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Wissenschaftliches Publizieren
Lange, verschlungene Pfade

Während Geistes- und Sozialwissenschaftler ihre wissenschaftliche Exzellenz in der Regel durch Monografien nachweisen, gilt in der Betriebswirtschaftslehre dasselbe wie in den Naturwissenschaften: Aufsätze sind die entscheidende Währung. Doch bis einer veröffentlicht ist, kann es Jahre dauern. Dazwischen: ein komplizierter und langwieriger Prozess.

Von Philip Banse |
    Ein Besucher liest in einem Buch auf der Frankfurter Buchmesse. Die weltgrößte Buchmesse findet vom 19. bis zum 23. Oktober 2016 in Frankfurt am Main statt.
    Vor der Publikation eines wissenschaftlichen BWL-Aufsatzes stehen ein Working Paper, Vorträge, mögliche Einreichegebühren und ein gestaffeltes Abnahmeverfahren. (AFP / Daniel Roland)
    "Mein Name ist Ulf Brüggemann, ich bin Juniorprofessor an der Humboldt-Universität zu Berlin im Bereich BWL."
    Brüggemann erforscht, ob und wenn ja wie Kapitalmärkte reguliert werden müssen. Während Geistes- und Sozialwissenschaftler ihre wissenschaftliche Exzellenz in der Regel durch Monografien, also dicke Bücher nachweisen, gilt in der Betriebswirtschaftslehre dasselbe wie in den Naturwissenschaften:
    "Im Rahmen meiner Forschung arbeite ich derzeit und voraussichtlich auch in nächster Zukunft ausschließlich an Aufsätzen."
    Aufsätze sind die entscheidende Währung.
    "Weil das letztlich eine Quasi-Objektivierung der wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit ist. Wenn man es geschafft hat, in einem renommierten Journal zu publizieren, dort einen Aufsatz untergebracht hat, dann zeigt das der Außenwelt – je nachdem wie das Journal eingestuft ist – dass man in der Lage ist, auf hohem Niveau zu forschen."
    Natürlich wolle jeder so renommiert wie möglich veröffentlichen, sagt ein Junior-Professor
    Das Ansehen und Renommee der Journale werde auch in der Betriebswirtschaft anhand des Impacts gemessen, also der Häufigkeit, mit der dieses Journal von anderen Wissenschaftler zitiert wird. Darüber hinaus gibt es ein subjektiveres Journal-Ranking, dass der Verband der Betriebswirtschaft-Hochschullehrer herausgibt. Natürlich wolle jeder so renommiert wie möglich veröffentlichen, sagt Junior-Professor Brüggemann. Wie die meisten seiner Kollegen ist Brüggemann befristet angestellt. Diese Zeit muss er nutzen, wenn es mit der Wissenschaftskarriere etwas werden soll:
    "Es gibt Leute, die sagen, man sollte schon fünf Publikationen oder vielleicht auch zehn haben. Dann müssen die aber nicht sämtlich in der allerbesten Kategorie sein. Dann gibt es wieder andere, die sagen: Die Anzahl spielt nicht so eine große Rolle, solange man zwei oder drei wirklich erstklassige Publikationen vorzuweisen hat."
    So ein Aufsatz braucht Zeit. Für manchen Aufsatz hat Ulf Brüggemann knapp drei Jahre gebraucht:
    "Und das ist schnell. Von der Analyse bis zur Publikation zweieinhalb bis drei Jahre ist vergleichsweise schnell."
    Nach Analyse der Daten, die er entweder selbst erhebt oder aus Datenbanken zieht, schreibt er zunächst ein Working Paper, ein Arbeitspapier, das er dann auf Fach-Konferenzen oder bei Vorträgen präsentiert.
    "Das ist meistens, eigentlich immer, sehr hilfreich. Schwächen werden aufgedeckt, Dinge, die vielleicht interessanter sind als andere. Das sorgt dafür, dass man das Papier noch mal überarbeitet. Und danach wird das dann bei einem Journal eingereicht."
    Und das kann teuer werden:
    "Wenn ich als Autor einreiche, bekomme ich nie was, muss bei einigen Journalen zahlen, aber nicht bei allen. Journale, die privat geführt werden und trotzdem oder vielleicht gerade deshalb sehr hoch eingestuft sind, verlangen Einreichgebühren bis zu 500 Dollar."
    Gegenlektüre-Prozess: "Das kann sich über mehrere Runden ziehen"
    Dann wartet Brüggemann auf eine Rückmeldung – Wochen oder auch Monate. In dieser Zeit geht das Papier durch einen Double-Blind-Peer-Review-Prozess: Das heißt, der Redakteur des Journals, in der Regel ebenfalls ein angesehener Wissenschaftler, wählt zwei Gutachter aus. Die lesen nur den Aufsatz, sehen aber nicht, wer der Autor ist. Auch der Autor erfährt nicht, wer die Gutachter waren. Dann bekommt Brüggemann entweder eine Ablehnung oder die Gutachten mit Verbesserungsvorschlägen, die er dann einarbeiten muss:
    "Das kann sich über mehrere Runden ziehen. Ich hörte von Kollegen, da hat das bis zu zehn Runden gedauert, das sind allerdings Extremfälle. In einem guten Begutachtungsprozess sollte nach der zweiten Runde feststehen, ob das Papier in den Print kommt oder nicht."
    Ulf Brüggemann war selbst schon Gutachter. Zwei bis drei Tage säße er an so einer Bewertung anderer Aufsätze. Für einen Juniorprofessor bedeute das Anerkennung und Renommee; einige Journale zahlten den Gutachtern einige Hundert Dollar für so ein Gutachten:
    "Unter dem Strich mache ich es schon ganz gern, weil man gezwungen ist, sich mit anderer Literatur auseinanderzusetzen. Ich lerne dadurch einiges. Und es ist letztlich eine ganz wichtige Serviceaktivität, denn davon lebt die Wissenschaft."
    Open Access, also Veröffentlichungen, die gratis und für alle nutzbar im Internet stehen, spielten in der Betriebswirtschaftslehre kaum eine Rolle, sagt Juniorprofessor Brüggemann. Allerdings: Nachdem Forscher Aufsätze veröffentlicht hatten, deren Rohdaten gefälscht waren, verlangten einige Journale von Forschern jetzt, ihre Rohdaten zu veröffentlichen, damit die Ergebnisse überprüfbar sind:
    "Das ist eine dieser Sachen, da fragt man sich, warum das nicht schon früher gemacht wurde. Aber es ist eine gute Entwicklung meines Erachtens."