Archiv


"Wir müssen uns jetzt verdammt noch mal den Arsch aufreißen"

Die Fünf-Prozent-Hürde bei der Bundestagswahl im September ist für die Piratenpartei zurzeit in weiter Ferne. Beim Bundesparteitag am Wochenende wurde mit sämtlichen demokratischen Bandagen um das Parteiprogramm debattiert, bis zum - im Wortsinn - Umfallen einiger Mitglieder.

Von Monika Dittrich |
    "Darf ich die Versammlung bitten, Zwischenrufe, Beleidigungen von Kandidaten und Anderes zu unterlassen!"

    Der Parteitag der Piraten im bayerischen Neumarkt läuft gerade mal drei Stunden, da gibt es einen kleinen Eklat. Auf der Bühne steht Christian Jacken, ein Pirat der ersten Stunde, mit zweistelliger Mitgliedsnummer, wie er sagt. Er hat sich spontan beworben um den Posten des Politischen Geschäftsführers. In seiner Bewerbungsrede schimpft er auf den Euro und den Rettungsschirm, und dann das:

    "Ich muss leider, auch wenn ich dadurch Freunde verliere, mich hier outen. Und ihr könnt mich jetzt ausbuhen, ihr könnt Euch wie Demokraten verhalten, ihr könnt mich jetzt auch voll shitstormen, aber ich habe aus Verantwortung diesen Schritt getan. Und zwar bin ich Mitglied der Alternative für Deutschland geworden."

    Die Piraten im Saal schauen jetzt hoch von ihren Laptops und Smartphones, sie buhen und pfeifen. Die Versammlungsleiterin dreht dem Querulanten den Ton ab.

    "Macht ihm das Mikro aus! So, Versammlung, ihr dürft Euch jetzt mal beruhigen, seine drei Minuten sind um."

    Christian Jacken verlässt erbost die Bühne, er reckt die geballte Faust in die Luft:

    "Ich bin weiterhin Pirat! Ich bin Pirat!"
    Tatsächlich dürfen Piraten laut Satzung mehreren Parteien angehören. Doch diese Provokation wollen sie sich jetzt nicht bieten lassen – ausgerechnet die Alternative für Deutschland, kurz AfD, die neue Partei der Eurokritiker! Eine Partei, die in die Vergangenheit blicke, ist zu hören, habe doch wirklich nichts zu tun mit den Piraten, deren Markenkern die Netzpolitik ist. Eine Gefahr ist die AfD für die Piraten allemal, denn auch sie zieht Protestwähler an, die sich von den etablierten Parteien abwenden. Obendrein stehlen ihnen die Eurokritiker die mediale Aufmerksamkeit – und möglicherweise im Herbst die notwendigen Stimmen für einen Einzug in den Bundestag. Später auf diesem Parteitag werden sich die Piraten als unvereinbar mit der AfD erklären. Der Auftritt des AfD-Trolls, wie er jetzt auf Twitter genannt wird, habe aber etwas Gutes gehabt, sagt die Internet-Aktivistin und Vorzeige-Piratenfrau Anke Domscheit-Berg:

    "Im ersten Moment, da habe ich noch gedacht, oh mein Gott, das ist jetzt die richtige Katastrophe, aber als ich die absolut einhellige Reaktion praktisch aller Anwesenden gesehen habe, dachte ich, das ist eigentlich ein gutes Signal nach innen und nach außen, man hat uns ja immer mal wieder eine starke, auch inhaltliche Nähe zur AfD nachgesagt, und ich glaube, deutlicher konnte man nicht demonstrieren, dass davon nichts da ist."

    Der AfD-Pirat verschwindet schließlich nach draußen, beschützt von zwei Saalordnern. Handgreiflichkeiten bleiben aus – die Piraten haben andere Sorgen – und viel Stoff zum Streiten. Über 1000 Parteimitglieder sind an diesem Wochenende in die Oberpfalz gereist. In der volkstümlichen Jurahalle in Neumarkt sitzen sie an langen Tischen, vor sich Laptops und Kabelsalat. Sie trinken literweise Club-Mate, das Kultgetränk der Hackerszene, das am Samstag zeitweilig ausgeht. Es riecht nach Würstchen mit Senf und Graubrot mit veganem Aufstrich, das die Piraten hier selbst schmieren und verkaufen. Parteitage der Piraten folgen nicht dem Delegiertenprinzip, wie es bei anderen Parteien üblich ist. Ihre Parteitage sind Vollversammlungen: Jedes Mitglied ist eingeladen, mitzudiskutieren.

    "Ich möchte mich den Vorrednern anschließen, ich finde, dieser Bundesvorstand hat versagt."

    "Dieser Bundesvorstand hat unprofessionell agiert, und das wird ein Desaster, wenn uns dieser unprofessionelle Vorstand in den Wahlkampf führt."

    Die Neuwahl eines Politischen Geschäftsführers war besonders sensationslüstern erwartet worden, nicht nur von Journalisten, sondern wohl auch von den Piraten selbst. Würde sich die Partei jetzt so richtig zerfleischen, möglicherweise ihren gesamten Bundesvorstand vor die Tür setzen? Personalquerelen waren zuletzt das Hauptthema der Piratenpartei – es wurde gestritten, beleidigt, geschimpft, und das vor allem öffentlich, über Facebook und Twitter. Johannes Ponader, einst der visionäre Hoffnungsträger der Piraten, hatte schon vor Wochen angekündigt, bei diesem Parteitag sein Amt als politischer Geschäftsführer niederzulegen. Zu groß war die Kritik an seiner Person und seinen Alleingängen:

    "Einiges ist gelungen in diesem Jahr, und einiges ist misslungen. Wo ich etwas falsch gemacht habe, dafür möchte ich mich entschuldigen."

    Ponaders Verhältnis zum Bundesvorstand gilt als zerrüttet, die Basis kritisierte vielfach seine vorlauten Sandalen-Auftritte in Fernseh-Talkshows. Die sinkenden Umfragewerte ihrer Partei legen die Piraten auch ihm zur Last. Jetzt verlässt Ponader die Bühne, mit Blumenstrauß und einem bitteren Lächeln – und macht Platz für ein neues Gesicht. Katharina Nocun, 26 Jahre alt, Studentin und selbst erklärte Datenschützerin.

    "Ich möchte, verdammt noch mal, dass wir als Team uns zusammenreißen und jetzt nach vorne gehen und die Anderen vor uns hertreiben, denn sie haben es, Gott noch mal, verdammt, verdient."

    Die Piraten wählen sie mit 81,7 Prozent der Stimmen zu ihrer neuen Politischen Geschäftsführerin. Die Frau mit den langen dunklen Haaren lebt auf einem Bauernhof in Niedersachsen. Dort war sie auch Spitzenkandidatin der Piraten für die Landtagswahl, die sie mit zwei Prozent krachend verlor. Doch davon soll jetzt keine Rede mehr sein. Im Gegenteil:

    "Liebe Leute, ich will von niemandem mehr hier im Raum hören, dass wir diese Bundestagswahl nicht wuppen werden. Denn verdammt noch mal, wir haben es verdient, dass unsere Themen nach vorne gebracht werden, weil sie so lange mit Füßen getreten wurden, und wir müssen uns jetzt verdammt noch mal den Arsch aufreißen, um die Anderen vor uns herzutreiben."

    Der Bundesvorsitzende Bernd Schlömer wirkt erlöst, dass der große Krach ausgeblieben ist:

    "Ich bin froh, dass mit Katharina Nocun eine junge, frische politische Geschäftsführerin gewählt worden ist, die sehr schön auch die als Kernthemen bezeichneten Felder der Piratenpartei beschreiben kann. Und das gibt uns frische Kraft und Motivation."

    Immer wieder beschwören die Piraten die Kraft, die Motivation, den Rückenwind, der von diesem Parteitag ausgehen soll. Und doch wirkt die Partei abgekämpft und ausgezehrt von den vielen personellen Auseinandersetzungen, den bösen Beleidigungen und Schimpfereien im Internet – vergangene Woche erst hatte ein Foto bei Twitter für Schlagzeilen gesorgt: Hessische Piraten zeigen darauf ihrem Bundesvorsitzenden den Mittelfinger. Die Zeit des furiosen Aufstiegs scheint vorbei zu sein: Vier Landtage haben die Piraten erobert, mit insgesamt 45 Abgeordneten. Noch vor einem Jahr hatten sie zweistellige Umfragewerte, mittlerweile sind sie abgesackt auf zwei bis vier Prozent. Es sei eben gefährlich, wenn sich eine Partei im Wahlkampf nur mit sich selbst beschäftige, sagt der Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer:

    "Das wollen die Leute nicht. Die Leute sagen, und zu Recht, denke ich auch: Ihr könnt Euch vorher streiten. Aber im Wahlkampf sollt ihr bitte ganz klar sagen, was ihr wollt und nicht intern weiterstreiten. Sondern wir wollen klar wissen, wo ihr steht."

    Der Parteienforscher an der Freien Universität Berlin hat den Aufstieg der Piraten untersucht, jetzt beobachtet er ihre Krise. Niedermayer diagnostiziert einen Mangel an Disziplin – zu viele in der Partei verstünden Politik nur als Spielwiese, um sich selbst zu verwirklichen, ihnen gehe es nicht um zielgerichtete Diskussionen. Auch den Grundsatz der Piraten, auf Hierarchien zu verzichten, den Vorstand nicht führen, sondern nur verwalten zu lassen, hält Niedermayer für wenig Erfolg versprechend. Denn gerade im Wahlkampf brauche eine Partei kluge und bekannte Führungspersönlichkeiten:

    "Es gibt einige dieser Köpfe, die es aber immer sehr schwer haben, weil einige aus der Basis merken, aha, da ist einer da, der wird von den Medien stärker als andere gefragt, der kann sich auch gut darstellen in den Medien, dann geht direkt die Diskussion los, ob er sich nicht unzulässig in den Vordergrund schiebt, und auch der Bundesvorsitzende wird ja immer wieder ausgebremst, wenn er versucht, ein bisschen Führung zu zeigen und zu sagen, wir müssen eben auch das, was die Partei will, nach außen personifizieren."

    Die Partei nach außen personifizieren, das will auch Melanie Kalkowski.

    "Hallo, darf ich Ihnen ein bisschen Informationsmaterial über die Piratenpartei mitgeben? – Ach ja, Danke. – Super. Viel Spaß noch heute."

    Recklinghausen, im Mai, ein frühlingshafter Vormittag. Die örtliche Piratenpartei hat ihren Wahlkampfstand aufgebaut. Piratenmitglieder verknoten lange, orangefarbene Luftballons in Form von Piratensäbeln und verschenken sie an Kinder. Derweil versucht Melanie Kalkowski, mit Passanten ins Gespräch zu kommen.

    "Und ich würde Ihnen gerne noch eine Postkarte mitgeben, da haben Sie auf der Rückseite die Möglichkeit einfach mal zu schreiben, was sie sich eigentlich wünschen, was wir transparenter machen sollten. – Das ist gut. – Die können Sie auch unfrei zurückschicken. – Ja, Danke."

    Melanie Kalkowski ist Spitzenkandidatin der nordrhein-westfälischen Piratenpartei für die Bundestagswahl. Listenplatz Nummer eins. Das bedeutet: Wenn die Piraten es im Herbst über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen, dann gehört sie wohl zur ersten Piratenfraktion im Deutschen Bundestag.

    "Das fühlt sich sehr gut an. Ich freue mich nach wie vor, unsere Partei vertreten zu dürfen und freue mich auf einen tollen Wahlkampf."

    Manch einer stellt sich den typischen Piraten als computerfanatischen Technik-Freak vor, der den ganzen Tag auf seinen Bildschirm starrt und Kontakte nur im Internet pflegt. Melanie Kalkowski passt nicht in dieses Bild. 35 Jahre ist sie alt, eine Finanzbeamtin, verheiratet und Mutter von zwei Kindern. Ja, sie twittere manchmal, sagt sie, aber ein Internet-Nerd sei sie nun wirklich nicht. Und erzählt, dass viele Leute überrascht seien, wenn sie bei Veranstaltungen im dunklen Hosenanzug auftritt.

    "Das macht uns Piraten eben auch aus, dass wir eine absolute Vielfalt der Gesellschaft darstellen, viele sind erstaunt, dass ich mit meiner Vita, mit meinem Beruf, bei den Piraten bin, aber das ist auch das, was uns ausmacht. Und den gemeinsamen Nenner, den finden wir in unserem Denken."

    Und das sei eben weder rechts noch links, sondern progressiv. Am Recklinghausener Wahlkampfstand ist sie jetzt ins Gespräch gekommen mit einem Passanten. Es geht um ihr Lieblingsthema: Bestechlichkeit von Politikern.

    "Antikorruptionsgesetze?Ja, als ich mich damit beschäftigt habe, war mir zum Beispiel gar nicht klar, dass in Deutschland Abgeordnetenbestechung noch gar nicht strafbar ist."

    Der Mann im Rollstuhl nickt und blättert in einer Piratenbroschüre. Wenn sie in den Bundestag gewählt wird, erzählt Melanie Kalkowski, dann will sie sich starkmachen für Antikorruptionsgesetze und ein Lobbyregister. Derzeit kämpft sie allerdings noch mit Negativ-Schlagzeilen, die ihr eigener Landesverband macht: Er hatte ein Gutachten zurückgehalten, das die Rechtmäßigkeit der Bundestagsliste anzweifelt. Peinlich für eine Partei, die immer und überall mehr Transparenz fordert.

    "Dieses Debakel hat mich auch sehr traurig gestimmt. Wir werden aus diesem Fehler lernen. Nach wie vor ist Transparenz für uns das Thema überhaupt."

    Die Piraten haben sich selbst ein rigides Transparenzgebot auferlegt: Alles soll öffentlich sein, jeder darf mithören, mitreden, mitmachen. Geheimzirkel sind tabu. Fraktionssitzungen, Parteitreffen, Arbeitskreise – alles steht im Internet zur Verfügung. Doch das hat auch Nachteile. Zum Beispiel strategische, wenn der politische Gegner alle Argumente schon im Voraus kennt. Und nicht selten sind etwa die öffentlichen Fraktionssitzungen auch schlicht ein Marktplatz für Hahnenkämpfe:

    "- Ich möchte dich da unterbrechen!
    - Nein, könntest Du da mal bitte mich ausreden lassen!
    – Ihr macht es einem echt nicht einfach.
    - Ich kann so nicht arbeiten.
    – Mit dem Antrag werden wir brachial auf die Fresse fallen.
    – Echt ey, ich fühl mich verarscht.
    – Ich werde hier keinem Antrag jemals zustimmen, in dem ich Rechtschreibfehler sehe.
    – Ich lass mir hier nicht das Wort abdrehen.
    – Ich brauche auch keine Belehrungen, wie ich mich zu verhalten habe, ich weiß, was ich tue.
    – Ich misch mich auch nicht in Fachbereiche anderer Leute ein und wer das Gegenteil behauptet, lügt wie gedruckt.
    – Ich verstehe es nicht, warum wir anderthalb Jahre, nachdem wir in diesem Haus drin sind, noch immer kein Konzept gibt."

    Streitereien, wie es sie wohl in jeder Partei gibt. Nur: Normalerweise werden die Giftpfeile hinter verschlossenen Türen abgeschossen. Nicht so bei den Piraten.

    "Dann entsteht in der Öffentlichkeit der Eindruck, und der entsteht jetzt schon sehr lange, die kümmern sich überhaupt nicht mehr um die Inhalte, denen geht es nur um die Egos ihrer verschiedenen Protagonisten, und die hauen aufeinander ein und das interessiert sie gar nicht mehr, dass es eine Partei geben sollte, die eigentlich Politikangebote für die Bürger machen muss."

    ... sagt der Parteienforscher Oskar Niedermayer.

    "Hallo, kann man mich hören? – Ja, man kann Dich hören. – Also ich habe diese ganzen Anträge gelesen."

    Zurück in Neumarkt in der Oberpfalz, seit Stunden debattieren die Piraten über ein Wahlprogramm – es soll ihr Leitfaden sein für den Bundestagswahlkampf. Lange genug mussten sie sich Ahnungslosigkeit und Naivität vorwerfen lassen – jetzt wollen sie mit Inhalten punkten. Neun Euro Mindestlohn, bedingungsloses Grundeinkommen, bundesweite Volksentscheide, kostenloses Bus- und Bahnfahren, ein Verbot von staatlicher Schnüffel-Software – das und mehr wird am Ende im Programm stehen. Doch der Weg dorthin ist weit.

    "Die Entscheidung, was Konsens ist, trifft der Parteitag und keine Koordinierten-Konferenz. Das müssen wir uns hier ins Gedächtnis rufen, meine Freunde!"

    Basisdemokratie ist anstrengend und kleinteilig. Immer wieder werden die Debatten unterbrochen, es gibt Hunderte Zwischenfragen, Anträge zur Geschäftsordnung, Anträge auf Vertagung. Und immer wieder heben die Piraten ihre Zettelchen: Grün für Ja, Lila für Nein. Doch genau so soll es sein, findet Anke Domscheit-Berg, die vor einem Jahr von den Grünen zur Piratenpartei übergetreten ist:

    "Ich finde das schlimm, wenn die SPD sechs Stunden Programmparteitag macht und davon vier Stunden Reden hält und in zwei Stunden das Programm durchpaukt. Da habe ich doch lieber mehr Debatte. Die Leute haben Lust auf die Debatte und diese Basisdemokratie. Ich selber habe die Lust auch."

    "Ich muss auch sagen, ich bekomme dafür auch positives Feedback. Es wird mir gesagt, es gibt eine Partei in Deutschland, die noch mal debattiert. Wir debattieren nämlich alle, im Freundes- und Familienkreis, auf Stammtischen, das macht diese Piratenpartei auch, sie macht es offen, insofern ist das ein Gewinn."

    Sagt der Bundesvorsitzende Bernd Schlömer. Und doch – die stundenlangen Debatten sind kräftezehrend.

    "Das Problem ist, die meisten von Euch sind seit über zwölf Stunden in der Halle, die Stimmung ist, gelinde gesagt, am Arsch. Gestern sind im Verlauf des Bundesparteitags sieben Leute umgekippt."

    Samstagabend halb zehn in Neumarkt: Der Versammlungsleiter unterbricht den Parteitag. Noch immer gibt es keine Einigung beim wichtigen Piratenthema – einer ständigen Mitgliederversammlung, kurz SMV. Schon am Freitag hatten die Piraten bis tief in die Nacht darüber diskutiert. Es geht um die für sie entscheidende Frage, ob sie eine Art permanenten Online-Parteitag haben wollen, über den die mehr als 32.000 Mitglieder verbindliche Beschlüsse fassen und den Kurs der Partei festlegen können. Weitgehende Vorschläge werden schon am Freitag abgelehnt, obwohl etwa der Berliner Fraktionsvorsitzende Christopher Lauer leidenschaftlich dafür kämpft:

    "Wir müssen doch mal im 21. Jahrhundert ankommen. Und mittlerweile ist mir komplett egal, mit welchem Computersystem wir das machen, ich will die verbindliche Online-Beteiligung für diese Partei."

    Die Kritiker befürchten hingegen, dass verbindliche Online-Abstimmungen technisch zu kompliziert oder nicht sicher genug sind, was etwa Datenschutz oder Missbrauch betrifft.

    "Es wird die reine Katastrophe werden. Liquid Democracy ist nicht fertig. SMV ist gut, aber nicht so."

    Am Sonntag schließlich, nach dramatischen Debatten und Abstimmungs-Chaos, setzen sich die Gegner durch: Es wird vorerst keine ständige Online-Abstimmung geben, sondern nur dezentrale Urwahlen. Anke Domscheit-Berg:

    "Ich bin enttäuscht. Ich hatte höhere Erwartungen. Ich hatte gehofft, dass ich mit diesem für unsere Demokratie revolutionären Antrag in den Wahlkampf gehen könnte, das kann ich jetzt nicht. Die Dämpfung ist schon spürbar."

    Für viele Piraten geht dieser Parteitag enttäuschend zu Ende – manche sprechen von einer Spaltung der Partei. Ein Dämpfer war es allemal. Manche träumen trotzdem noch vom Bundestag. Wenn nicht im Herbst, dann doch bitte 2017. Trotz Drama, Debakel und Chaos - die nordrhein-westfälische Spitzenkandidatin Melanie Kalkowski gibt sich optimistisch: Von der politischen Bildfläche werden die Piraten ihrer Ansicht nach so schnell nicht verschwinden.

    "Uns wird es immer geben. Egal wie die Medien uns hypen, oder wie wir runtergeschrieben werden. Wir werden dableiben, und wir sind sicherlich in fünf Jahren auch noch da."