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Wie Politik die Zukunft gestaltet

Der Ex-Ministerpräsident Bernhard Vogel erzählt als Gastprofessor an der NRW School of Governance der Universität Duisburg-Essen, warum Politik Beruf ist. Und bestärkt damit manchen in seinem Berufswunsch.

Von Vanessa Dähn |
    Temperaturen um den Gefrierpunkt, es regnet und – obwohl erst vier Uhr nachmittags – wird es auch schon dunkel. Es ist ungemütlich auf dem Campus der Universität Duisburg-Essen. Weiße DIN-A4-Blätter mit Aufschrift und Pfeilen weisen den Weg: Vortrag Bernhard Vogel - hier geht's lang.

    Im kuschelig-warmen Hörsaal Plätze für ein paar hundert Studenten – doch gerade mal die ersten Reihen füllen sich. Der Vortrag ist öffentlich, eine Studentin hat ihre Mutter mitgebracht:

    "Ja, weil das Thema sehr interessant ist: Politik als Beruf. Weil man ja den großen Unterschied macht zwischen Politiker und dem Politiker, der als bezahlter Politiker tätig ist."

    Die Dame kennt sich offenbar aus und hat ihn gelesen: den gleichnamigen Vortrag von Max Weber, "Politik als Beruf", das ist ein Soziologen-Klassiker aus dem Jahr 1919. Von der Politik leben können, das möchten die meisten hier später einmal. So wie Fabian Zacharias. Er ist 24 Jahre alt, trägt V-Pulli zum Jackett und studiert einen Zungenbrecher:
    "Politikmanagement, Public Policy und Öffentliche Verwaltung."

    Warum sind sie denn heute hierher gekommen?


    "Weil ich ursprünglich aus Thüringen komme und natürlich es nicht missen möchte, den ehemaligen Ministerpräsidenten von Thüringen hier in Duisburg reden zu hören."

    In den vorderen Reihen unterhält man sich angeregt. Verschiedene Politikernamen fallen, Studenten sprechen über Peer Steinbrück wie über einen guten Bekannten. Der hatte auch schon eine Gastprofessur an der NRW School of Governance der Uni Duisburg Essen. Genau, wie jetzt Bernhard Vogel. Mit ein paar Regentropfen auf den breiten Schultern und Lächeln im Gesicht betritt er den Saal. Dieses Lächeln wird ihn bis zum Ende der Veranstaltung nicht verlassen. Nach dem Grußwort des Dekans tritt der ehemalige CDU-Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Thüringen ans Mikrofon:

    "Auch, wenn der Inhalt dieses Vortrags der heutigen Generation – studierte Fachleute natürlich ausgenommen – nicht mehr so vertraut sein dürfte, wie meiner Generation, möchte ich doch mit einigen seiner nach wie vor gültigen Grundaussagen beginnen. Wenn ich schon so unverfroren bin, für meinen heutigen Vortrag denselben Titel wie Max Weber zu wählen. Wer Politik betreiben will, muss drei Dinge besitzen: Leidenschaft, Verantwortungsgefühl und Augenmaß."

    Hier spricht nicht nur der Politiker Bernhard Vogel, hier spricht auch der Wissenschaftler. Bis heute bedaure er es, seine wissenschaftliche Karriere nicht bis zur Habilitation fortgeführt zu haben. Dem Politikernachwuchs im Saal legt er ans Herz, sich nach dem Studium erst ein paar Jahre beruflich zu etablieren. Unabhängigkeit sei wichtig. Ja, man muss auch zurücktreten können. Eine knappe Stunde dauert die Rede über Aufgaben und Ziele der Politik, das Wesen der Demokratie und die Tugenden eines Politikers. Der Nachwuchs soll schließlich wissen, worauf er sich einlässt.

    "Er lässt sich, wie Weber sagt, mit diabolischen Mächten ein. Und ich zitiere weiter: Wer das Heil seiner Seele und die Rettung anderer Seelen sucht, der suche sie nicht auf dem Weg der Politik, die ganz andere Aufgaben hat."

    Am 19. Dezember wird Bernhard Vogel 80 Jahre alt. Als Politiker hat er mehr als ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel. Sein Seelenheil hat er dabei vielleicht nicht gefunden, aber er wirkt auch nicht wie jemand, der es verloren hat. Und so ermutigt der CDU-Mann den ambitionierten Nachwuchs im Saal: Man müsse sich nicht schämen, sich auf das vermeintlich schmutzige Geschäft der Politik einzulassen, auch, wenn Politikern in Deutschland heute nicht mehr vertraut werde, als Autoverkäufern oder Finanzberatern. Nach dem Vortrag dürfen Fragen gestellt werden – und die Studenten möchten noch einiges wissen: zum Beispiel, wie Bernhard Vogel sich mit seinem Bruder versteht, dem SPD-Mann Hans-Jochen Vogel. Oder inwiefern Freundschaften unter Politikern politische Entscheidungen beeinflussen. Und die Sache mit dem Vertrauen in die Politiker lässt ihnen keine Ruhe. Wie man das wohl wieder herstellen kann?

    "Da sie in ihrem Alter ja in der Regel noch keine schmutzigen Hände haben, sollten sie sich, wenn sie können, in die Politik einlassen. Und es besser machen. Schauen sie, wir werden an dem Zustand der Welt, meine Generation nicht mehr, viel ändern. Sie müssen sich damit abfinden, so wie wir sie hinterlassen, werden sie sie übernehmen. Aber sie haben viel Freiheit, wie sie sie an ihre Kinder weitergeben. Wir haben manches falsch gemacht, aber so ganz schlecht haben wir es doch nicht gemacht. Jetzt geht hin und macht's besser."

    Am Ende entlässt ein herzlicher Applaus den inzwischen doch ein wenig müde wirkenden Bernhard Vogel hinaus in den nasskalten Winterabend. Die Stimmung unter den Studenten: gut. Wie sieht es aus mit dem Berufswunsch?

    "- "Da schwanke ich noch, da bin ich unsicher. Aber was Herr Vogel gerade gesagt hat, ist immer ein guter Hinweis, ein guter Barometer. Und das schlägt Richtung Politik."
    - "Ich nehme besonders mit seine alltäglichen Erzählungen, wie der Politikbetrieb ablief auch hinter den Kulissen, also den informellen Bereich sozusagen, wie man da gestaltend tätig wird.""

    Fazit: eine Vorlesung mit erbaulicher Wirkung also. Manch einer dürfte sich in seinem Berufswunsch "Politiker" bestärkt fühlen.