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Windenergie
Erster Windpark Deutschlands wird 30

Es war eine Keimzelle des Booms: 1987 wurden 30 Anlagen des Windenergieparks Westküste in Schleswig-Holstein feierlich in Betrieb genommen. Die alten Anlagen haben inzwischen ausgedient und modernen Rotoren Platz gemacht. Doch von den alten Rädern haben viele Ingenieure Windenergie gelernt.

Von Johannes Kulms |
    Dieter Haack ist 1987 als Monteur bei der Eröffnung dabei und heute Prokurist des Windparks
    "Wir haben die Keimzelle aktiviert - und die Geburtsstätte war damit klar", sagt Diether Haack, heute Prokurist des Windparks. Er war damals Monteur und bei der Einweihung des Windparks dabei. (Deutschlandradio/Johannes Kulms)
    Heute drehen sich in ganz Schleswig-Holstein die Windräder. Erst recht an der Westküste, zum Beispiel im Kreis Dithmarschen. Und so scheint der Anblick der Anlagen im Kaiser-Wilhelm-Koog zunächst nicht außergewöhnlich.
    Dabei wurde hier auf dem Marschboden, einen knappen Kilometer hinterm Nordseedeich, Geschichte geschrieben: Am 24. August 1987 weihte der damalige Schleswig-Holsteinische Ministerpräsident Uwe Barschel auf der 20 Hektar großen Fläche Deutschlands ersten Windpark ein. Barschel fasste sich damals kurz und wünschte:
    "Ständigen, kräftigen Wind von vorn!" (Applaus)
    Diether Haack war an jenem Tag dabei, hielt sich jedoch im Hintergrund. Haack war damals Monteur und erinnert sich noch gut daran, dass etwas fehlte an jenem Sommertag vor 30 Jahren: Der Wind.
    "Also wir hatten Flaute. Und trotzdem hatten wir natürlich das Prozedere, es sollte am 24.08. losgehen. Sie trudelten, aber sie haben nicht die Leistung erbracht, die sie hätten erbringen können bei voller Windstärke. Aber wir haben die Keimzelle aktiviert - und die Geburtsstätte war damit klar."
    Konzepte auf dem Reißbrett
    Jahrelang war zuvor auf dem Areal experimentiert worden, allen voran mit der Versuchungsanlage "Growian", Abkürzung für Große Windenergie-Anlage mit drei Megawatt Leistung. Doch technische Probleme verhinderten einen Durchbruch. Die Rahmenbedingungen für die Windkraftnutzung waren in den 80-er Jahren nicht zu vergleichen mit heute, sagt Stephan Barth.
    Der Physiker ist Geschäftsführer von Forwind, dem Zentrum für Windenergieforschung der Universitäten von Oldenburg, Bremen und Hannover. Der Windpark Westküste im Kaiser-Wilhelm-Koog bot eine große Chance, die Anlagen im Freifeld zu testen, so Barth.
    "Weil wir nicht alle Dinge im Computer oder im Labor simulieren können. Weder heute - vor 30 Jahren schon gar nicht. Und von daher ging das nur durch Ingenieurleistungen und Überlegungen, dass man sich Konzepte und Lösungen für solche Anlagen auf dem Reißbrett skizziert und dann mutig drauf los konstruiert in der damaligen Zeit. Und dann sind solche Testfelder sehr wichtig, um überhaupt solche Kinderkrankheiten und Konstruktionsfehler entdecken zu können."
    Leistung heute stark verbessert
    Inzwischen drehen sich bundesweit rund 28.000 Windräder. Im Laufe der Jahrzehnte sind sie immer moderner und leistungsfähiger geworden. Das ist auch Windpark Westküste zu spüren - zum Beispiel bei der Leistung der derzeitigen Rotoren, wie Dieter Haack deutlich macht:
    "Wir hatten im Jahr 1987 1.000 Kilowatt. Und heute haben wir 8.750 Kilowatt auf wesentlich weniger Fläche."
    Vor allem mit wesentlich weniger Rädern: 1987 waren bei der Eröffnung noch 30 Anlagen an den Start gegangen. Die sind inzwischen längst abgebaut und verschrottet worden, heute drehen sich gerade mal vier Rotoren, die mehr als acht mal so viel Leistung schaffen wie zu Beginn. Diether Haack arbeitet inzwischen als Prokurist des Windparks, im Hintergrund stehen die Gesellschafter Vattenfall und Hansewerk.
    Akzeptanz könnte noch besser werden
    Technisch und wirtschaftlich hat das Projekt den Durchbruch gebracht. Die andere Frage ist die nach der gesellschaftlichen Akzeptanz. Immer wieder sagen Kritiker, dass viele Windparks am Ende vor allem großen Konzernen oder einigen wenigen Geschäftsleuten nutzen und zunehmend die Landschaft verschandeln.
    Als eine Antwort gegen die Kritik gelten Bürgerwindparks - also Anlagenreihen, die von vielen verschiedenen Einwohnern einer Gemeinde mitgetragen werden. Der Oldenburger Windenergieforscher Stephan Barth rät, Projekte transparent zu planen und Beteiligungsverhältnisse offen zu legen.
    Tragende Säule erneuerbarer Energien
    Und natürlich gebe es weiterhin viel Forschungsbedarf, zum Beispiel bei der Speicherung überschüssiger Energie oder der Sektorenkopplung. Doch insgesamt führe an der Windkraft kein Weg vorbei.
    "Von der Erzeugung auf der erneuerbaren Seite ist Windenergie eine, wenn nicht die tragende Säule."
    Barth rät, sowohl Projekte auf dem Festland wie auch auf hoher See voranzutreiben. Als Erfolg sieht er, dass zuletzt es zuletzt trotz gestrichener Subventionen Bieter für Offshore-Projekte gab.
    "Die gesagt haben: Wir brauchen null Cent Förderung, wir verdienen das Geld ganz normal am Strommarkt und das reicht uns. Also das ist ja dann eine kostengünstige Variante und es wäre unvernünftig, wenn man das außen vor lassen würde."
    Noch einmal zurück an die Nordseeküste in den Kaiser-Wilhelm-Koog. Gegenüber dem ersten deutschen Windpark liegt eine Reihe roter Klinkerhäuser. In einem hat bis vor wenigen Jahren ein Rentnerpaar gewohnt. Die beiden wollen ihre Namen nicht nennen. Mit dem Vormarsch der Windkraft zeigen sie sich zufrieden.
    "Och, das war an sich doch `n guter Prozess! Ja, das war doch nicht verhängnisvoll!"
    "Atom wollen wir ja nicht - so wie eure Generation, will ja keiner Atom - näch?"