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Wider die Verschwendung

Wie kann der Hunger auf der Welt gestoppt werden? Wie ernähren wir eine Weltbevölkerung, die immer weiter wächst? Eine Möglichkeit klingt verblüffend einfach: Bio-Landwirtschaft. Wenn alle Bauern auf der ganzen Welt ökologisch anbauen, gibt es keinen Hunger mehr. Das sagen zumindest die Befürworter.

Von Kai Rüsberg |
    "Wir haben heute aus eigener Ernte... zehn Eier, wie viel kosten die Pilze?"

    Wochenmarkt vor dem Rathaus in Bochum. Agnes Riegel hat gerade ihren Einkaufskorb gefüllt.

    "Kiwi, Koriander, Süßkartoffel... Acvocado."

    Seit Jahren kauft die Schauspielerin nur noch Biowaren ein. Meist bewusst direkt vom Bauernstand, damit die Transportwege kurz bleiben.

    "Wenn ich Glück habe, ist manches aus der Nähe, aber ist mir nicht das Wichtigste, gebe ich zu. Ich kaufe auch eine Avocado und die wächst hier nicht. Aber, die Mischung macht es."

    Biolebensmittel werden in Deutschland häufig aus Gesundheitsmotiven gekauft oder sie sind schlicht Lifestyleprodukte.

    Doch wenn es nach dem Willen der Befürworter geht, dann soll Bio weit mehr sein. Bio soll das Ernährungsproblem auf der Welt lösen.

    Der "Bund ökologische Lebensmittelwirtschaft" etwa fordert, dass die gesamte Landwirtschaft weltweit auf Bio umgestellt wird. Damit der Systemwechsel gelingt, müssten zwei Bedingungen erfüllt werden. Die Verschwendung von Ressourcen müsse gestoppt sowie der Fleischverzehr verringert werden, meint der Vorsitzende Felix Prinz zu Löwenstein.

    "Weltweit ein Drittel aller Nahrungsmittel werden weggeworfen. Bei uns wirklich weggeworfen und in Entwicklungsländern durch mangelnde Lagermöglichkeiten. Das sind die Reserven. Und die Frage eines Fleischkonsums, der wie wir ihn hier in Europa haben, die Welt aus den Angeln heben würde."

    Die Idee dahinter: Zwar könnten die Erträge einer kompletten Bio-Landwirtschaft geringer sein als bei konventionellem Anbau. Doch wenn es weniger Verschwendung gibt, dann reicht die Produktionsmenge für die Weltbevölkerung aus. Durch den Verzicht auf synthetische Dünger werde außerdem das Klima geschützt.

    "Nur durch ökologische Kultivierung, die die Vielfalt schafft und sie so kombiniert, dass das Jahr über etwas zu essen da ist, ist Ernährungsunabhängigkeit zu schaffen, für die die hungern."

    Bio-Landwirtschaft als Investment: So sieht das die ethisch orientierte GLS-Bank, die seit Jahren Landwirtschafts- und Bodenfonds auflegt. Die Bank fördert deutsche Bio-Bauernhöfe und will sich künftig auch weltweit orientieren. Vorstandssprecher Thomas Jorberg:

    "Der Weg in eine Industrialisierung der Welt mit Gentechnologie und Saatgut was patentiert ist und nur von Chemiekonzernen vergeben wird, ist der Weg in eine Sackgasse, der zur Erosion von Böden und Verarmung von Bevölkerung führt und dafür sorgt, dass die Qualität von Nahrung zurück geht."

    Die zentrale Frage aber bleibt: Kann Bio-Landwirtschaft die Welt ausreichend versorgen? Das Stichwort heißt: Nährstoffeffizienz.

    Der Bodenwissenschaftler Paul Mäder forscht dazu in der Schweiz. In einem Langzeitversuch wird seit 1978 Weizen auf zwei Feldern angebaut: Einmal konventionell mit Kunstdünger und Pestiziden, einmal biologisch und mit Stallmist als Dünger. Das Ergebnis:

    "Weizenerträge im biologischen Landbau waren im Vergleich zum konventionellen über die lange Fruchtfolgezeit etwa 20 Prozent geringer als bei konventionellen Landbausystemen, aber bei 40 Prozent weniger Aufwand, das heißt man hat eine sehr gute Nährstoffeffizienz der biologischen Landbausysteme."

    Ein gesunder Boden sei der entscheidende Faktor, meint Mäder. So konnte er nachweisen, dass biologisch bewirtschaftete Böden die Verfügbarkeit von Phosphor für Pflanzen erhöhen.

    Bio kann die Welt ernähren. Zu dieser Einschätzung kommen auch die Vereinten Nationen. Gerade in Regionen mit großem Hunger könne Bio-Anbau die Produktion verdoppeln, so ein UN-Bericht aus dem Jahr 2010.

    Beatrix Tappeser vom Bundesamt für Naturschutz glaubt, dass sich solche Erkenntnisse inzwischen auch auf internationaler Ebene etablieren.

    "Da entwickelt sich ein Mainstream von FAO, als auch UN andere EU Forschungseinrichtungen, mit dem Ziel, dass nur mit nur mit ökologischer Landwirtschaft das Ziel erreichbar ist, dass wir alle Menschen langfristig ernähren."