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Wie Journalistinnen mit Hasskommentaren umgehen
"Allerlei eklige Dinge"

Journalistinnen bekommen im Netz nicht nur mehr beleidigende Kommentare und Hasspostings als ihre männlichen Kollegen - ihre Kommentare haben eine ganz andere Qualität.

Von Isabelle Klein |
    Frau vor einem Bildschirm mit Facebook-Logo
    Frauen, die sich aktiv und selbstbewusst im Internet äußern, werden in Hassmails oft sexistisch beleidigt. (imago / epd)
    Die Journalistin Caren Miesenberger hatte nichts anderes als einen Text für "zett" verfasst – das Jugendportal des Zeit Verlags. Da ahnte sie noch nicht, was nach der Veröffentlichung auf sie zurollen würde.
    "Als Journalistin bin ich daran gewöhnt, mit scharfen Worten zu hantieren und auch meine Artikel zu diskutieren und darunter Kommentare zu finden, aber dass ich persönlich auf so eine diskriminierende Art und Weise angegangen werde, das ist doch etwas Neues."
    Miesenberger bekam etliche diffamierende Kommentare, Beleidigungen und private Nachrichten. Ihren Text hatte die Autorin in der ersten Person, also mit subjektiver Haltung geschrieben. Gerade das rufe viele "Hater" auf den Plan, meint Bianca Xenia Mayer. Die Journalistin und Medienwissenschaftlerin hat das nicht nur selbst schon erfahren, sondern auch wissenschaftlich untersucht. Für eine Forschungsarbeit zum Thema hat sie mit mehreren Journalistinnen gesprochen.
    "Da kommt es gerade bei Frauen, die massenmedial publizieren, zu Vergewaltigungsdrohungen, Stalking, Bilder werden hochgeladen, wo die Köpfe der Autorinnen auf nackte Körper gesetzt werden. Allerlei ekelige Dinge, wo eben versucht wird, die Frauen einzuschüchtern und sie in ihrer Arbeit zu hindern."
    Laut Mayer hat ein solcher Umgang mit Journalistinnen auch historische Gründe.
    In den 1970er Jahren war Journalismus ein typisch männlich besetzter Beruf
    "Man merkt einfach noch, dass die schreibende Frau nicht etwas völlig Normales ist und dass da noch gewisse Vorbehalte herrschen. Um diesen Raum einzunehmen, der lange Zeit Männern vorbehalten war, muss man eben auch gewisse Kämpfe ausfechten."
    Das Reden und Schreiben über Hate Speech nutzen viele Frauen dazu, die Öffentlichkeit auf das Thema aufmerksam zu machen – und um selbst mit den Diffamierungen, den Drohungen und dem Hass fertig zu werden. Eine andere Strategie ist, Kommentare zu moderieren und gegebenenfalls zu löschen. Bei der Tagesschau ist Anna-Mareike Krause dafür verantwortlich.
    "Wenn jemand beleidigt wird auf Grund seiner Ethnie oder auf Grund seiner Religion oder seiner sexuellen Identität, dann ist das ein Hasskommentar."
    Ein solcher Kommentar wird bei der Tagesschau schnell gelöscht. Krause und ihre Redaktion haben in den letzten Jahren immer mehr solcher Beleidigungen auf Facebook oder in den Kommentarspalten bei tagesschau.de gefunden. Besonders viele verbale Angriffe gab es zum einen bei Artikeln zur Flüchtlingspolitik und zum anderen unter Videokommentaren der Tagesschau, die von einer Frau verfasst worden waren.
    "Da geht es immer sofort um das Aussehen, die gesamte Qualifikation wird angezweifelt. Manche Kommentatoren reagieren sogar aggressiv darauf, dass hier dieser Frau die Gelegenheit gegeben wird, ihre Meinung zu verbreiten. Und das ist etwas völlig anderes als männliche Kommentatoren bekommen."
    Facebook-Gruppen bieten Hilfe
    Der persönliche Umgang mit den verbalen Entgleisungen ist das eine. Die Frage nach Rückendeckung im Netz das andere. Wenn kein Arbeitgeber die Initiative übernimmt, können auch die Nutzer selber eine Wächterrolle im Netz aktiv übernehmen. Bei Facebook etwa gibt es die Möglichkeit, Kommentare zu melden oder von der Gegenrede Gebrauch zu machen. Darauf setzt Hannes Ley. Er hat die Facebook-Gruppe #ichbinhier ins Leben gerufen. Täglich durchforstet er die Kommentarspalten der Publikumsmedien nach Hass.
    "Sobald wir das getan haben, geht dann ein Großteil der Gruppe dorthin und schreibt positiv gegen Hassrede an."
    Über 25.000 Mitglieder hat die #ichbinhier-Gruppe schon. Auch Ley beobachtet persönliche Angriffe vor gegen allem Frauen.
    "Das läuft dann gar nicht mehr unbedingt in den Kommentarspalten, sondern die werden dann via Privatnachricht auf Facebook angeschrieben und bedroht. Damit muss man sicherlich erst mal psychologisch klarkommen und dann muss man sich überlegen, ob man da strafrechtlich vorgeht."
    Strafanzeige können Nutzer online bei den jeweiligen Landesbehörden erstatten. Wie sie selbst mit dem Hass umgehen, bleibt aber letztlich eine ganz persönliche Sache, meint Journalistin Caren Miesenberger.
    "Was ich raten kann: Keine Kommentare mehr lesen, Computer aus, raus aus der Medienbranche, die Online-Redakteurinnen in die Pflicht nehmen und darum bitten, die Kommentare wirklich gut zu moderieren."