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Westukraine
Unmut rund um russische Sprache

Etwa 40 Prozent der Ukrainer sprechen im Alltag Russisch. Im Westen dagegen herrscht Ukrainisch vor. Das war lange dort kein Problem, bis der russische Präsident Vladimir Putin sich zu den Beschützern der Russischsprachigen in der Ukraine aufschwang. Selbst im weltoffenen Lemberg führt das zu Spannungen.

Von Florian Kellermann |
    Straße in der westukrainischen Stadt Lviv (Lemberg)
    Straße in der westukrainischen Stadt Lviv (Lemberg) (dpa / picture alliance / Markiian Lyseiko)
    Der Kleinbus ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Er bringt die Menschen aus dem Umland nach Lemberg, der größten Stadt in der Westukraine. Aus dem Buslautsprecher dudelt Musik. Keiner scheint sie zu bemerken, bis auf einen Fahrgast:
    "Ich will keine Moskowiter-Musik hören, ich will diese russische Welt nicht", brummt er. Jetzt fällt es allen auf: Das Lied ist auf Russisch, noch mehr Menschen protestieren. "Gestern sind im Osten wieder vier Menschen gestorben, im Krieg gegen Russland", erklärt ein jüngerer Mann. Schließlich schaltet der Fahrer die Musik ganz aus, er fühlt sich offenbar beleidigt. Kommentieren will er den Vorfall nicht.
    Die Episode zeigt: Sprache spaltet wieder in der Ukraine, vor allem im Westen des Landes, wo die meisten Ukrainisch sprechen. Das gilt auch für das als weltoffen geltende Lemberg. Fast ein bisschen beschämt gibt das eine Fremdenführerin zu, die vor allem Polen durch die ostgalizische Metropole führt:
    "Das Russische geht mir immer mehr auf die Nerven. Das kommt durch die vielen Flüchtlinge aus dem Donezbecken. Manche von ihnen glauben, ihnen gehöre die Welt. Wenn sie hier herziehen und erklären, sie bräuchten Ukrainisch nicht zu lernen, sie kämen doch mit Russisch durch, dann finde ich das nicht fair."
    Zunächst schien der Konflikt in der Ostukraine das Problem zu beseitigen. Denn er zeigte, dass die meisten Russischsprachigen keine schlechteren Patrioten sind. Nur ein kleiner Teil von ihnen stellte sich im Konflikt auf die Seite Russlands.
    Forderung nach Wechsel zum Ukrainischen
    Viele Lemberger sind jedoch nun enttäuscht, dass diese Menschen trotzdem nicht zum Ukrainischen wechseln. So auch Oleh Radyk, Chefredakteur eines lokalen Internetportals:
    "Ich würde ja gerne, sagen sie dann, aber ich will doch die schöne ukrainische Sprache nicht verhunzen. Ich meine, wenn jemand eine Sprache lernt, wird er am Anfang immer Fehler machen. Wenn diese Leute nach Deutschland auswandern würden, würden sie auch Deutsch lernen. Das ist also kein Argument, sondern nur eine Ausrede."
    Deshalb unterstützt Oleh Radyk einen Entwurf für ein neues Sprachgesetz, den Bürger ins Parlament eingebracht haben. Er sieht vor, dass der Unterricht an allen Schulen auf Ukrainisch sein muss. Auch in der Medienpolitik geht er weit über das hinaus, was die Abgeordneten zuletzt beschlossen haben. Seit Kurzem gilt etwa für das Fernsehen, dass 75 Prozent der Nachrichten und Filme auf Ukrainisch sein müssen.
    Der Galizische Markt im Zentrum von Lemberg, hier gibt es vor allem Kleidung. Die meisten sprechen Ukrainisch, aber manche auch Russisch. So eine Verkäuferin von Stützstrümpfen:
    "Also, ich spreche hier Russisch, es ist schon lange her, dass mir das jemand vorgeworfen hat. Wenn mir jemand auf Ukrainisch antwortet, bitte sehr, das verstehe ich auch. Nationalisten gibt es überall, aber im Allgemeinen sind die Menschen hier sehr gutmütig und tolerant."
    Chaliz Ozdemir, ein Zypriot mit griechischen und türkischen Wurzeln, der im Stadtzentrum von Lemberg ein Dönerrestaurant betreibt.
    Chaliz Ozdemir, ein Zypriot mit griechischen und türkischen Wurzeln, der im Stadtzentrum von Lemberg ein Dönerrestaurant betreibt. (Deutschlandfunk/Florian Kellermann)
    Die Verkäuferinnen von den Ständen daneben drehen sich weg. Genau diese Haltung stört sie an den Menschen, die aus dem Osten des Landes gekommen sind: Sprache sei doch kein Problem, sagen sie, alle würden einander verstehen. Aber dann erwarten viele von ihnen eben doch, dass alle mit ihnen auf Russisch kommunizieren. Halina Petriwna, die auf dem Galizischen Markt Unterhosen verkauft:
    "Früher durften wir nicht Ukrainisch sprechen, in der Schule, auf der Arbeit, überall nur Russisch. Wir haben schon einen großen Schritt nach vorne gemacht. Jetzt bringen wir noch den russischsprachigen Ukrainern hier Ukrainisch bei, wir schaffen das!"
    Sprache ist nicht das einzige Problem
    Die Sprache ist aber längst nicht das einzige Problem. Die vielen Zuwanderer haben den Wohnraum knapp werden lassen, die Mietpreise und Immobilienpreise sind in die Höhe geschnellt.
    Alles Schwierigkeiten, die Lemberg bewältigen werde, meint Taras Woznjak, Chefredakteur des Lemberger Kulturmagazins "Ji". Er wirbt für mehr Verständnis:
    "Wenn ich mir den Bauboom ansehe, dann haben wir vielleicht Hunderttausend, mindestens zigtausende neue Mitbürger aus dem Osten hier. Das gibt der Stadt einen neuen Wachstumsimpuls. Und diese Menschen sind hierher gekommen, weil sie eben nicht in den Separatistengebieten wohnen wollen, in den von Russland beherrschten Gebieten."
    Wie man entspannt mit dem Sprachenproblem umgeht, zeigen diejenigen Lemberger, die eine ganz andere Muttersprache haben. So Chaliz Ozdemir, ein Zypriot mit griechischen und türkischen Wurzeln. Er betreibt im Stadtzentrum ein Dönerrestaurant. Seinen Spezialdöner serviert er mit hausgemachtem Fladenbrot und Hüttenkäse:
    "Lemberg ist eine romantische Stadt. Sie ist so vielfältig wie Moskau, wo ich auch einmal war, aber doch viel ruhiger. Ich weiß, ich spreche ein lustiges Russisch, aber die Leute verstehen mich. Jetzt lerne ich noch Ukrainisch, das ist auch eine schöne Sprache. Schon dieser nette Gruß zum Abschied: Pa, Pa."