesem Gesetzespaket."

    Der Mittelstand beschwert sich ebenfalls darüber, dass die Abschreibungsmöglichkeiten nun abgeschafft würden. Wie sich das in der unternehmerischen Praxis auswirken könnte, beschreibt Birgit Sadlowski. Sie führt die Geschäfte der Lux AV-Technik, einer GmbH in Offenbach. 18 Mitarbeiter vermieten Konferenztechnik und erbringen die dazugehörigen Dienstleistungen. Sadlowski freut sich zwar auf die niedrigere Körperschaftssteuer, ihr graust aber jetzt schon vor den neuen Abschreibungsregeln für geringwertige Wirtschaftsgüter:

    "Bis 410 Euro Anschaffungspreis konnte man im Anschaffungsjahr komplett abschreiben, das Gerät. Das kann man künftig dann, wenn es wie geplant durchgeführt wird, nicht mehr machen. Da geht das nur bis 100 Euro. Meine Geräte, die ich anschaffe, liegen aber ganz oft bis 410 Euro. In Zukunft wird ein Pool gebildet, also zwischen Anschaffungspreis 100 Euro und 1000 Euro, das heißt, einmal im Jahr muss man die Geräte in einen Pool einstellen und muss die auf fünf Jahre abschreiben, was bei unserem Betrieb wirklich Blödsinn ist, weil die nach zwei Jahren im Grunde genommen weggeworfen werden können. Wenn die jeden Tag in der Vermietung sind, können Sie sich vorstellen, dass sie a) nicht mehr in Ordnung sind und b) auch nicht mehr zeitgemäß. Und die Kunden haben Anrecht auf neue Technik, auf neue Technologie."

    Birgit Sadlowski fürchtet höhere Ausgaben für den Steuerberater, vor allem aber sorgt sie sich um ihr Investitionsbudget:

    "Ich habe auch nicht das Kapital für eine Neuanschaffung der Geräte. Das fehlt mir, ist noch gebunden. Wenn ich abschreiben kann, habe ich ja auch wieder Kapital frei, um Neuanschaffungen zu tätigen."

    Dass die Bürger bei einer Reform der Unternehmenssteuern nicht direkt profitieren, versteht sich fast von selbst. Indirekt aber sollen sie dadurch etwas davon haben, dass die Unternehmen neue Arbeitsplätze schaffen, so zumindest die Hoffnung der Bundesregierung. Der Präsident des Mannheimer ZEW, Wolfgang Franz, glaubt auch an die positiven Wirkungen der Unternehmenssteuerreform.

    "Wir werden Investitionen im Land behalten, die sonst vielleicht aus steuerlichen Gründen abgewandert wären. Das heißt nicht, dass jetzt eins zu eins ab morgen oder übermorgen dann der Beschäftigungsaufbau beginnt, sondern wir müssen an vielen Fronten Reformanstrengungen unternehmen. Aber eine wirksame Unternehmenssteuerreform ist sicherlich ein wirkungsvoller Beitrag für mehr Beschäftigung, denn wir müssen daran denken: Wir haben immer noch rund vier Millionen Arbeitslose."

    Die großen Konzerne wollen sich darauf nicht festlegen lassen. Auch im Mittelstand werde die Reform nicht unmittelbar dazu führen, dass Jobs geschaffen werden, meint Zenon Bilaniuk vom Bund der Steuerzahler.

    Die Gewerkschaften glauben ohnehin nicht an eine segensreiche Wirkung dieser Steuerreform, im Gegenteil: Der Durchschnittsbürger sei ganz klar der Verlierer, meint Wilfried Kurtzke, Steuerexperte der IG Metall. Denn der werde mit Steuern und Abgaben belastet, während es den Unternehmen künftig besser gehe:

    "Der kleine Mann zahlt massiv drauf, damit Unternehmen jetzt steuerlich entlastet werden können. Das an sich ist schon ein Skandal, aber richtig. Spannend wird es erst, wenn der jetzige wirtschaftliche Aufschwung wieder abklingt. Also zurzeit tut das ja alles nicht richtig weh, weil durch die besseren Gewinne, durch das Wachstum die Steuereinnahmen zurzeit kräftig sprudeln. Die werden nur einen kleinen Dämpfer bekommen durch die Unternehmenssteuerreform. Aber wenn die Konjunktur wieder schwächer läuft, dann werden sich diese Steuerausfälle, die Mindereinnahmen, dramatisch bemerkbar machen."

    Kurtzke glaubt nicht daran, dass wie von der Bundesregierung erhofft das Steueraufkommen durch die Reform steigen werde. Das dies nicht funktioniere, habe schon die letzte Steuerreform im Jahr 2001 gezeigt.

    "Eine reine Steuersenkung greift da nicht, die werden die Unternehmen mitnehmen. Das verpufft einfach als unnötiges Geschenk, sondern kann sogar noch kontraproduktiv werden, wenn wir sozusagen die andere Seite uns angucken, also Steuererhöhungen für Arbeitnehmer, die da wieder Kaufkraft kosten und sozusagen die Nachfrage wieder drosseln und dafür sorgen, dass Unternehmen wieder weniger investieren auf dem Binnenmarkt oder aber in die öffentliche Infrastruktur, weil die Gelder nicht da sind und sozusagen sich die Produktionsbedingungen wieder verschlechtern. Das schlägt im Endeffekt viel stärker durch als die Entlastung für die Unternehmen."

    Zwar hat die Bundesregierung nach langer Diskussion auch die Abgeltungssteuer für die Unternehmer eingeführt. Gewerkschafter wie Wilfried Kurtzke indes halten allerdings nichts davon:

    "Weil es eine Steuersenkung ist für in der Regel Großverdiener. Es ist eine weitere Verschiebung hin, dass Kapitaleinkünfte begünstigt werden. Letztendlich: Die Unternehmenssteuersätze, die Kapitaleinkünfte werden gesenkt. Die Einzigen, die dann noch den vollen Steuersatz zahlen, sind die Arbeitnehmer, und das ist natürlich überhaupt nicht gerechtfertigt."

    Doch hatten Finanzexperten die Abgeltungssteuer sehnlichst als einen Beitrag zur Steuervereinfachung erwartet. Nach der Ausgestaltung, die morgen im Bundestag beschlossen werden soll, profitieren jedoch allenfalls Anleger mit einem höheren individuellen Steuersatz, Bürger mit kleinen und mittleren Einkommen, deren Freibeträge ausgeschöpft sind, aber trifft es hart. Deshalb meint Klaus Nieding, Landesgeschäftsführer Hessen der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz:

    "Der Kapitalanleger profitiert leider nicht von dieser Steuerreform. Im Gegenteil: Es wird in breiten Anlegerkreisen zu einer klaren Steuererhöhung kommen. Wir haben hierfür Modellrechnungen vorgelegt."

    Die neue Abgeltungssteuer, die alle Veräußerungsgewinne dem Fiskus unterwirft, dürfte vor allem den Aufbau privater Altersvorsorge gefährden: Einerseits soll die vom Staat gefördert werden, andererseits aber langt er genau da jetzt wieder zu. Aktionärsschützer Klaus Nieding hält das für unverständlich:

    "Eigentlich müsste es Aufgabe einer sozialdemokratischen Partei sein, hier Vermögensbildung durch Altersvorsorge in Arbeitnehmerhand zu fördern."

    Die Folgen der Abgeltungssteuer werden den Finanzplatz Deutschland noch deutlich treffen, meint er:

    "Solange wir keine Steuerharmonisierung im EU-Raum haben, ist klar, dass solche anlegerfeindlichen Regelungen ganz klar zu Lasten des Finanzplatzes Deutschland gehen, und unsere Nachbarländer werben ja auch mit ihren Standortvorteilen."

    Statt Steuerharmonisierung bleibt es also beim Steuerwettbewerb. Die Steuereinnahmen des Staates also sinken weiter. Dadurch wird den Politikern das Spielgeld genommen, um ihre jeweilige Klientel zu versorgen. Dass der Wettbewerb in Europa munter weitergeht, scheint sicher. Gordon Brown, der designierte britische Premierminister, hat noch weiter sinkende Steuersätze angekündigt – ganz wie einst Maggie Thatcher.