Ein Mann steht allein auf der Bühne, mit dem Rücken zum Publikum, und ruft sich seine Welt herbei mit den Worten: "Kommen lassen. Anfliegen lassen. Träumen lassen. Hellträumen. Um- fassend träumen. Verbindlich! Frei-träumen. Wen? Mich? Uns?"
Peter Handke nennt diese Figur "Ich", je nach ihrem Verhalten wechselnd zwischen "Ich, der Erzähler" und "Ich, der Dramatische". In weitem Schwung führt eine Straße über die leere Bühne. Sie wird nicht mehr befahren, und während "Ich, der Erzähler" sie beschreibt, fährt krachend eine Art demolierter Haltestelle aus dem Boden. Kein Unterstand, aber doch ein Platz, auf dem er sich niederlassen und wie ein Wächter auf die Menschen warten kann. Die anders sind oder denken als er und von Handke als die "Unschuldigen" bezeichnet werden. Während "Ich" wartet, denkt er über sich und die Welt, über den Sinn des Lebens, über Alter und Tod nach und durchlebt dabei die vier Jahreszeiten.
Peymann setzt Text schwungvoll um
Handkes neues Stück ist über weite Strecken eine Art räsonierender Lebenssinn-Monolog. Bei der Lektüre dieses 180 Seiten umfassenden Textes, der mit viel Redundanz und manchmal angestrengt poetischer Befindlichkeitsprosa dahinfließt, fällt es schwer, darin ein Theaterstück zu entdecken. Doch Regisseur Claus Peymann gelingt es sofort wunderbar, der Schwere und Bedeutsamkeit des Textes mit einer unaufgeregten Lockerheit zu schwungvollem Theaterleben zu verhelfen.
In Christopher Nell, in dessen Rolle des "Ich" naturgemäß viel von Handke selbst steckt, besitzt er einen großartigen Hauptdarsteller. Mit beweglicher Körpersprache und komödiantischem Ernst bedient er Handkes Bedeutungstexte und lockert sie zugleich auf. Anfangs noch etwas monoton mit ausgebreiteten Armen und gen Himmel gewandtem Kopf wie ein Verkünder. Doch schnell entwickelt sich der auch gesanglich überzeugende Nell immer mehr zu einem Figurendarsteller und Figurenbefrager:
"Doch noch einmal der Frühling auf Erden. Einen Augenblick später zeige ich mich von Neuem als der Umdüsterte. Dabei recke und strecke ich mich wie bereits vor einer Konfrontation. Doch die Gegenspieler oder wer oder die feindlichen Mächte oder was, sie bleiben aus oder lassen auf sich warten."
Wenn endlich die anderen einzeln oder in Gruppen kommen, ignorieren oder beschimpfen sie ihn, besonders heftig die komödiantisch konzentriert überdrehte Maria Happel als Wortführerin der "Unschuldigen". Der Einzelne, der kritisch gegenüber den anderen ist, weil die ihm zu sehr auf Wirtschaftlichkeit und ein klares Lebenssystem bauen, dieser Einzelne wirkt für die "Unschuldigen" als Sonderling, ja als Idiot. Die "Unbekannte", von der "Ich" dachte, sie habe ihn immer im Auge gehabt, erweist sich in der Darstellung der ganz in Schwarz gekleideten Regina Fritsch eher als eine Art Todesengel. Vor allem aber setzt sich "Ich" mit dem Wortführer der "Unschuldigen" auseinander. Die "Unschuldigen" lassen einen Wirbel von Zetteln mit Hinweisen und Wünschen zurück, denn sie sind nicht böse, sondern wissen nur nicht, was sie tun sollen. "Ich" klaubt etliche Zettel auf und trägt deren Texte vor. Während Martin Schwab, als "Wortführer" der "Unschuldigen" ein Kraftquell der Inszenierung, seine Vorstellung von einem richtigen Leben immer wieder heraus posaunt:
Auf die gute Nachbarschaft dagegen ist Verlass. Die gute Nachbarschaft, sie wird unsere Rettung sein. Unser Heil. Und hört jetzt auch meinen Traum vom guten Nachbarn, dem neuen Menschen.
"Doch noch einmal der Frühling auf Erden. Einen Augenblick später zeige ich mich von Neuem als der Umdüsterte. Dabei recke und strecke ich mich wie bereits vor einer Konfrontation. Doch die Gegenspieler oder wer oder die feindlichen Mächte oder was, sie bleiben aus oder lassen auf sich warten."
Wenn endlich die anderen einzeln oder in Gruppen kommen, ignorieren oder beschimpfen sie ihn, besonders heftig die komödiantisch konzentriert überdrehte Maria Happel als Wortführerin der "Unschuldigen". Der Einzelne, der kritisch gegenüber den anderen ist, weil die ihm zu sehr auf Wirtschaftlichkeit und ein klares Lebenssystem bauen, dieser Einzelne wirkt für die "Unschuldigen" als Sonderling, ja als Idiot. Die "Unbekannte", von der "Ich" dachte, sie habe ihn immer im Auge gehabt, erweist sich in der Darstellung der ganz in Schwarz gekleideten Regina Fritsch eher als eine Art Todesengel. Vor allem aber setzt sich "Ich" mit dem Wortführer der "Unschuldigen" auseinander. Die "Unschuldigen" lassen einen Wirbel von Zetteln mit Hinweisen und Wünschen zurück, denn sie sind nicht böse, sondern wissen nur nicht, was sie tun sollen. "Ich" klaubt etliche Zettel auf und trägt deren Texte vor. Während Martin Schwab, als "Wortführer" der "Unschuldigen" ein Kraftquell der Inszenierung, seine Vorstellung von einem richtigen Leben immer wieder heraus posaunt:
Auf die gute Nachbarschaft dagegen ist Verlass. Die gute Nachbarschaft, sie wird unsere Rettung sein. Unser Heil. Und hört jetzt auch meinen Traum vom guten Nachbarn, dem neuen Menschen.
Publikum spendet viel Applaus
"Ich" und der "Wortführer" erkennen sich schließlich gegenseitig in ihren Kindheitserinnerungen, und die mittlerweile alten und kranken "Unschuldigen" lernen: Du lebst nur durch die anderen Menschen. Am Schluss seiner schönen, wenn auch manchmal zu langwierigen Inszenierung lässt Peymann mehrere Schlüsse durchspielen. Was war das alles nun eigentlich: ein Drama oder eine Wahrheitssuche? Handke blieb wieder ganz in seinem eigenen poetischen Kosmos. Manchmal entfaltete sich poetische Kraft, manchmal war es aber auch nur Poetisiererei. Das Publikum im Burgtheater jedenfalls spendete reichlich Beifall.