Sandra Pfister: Unis und Forschungsinstitute bezahlen Wissenschaftler fürs Forschen. Um aber überhaupt legal lesen dürfen, was die Forscher dann herausgefunden haben, müssen sie gleich noch mal ordentlich Geld hinlegen für die Fachzeitschriften, in denen die Aufsätze dann erscheinen. Die Abos werden Jahr für Jahr teurer, viele kosten schon um die 20.000 Euro pro Jahr, obwohl ihre Herstellung günstiger wird. Deshalb fordern Hochschulen und Forschungseinrichtungen einen vertretbaren Pauschalpreis für alle deutschen Unis zusammen und viel mehr kostenlose Weiterverbreitung. Aber der ersten der drei großen Fachverlage, Elsevier, mit dem im Herbst verhandelt wurde, der hat die Verhandlungen im November scheitern lassen. In dieser Woche sondieren der Verlag und der Verhandlungsführer der deutschen Forschungseinrichtungen nun weiter, ob sie sich einigen können. Und der Verhandlungsführer ist Horst Hippler, der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz. Herr Hippler, guten Tag.
Horst Hippler: Schönen guten Tag!
Pfister: Herr Hippler, wir sind zwar selbst ein Fachmagazin, aber das klingt ziemlich kompliziert. Können Sie uns in einfachen Worten noch mal sagen, worüber streiten Sie eigentlich?
Hippler: Wir streiten darüber, dass heutzutage publiziert wird nicht mehr auf Papier, sondern elektronisch. Und wir streiten darüber, was das Lesen kosten soll, und dass wir in Richtung Open Science, Open Access, das heißt, öffentlicher Zugang für das, was wissenschaftlich erarbeitet wurde, streiten, denn in der Vergangenheit haben die Wissenschaftler sämtliche Rechte an den Publikationen dann auch abgeben an die Verlage. Mittlerweile gibt es Optionen, darüber nachzudenken, dass auch die Öffentlichkeit jederzeit Zugang haben sollte zu wissenschaftlichen Publikationen, die mit öffentlichen Geldern auch bezahlt worden sind.
Pfister: Wie argumentieren denn die Verlage? Die Forscher an den Hochschulen selbst schreiben ja die meisten Gutachten zu Aufsätzen selbst. Wie rechtfertigen denn die wissenschaftlichen Zeitschriften das Geld, das sie nehmen?
Hippler: Da hat sich sozusagen in der Vergangenheit etwas etabliert. Es gibt natürlich eine Qualitätskontrolle. Natürlich sind die Gutachter dann auch wieder Wissenschaftler. Aber es gibt dann natürlich eine gewisse Kompetenz, diese Gutachter auszuwählen, die Herausgeber zu wählen. Es entstehen natürlich auch Kosten beim elektronischen Publizieren, und die muss man natürlich auch bezahlen. Auf der anderen Seite ist die Frage, wie weit kann denn das gehen. Ist es denn vernünftig, dass man auch die kompletten Rechte an den Publikationen abgibt. Das sehen wir mittlerweile etwas anders, zumal auch diese Verlage ja doch anständige Renditen haben und international tätig sind. Und da wollen wir mal darüber reden, inwieweit diese Mengen an Geld, die dort hingehen, tatsächlich aus dem öffentlichen Etat zu bezahlen sind. Wir sind der festen Überzeugung, dass auch der Steuerzahler ein Recht hat zu erfahren, was das Ganze kostet.
"Wir möchten eine sogenannte Flatrate, eine nationale Lizenz"
Pfister: Jetzt sind Ende vergangenen Jahres die Verhandlungen erst mal gescheitert. Jetzt in dieser Woche strecken Sie gerade wieder die Fühler nacheinander aus. Haben Sie jetzt irgendwas in der Hand, irgendein Druckmittel, irgendeinen Joker, den Sie vor zwei Monaten noch nicht hatten?
Hippler: Die Zeit spricht natürlich für uns. Es ist so, dass die einzelnen Einrichtungen unterschiedliche Laufzeiten in den Verträgen haben. Im letzten Jahr waren es 60, die gekündigt haben bei Elsevier, in diesem Jahr werden es 200 sein. Und wir müssen mal schauen, inwieweit wir dann tatsächlich auch den Druck erhöhen können. Wir möchten ja von den Einzelverhandlungen weg zu einer sogenannten Flatrate, zu einer nationalen Lizenz, sodass wir nicht mehr klein-klein verhandeln müssen über jedes Einzelne.
Pfister: Aber haben denn die Verlage nicht auch ungeheures Erpressungspotenzial, Elsevier zum Beispiel? Weil das, was nicht publiziert ist, in der Forschungslandschaft nicht als Währung gilt?
Hippler: Es geht nicht darum, nicht zu publizieren. Da hat Elsevier – das ist ja ein völlig anderes Spiel. Zu publizieren, das kostet ja sozusagen erst mal nichts, einen Artikel einzureichen, begutachten zu lassen. Das Problem ist nur, wenn man sie dann selbst wieder lesen will, dann muss man relativ teuer dafür bezahlen, und das ist das Problem. Der Rest der Welt hat immer noch Zugang zu den Publikationen, die aus Deutschland kommen, weil die ja ihre Verträge mit Elsevier haben. Nur wir Deutschen haben in gewisser Weise ein kleines Problem. Wir gehen ein bisschen zurück in die Zeiten des letzten Jahrhunderts, wo man noch kopiert hat und wo man Fernleihe hatte und wo es halt ein bisschen länger dauert, bis man an eine Publikation herankommt, an eine neue. Die älteren Zeitschriften aus dem letzten Jahr und den Jahren davor sind ja immer noch alle zugänglich im Archiv. Wir reden ja nur über die neuesten im Moment.
Pfister: Das hört sich danach an, als würde die deutsche Forschungslandschaft erst mal ganz gut damit zurechtkommen, wenn, sagen wir mal, ab morgen früh die drei marktbeherrschenden Verlage, Elsevier, Springer und Taylor-Francis, wenn die ab morgen überhaupt keine Forschungseinrichtungen und Unis mehr beliefern würden. Wenn diese Verlage komplett gekündigt werden, was ist dann Plan B?
"Sie möchten für freien Zugang zu deutschen Texten noch extra Geld verlangen"
Hippler: Für die Verlage ist es natürlich auch so, dass es für die Verlage ein gewisser Verlust ist, wenn eben sie keine Verträge haben mit den Einrichtungen, und dann fehlt ihnen natürlich auch eine direkte Einnahmequelle.
Pfister: Das heißt, Sie spielen ein bisschen auf Zeit.
Hippler: Die Verlage spielen natürlich ein bisschen auf Zeit, weil sie möchten das alte Modell halten.
Pfister: Und Sie auch.
Hippler: Wir spielen natürlich auch auf Zeit. Wir möchten gern, dass in der Zukunft alle Publikationen, die aus Deutschland kommen, mit einem deutschen Erstautor versehen sind bei Elsevier, dass die dann weltweit frei zugänglich sind zum Lesen, und wir möchten dafür bezahlen, dass Elsevier uns dieses Recht einräumt. Und wir möchten natürlich auch fürs Lesen bezahlen. Wir haben Elsevier gesagt, sagt uns mal einen Preis. Elsevier ist nicht in der Lage, uns im Moment einen Preis dafür zu nennen. Sie möchten gern das alte Modell weiterführen, und dann für freien Zugang zu den deutschen Texten auch noch extra Geld verlangen. Für uns geht es darum, wirklich die Belastungen der Wissenschaftler zu reduzieren und auch die öffentlichen Haushalte ein bisschen in den Griff zu kriegen. Denn es kann nicht sein, dass wir für diese Zeitschriften jetzt diese Beträge ausgeben, von denen Sie gerade gesprochen haben. Das ist eigentlich nicht zeitgemäß.
"Alle sind neugierig, wie wir das in Deutschland denn machen"
Pfister: Gibt es irgendein Land, das für uns ein Vorbild sein kann, die das optimal gelöst haben?
Hippler: Nein, das gibt es zurzeit nicht. Es schauen alle nach Deutschland. Alle sind neugierig, wie wir das in Deutschland denn machen. Das Problem ist ja, die Wissenschaft hinter sich zu bekommen. Und das ist im Moment in Deutschland uns sehr gut geglückt. Man hat alle Rechte relativ früh abgegeben in der Vergangenheit, und das hat dazu geführt, dass man eigentlich für die eigenen Publikationen doch dann wieder zahlen muss, wenn man sie dann auch lesen will oder wenn der Nachbar sie lesen will. Und das ist eigentlich nicht haltbar.
Pfister: Herzlichen Dank! Horst Hippler war das, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz. Hochschulen und Forschungsinstitute geben jedes Jahr viel Geld für wissenschaftliche Zeitschriften aus. Sie fühlen sich allerdings wegen der jährlichen Preissteigerungen von den Fachverlagen im Würgegriff gehalten. Jetzt wird wieder neu verhandelt, und Horst Hippler verhandelt für die Wissenschaftsseite. Er war heute bei uns in "Campus & Karriere". Herzlichen Dank!
Hippler: Vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.