Archiv

Wikileaks-Gründer Julian Assange
1095 Tage auf der Flucht

Vor drei Jahren flüchtete Wikileaks-Gründer Julian Assange in die Botschaft Ecuadors in London. Schweden wirft ihm Vergewaltigung in minderschwerem Fall vor. Die USA verlangen wegen der Veröffentlichung von 500.000 Geheimdokumenten seine Auslieferung. Ein Justizdrama, bei dem keine Lösung in Sicht ist.

    Wikileaks-Gründer Julian Assange
    Wikileaks-Gründer Julian Assange (AFP / John Stillwell)
    Nur minimale Bewegung und kein Ende in Sicht in der unendlichen Geschichte: Im März vollzog Schwedens Staatsanwaltschaft die Kehrtwende und kündigte an, Julian Assange in der Botschaft Ecuadors vernehmen zu wollen, also das zu tun, was der Wikileaks-Gründer schon Anfang 2011 angeboten hatte. Sein Anwalt, Per Samuelson, schilderte im März die Reaktion seines Mandanten:
    "Er war sehr zufrieden. Er sagte, das ist ein großer Sieg für mich; ich habe darum seit mehr als vier Jahren gebeten. Zugleich war er irritiert, dass die Staatsanwältin Marianne Ny so lange brauchte, um einzusehen, dass sie dies tun musste."
    Doch es brauchte weitere Monate, bis es konkret wurde mit der Befragung. Vorgestern sollte sie stattfinden; und dann sagte Schwedens Staatsanwaltschaft in letzter Minute ab. Sie hatte den Behörden Ecuadors die Bitte um Befragung zu spät zugestellt, um rechtzeitig eine Genehmigung zu erhalten. Sollen die Vorwürfe sexueller Belästigung und Nötigung nicht verjähren, muss Assange bis Ende Juli vernommen werden.
    Vergewaltigungsvorwurf verjährt erst 2020
    Nur die ihm zur Last gelegte mutmaßliche Vergewaltigung in einem minderschweren Fall verjährt erst 2020. Julian Assange wird vorgeworfen, dass er im August 2010 ungeschützten Geschlechtsverkehr mit einer Wikileaks-Unterstützerin hatte, obwohl die auf einem Kondom bestanden habe. Einige Tage später erkundigte sich die Frau bei der Polizei, ob man den Whistleblower zu einem HIV-Test zwingen könne. Das brachte den Stein ins Rollen, weil Vergewaltigung ein Offizialdelikt ist, bei dem die Behörden automatisch ermitteln müssen.
    In Großbritannien wehrte sich der heute 43-Jährige in drei Gerichtsinstanzen erfolglos gegen das Auslieferungsersuchen und flüchtete am 19. Juni 2012 in Ecuadors Botschaft.
    Seit 1095 Tagen (Quelle: This Day in Wikileaks) hockt er in einem kleinen Zimmer, mit Bett, Dusche, Kochplatte, einem Computer, einem Laufband und einer Höhensonne. Wollte er das Gebäude hinter dem Nobelkaufhaus Harrod's verlassen, würde er sofort verhaftet werden. Sein Botschaftsexil ist wie Knast ohne Hofgang und schon vor einem Jahr sagte Assange:
    "Wie sie sich vorstellen können – ohne Anklage vier Jahre auf verschiedene Weise in diesem Land eingesperrt zu sein – und davon zwei Jahre in dieser Botschaft, die keinen Auslauf hat, kein Sonnenlicht, das ist eine Umgebung, in der jede gesunde Person gewisse Schwierigkeiten hätte."
    Lebenslang in einem Botschaftszimmer?
    Seine Anhänger haben verbreitet, dass der Whistleblower an einer Herz- und chronischen Lungenerkrankung und an Bluthochdruck leide. Zumindest sein Haupthaar ist in der Zeit von aschblond zu grau mutiert. Vor zehn Monaten lud er zu einer merkwürdigen Pressekonferenz und verkündete:
    "Ich werde die Botschaft bald verlassen!"
    Eine Aussage, die sich offensichtlich als voreilig entpuppte. Jetzt sagte Ecuadors Präsident Rafael Correa gegenüber Euronews:
    "Assange kann den Rest seines Lebens in unserer Botschaft bleiben und wird immer willkommen sein. Schon morgen könnte das Problem leicht gelöst werden, wenn ihm das Vereinigte Königreich Immunität anböte. Schweden hätte ihn schon längst in der Botschaft befragen sollen. Beide könnten das Problem schon morgen lösen."
    Doch danach sieht es auch nach drei Jahren nicht aus.