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Wissensvermittlung im Netz
"Videoclips können Teil der Hausaufgaben werden"

YouTube-Tutorials stehen hoch im Kurs - auch im klassischen Bildungsbereich. Worauf es bei einem YouTube-Lernvideo ankommt und welche Tücken im Video-E-Learning stecken, erklärt E-Learning-Experte Martin Merkt im Gespräch mit dem Dlf.

    Die Seite von YouTube
    So genannte "YouTube-Tutorials" können Lerninhalte vermitteln - es besteht aber immer auch die Gefahr, sich passiv berieseln zu lassen (dpa / picture-alliance / AP / Richard Vogel)
    Benedikt Schulz: Besser als der Lehrer – in diesem Einspieler haben wir Eindrücke von deutschen Schulhöfen zum Thema Nachhilfe per YouTube erhalten. Aber was können diese Netzclips wirklich, wie gut sind sie wirklich, und was machen sie möglicherweise sogar besser oder auch schlechter als Unterricht in der Schule? Darüber will ich sprechen mit Martin Merkt vom Leibniz-Institut für Wissensmedien. Er forscht dort genau zu diesem Thema und zu dieser Frage, wie der Wissenserwerb mit digitalen Medien optimiert werden kann. Oder anders gesagt: Was muss ein guter Nachhilfeclip im Netz mitbringen? Herr Merkt, ich grüße Sie, Hallo!
    Martin Merkt: Hallo!
    Der richtige Rhythmus für den Wissenserwerb
    Schulz: Ja, Herr Merkt, jetzt können YouTuber da draußen vielleicht einfach mal kurz von Ihrer Expertise profitieren. Was macht denn aus einem YouTube-Lernvideo ein gelungenes, ein gutes YouTube-Lernvideo?
    Merkt: Ja, da gibt es natürlich verschiedene Gestaltungsmerkmale, an die man sich halten kann, um ein Video für den Wissenserwerb zu optimieren. Gute Lernvideos beachten zum Beispiel die Geschwindigkeit, in denen die Inhalte präsentiert werden, um die Lernenden nicht zu überfordern und eventuell auch mal gezielt Pausen einzulegen, in denen die Lernenden noch mal nachdenken können. Darüber hinaus sollten gute Videos beachten, dass sich oftmals in Videos viele Dinge gleichzeitig bewegen oder die visuellen Eindrücke, wenn jetzt eine komplexe Formel erklärt wird, vielfältig sind und sehr komplex. Und in diesen Fällen ist es eben notwendig, die Lernenden mit gezielten Hinweisreizen zu lenken. Bei komplexen mathematischen Formeln kann es sich da eben anbieten, dann diese Formeln nicht alle direkt auf einmal hinzuschreiben an die Tafel, sondern immer dann den aktuellen Teil aufzuschreiben, wenn man gerade über diesen Teil des Lösungsweges spricht in der Formel.
    "Lernen sollte immer ein aktiver Prozess sein"
    Schulz: Diese didaktischen Netzclips, die erleben ja gerade so eine Art kleinen Boom. Wie erklären Sie sich das, woher kommt diese Beliebtheit?
    Merkt: Ja, einerseits ist es natürlich heutzutage sehr viel einfacher, ein Video zu streamen, als noch vor zehn, 15 Jahren, von daher natürlich: Technische Voraussetzung. Andererseits sind auch Lehrer natürlich nicht rund um die Uhr verfügbar. Und wenn man jetzt was im Unterricht nicht verstanden hat, bieten solche Netzclips eben noch mal die Möglichkeit, dass man die Inhalte, die man im Unterricht nicht verstanden hat, noch mal aufbereitet und erklärt bekommt. Und wie in der einleitenden Umfrage schon erwähnt wurde, passiert das offensichtlich häufiger unterhaltsamer als im Unterricht - wobei ich da vielleicht auch gleich auf eine Gefahr hinweisen möchte.
    Wenn man eben diese Netzclips zu unterhaltsam generiert oder so, dann kann es passieren, dass die Lernenden zu sehr abschalten und sich berieseln lassen von den Inhalten. Das wäre dann natürlich nicht so optimal für den Wissensprozess, da Lernen eben immer ein aktiver Prozess sein sollte, in dem die Lernenden aktiv etwas verstehen und sich kognitiv anstrengen sollten. Und natürlich kann es auch ein sinnvoller Einsatz von Videos sein, dass man sich Videos als Hausaufgabe anschaut, und dann im Unterricht noch mal nachbereitet und da offene Fragen bearbeitet, die jetzt im Video geklärt werden sollten.
    Videoclips können Hausaufgaben ergänzen, nicht ersetzen
    Schulz: Wenn Sie jetzt schon das Stichwort Hausaufgaben liefern: Über Hausaufgaben wird ja oft auch teils heftig diskutiert, über deren didaktischen Nutzen: Könnten diese Internetclips möglicherweise langfristig Hausaufgaben ablösen?
    Merkt: Ich würde eher sagen, dass Hausaufgaben oder Videoclips Teil von Hausaufgaben werden können. Also, es wird nicht jeder Schüler von sich aus Wissensclips im Internet abrufen. Von daher ist es durchaus sinnvoll, weiterhin Hausaufgaben zu geben und diese Netzclips als Ergänzung zu Hausaufgaben zu sehen.
    Die Gefahr der Falschinformation
    Schulz: Lehrer, die unterrichten, die müssen ja studiert haben, und die müssen auch in einem Referendariat mehrfach beweisen, dass sie ihr Handwerk auch verstehen. Diese Macher von Netzclips müssen das nicht. Ist das nicht ein Problem?
    Merkt: Das ist ein sehr guter Punkt, den Sie ansprechen. Es gibt zum Beispiel Studien in Amerika, die zeigen, dass wenn in Filmen historische Begebenheiten inakkurat dargestellt werden, dass das dann eben längerfristig dazu führt, dass diese Inkorrektheiten auch von den Lernenden als korrekte Informationen abgespeichert werden. Von daher kann es natürlich problematisch sein, wenn jetzt Lehrlernclips auf Plattformen wie YouTube keine Qualitätskontrolle haben und eventuell inakkurat sind, dass die dann nachhaltig fehlerhaftes Wissen vermitteln, dass auch natürlich, wenn es jetzt nicht im Rahmen von Hausaufgaben diskutiert wird, auch nicht direkt vom Lehrer kontrolliert werden kann, ob da jetzt immer korrektes Wissen erworben wird in diesen Lehrlernclips.
    Was aber die Schule hier leisten kann, ist, dass man Schülerinnen und Schülern ein Stück weit beibringt, auf Informationen zu achten oder auf Eigenschaften von Videos, die zeigen, dass das Video professionell ist, also im Impressum nachschlagen, ob man da Informationen über die Hersteller findet und eher auf die vertrauenswürdigen Seiten zu gehen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.