Setzt ein Fußballstar wie Messi im Strafraum zum Dribbling an, ist ihm alle Aufmerksamkeit sicher. Fasziniert schaut man zu, wie der Ball zwischen seinen Füßen hin und her tanzt. Oft aber kann man hinterher auch sagen, dass da eine Lücke gewesen ist, durch die er den Ball hätte weiter passen können. Man hatte als Beobachter seine Aufmerksamkeit zwar auf den Dribbelkünstler fokussiert, aber auch wahrgenommen, was um ihn herum geschah. Wie ist das möglich und in welcher Beziehung stehen Aufmerksamkeit und bewusste Wahrnehmung zueinander: sind sie im Gehirn aneinander gekoppelt oder sind es völlig verschiedene Vorgänge? Masataka Watanabe von der Universität Tokio, der zurzeit am Max-Planck-Institut für Kybernetische Biologie in Tübingen arbeitet, interessierte diese Frage auch, weil mit ihr noch ein zweites Problem verbunden ist:
"Seit 20 Jahren streiten Hirnforscher über folgende Frage: Steht das sogenannte primäre Sehzentrum, die Eingangspforte aller visueller Reize in die Großhirnrinde, unter der Kontrolle der gezielten Aufmerksamkeit oder der bewussten visuellen Wahrnehmung?"
Das primäre Sehzentrum liegt im Hinterkopf und sammelt sozusagen das gesamte Rohmaterial jeder Szene auf, die man sieht. Dieses Rohmaterial wird anschließend in andere Areale der Großhirnrinde weitergeleitet und dort genauer analysiert: Welche Farben sind unter den gegebenen Lichtverhältnissen sichtbar, wo genau sitzen die Ecken, Kanten und Grenzen jeder Bewegung? Am Ende dieser Verarbeitung steht dann ein detailreiches, exaktes Bild: ein dribbelnder Fußballer im roten Trikot, der mit eleganten Bewegungen den Ball tanzen lässt.
Wie greifen die konzentrierte Aufmerksamkeit einerseits und das bewusste Wahrnehmen andererseits in diesen Verarbeitungsprozess ein? Die Frage ist vor allem deshalb noch ungeklärt, weil es schwierig ist, Aufmerksamkeit und bewusstes Wahrnehmen getrennt zu untersuchen. Denn fragt man Versuchspersonen, was sie jenseits ihrer Aufmerksamkeit sonst noch gesehen haben, müssen sie ja automatisch ihre Aufmerksamkeit darauf richten. Masataka Watanabe nutzte daher eine besondere Eigenschaft des Sehsystems, um ohne Befragung feststellen zu können, wann jemand etwas bewusst wahrnimmt.
"Wenn sie zum Beispiel gleichzeitig dem linken Auge ein horizontales Gittermuster und dem rechten ein vertikales präsentieren, geschieht folgendes: die beiden Gitter verschmelzen nicht zu einem einheitlichen bewussten Bild, sondern sie kippen sozusagen hin und her. Manchmal sieht der Betreffende nur das horizontale, ein paar Sekunden später nur das vertikale Gitter."
Watanabes Team verfeinerte diesen Mechanismus noch. Die Forscher konnten dann vier Versuchspersonen ein Gittermuster so präsentieren, dass sie immer genau wussten, wann die Probanden es bewusst sehen konnten und wann nicht. Eine Befragung war dazu nicht nötig. Manchmal forderten sie die Versuchspersonen aber zusätzlich auf, ihre Aufmerksamkeit auf das Muster zu richten und davon zu berichten. In anderen Momenten dagegen lenkten sie sie in ihrer Aufmerksamkeit gezielt ab. Aufmerksamkeit und bewusste Sehwahrnehmung ließen sich also strikt voneinander unterscheiden. Mit Hilfe eines Kernspintomographen beobachtete Watanabe, was bei diesen Durchgängen im primären Sehzentrum der Probanden geschah
"Wir konnten zeigen, dass sich die Nervenaktivität im primären Sehzentrum nahezu verdoppelte, wenn die Probanden ihre Aufmerksamkeit gezielt auf das Muster richteten. Interessanterweise gab es aber keinen Effekt bei der bloßen bewussten Wahrnehmung. Es war völlig egal, ob das Muster sichtbar war oder nicht, die Hirnaktivität blieb unverändert."
Das Ergebnis erklärt zunächst, warum man etwas bewusst sehen kann, ohne seine Aufmerksamkeit darauf zu richten. Denn es zeigt, dass beide Vorgänge im Gehirn zumindest teilweise unabhängig voneinander arbeiten. Das Resultat hat die Wissenschaftler aber auch verblüfft. Denn bisherige Theorien gingen davon aus, dass das gesamte Sehsystem aktiv ist, sobald wir etwas bewusst wahrnehmen, also auch das primäre Sehzentrum. Nun aber zeigt sich, dass die konzentrierte Aufmerksamkeit bereits in das Fundament des Sehsystems eingreift, bewusstes Wahrnehmen jedoch nicht. Die Hirnforscher müssen nun also nach der Stelle im Gehirn suchen, an der sich das bewusste Wahrnehmen im Sehsystem Geltung verschafft. Solche Studien können hilfreich sein, wenn man in Zukunft genauer herausfinden will, zu welchen Bewusstseinsleistungen zum Beispiel Komapatienten noch fähig sind.
"Seit 20 Jahren streiten Hirnforscher über folgende Frage: Steht das sogenannte primäre Sehzentrum, die Eingangspforte aller visueller Reize in die Großhirnrinde, unter der Kontrolle der gezielten Aufmerksamkeit oder der bewussten visuellen Wahrnehmung?"
Das primäre Sehzentrum liegt im Hinterkopf und sammelt sozusagen das gesamte Rohmaterial jeder Szene auf, die man sieht. Dieses Rohmaterial wird anschließend in andere Areale der Großhirnrinde weitergeleitet und dort genauer analysiert: Welche Farben sind unter den gegebenen Lichtverhältnissen sichtbar, wo genau sitzen die Ecken, Kanten und Grenzen jeder Bewegung? Am Ende dieser Verarbeitung steht dann ein detailreiches, exaktes Bild: ein dribbelnder Fußballer im roten Trikot, der mit eleganten Bewegungen den Ball tanzen lässt.
Wie greifen die konzentrierte Aufmerksamkeit einerseits und das bewusste Wahrnehmen andererseits in diesen Verarbeitungsprozess ein? Die Frage ist vor allem deshalb noch ungeklärt, weil es schwierig ist, Aufmerksamkeit und bewusstes Wahrnehmen getrennt zu untersuchen. Denn fragt man Versuchspersonen, was sie jenseits ihrer Aufmerksamkeit sonst noch gesehen haben, müssen sie ja automatisch ihre Aufmerksamkeit darauf richten. Masataka Watanabe nutzte daher eine besondere Eigenschaft des Sehsystems, um ohne Befragung feststellen zu können, wann jemand etwas bewusst wahrnimmt.
"Wenn sie zum Beispiel gleichzeitig dem linken Auge ein horizontales Gittermuster und dem rechten ein vertikales präsentieren, geschieht folgendes: die beiden Gitter verschmelzen nicht zu einem einheitlichen bewussten Bild, sondern sie kippen sozusagen hin und her. Manchmal sieht der Betreffende nur das horizontale, ein paar Sekunden später nur das vertikale Gitter."
Watanabes Team verfeinerte diesen Mechanismus noch. Die Forscher konnten dann vier Versuchspersonen ein Gittermuster so präsentieren, dass sie immer genau wussten, wann die Probanden es bewusst sehen konnten und wann nicht. Eine Befragung war dazu nicht nötig. Manchmal forderten sie die Versuchspersonen aber zusätzlich auf, ihre Aufmerksamkeit auf das Muster zu richten und davon zu berichten. In anderen Momenten dagegen lenkten sie sie in ihrer Aufmerksamkeit gezielt ab. Aufmerksamkeit und bewusste Sehwahrnehmung ließen sich also strikt voneinander unterscheiden. Mit Hilfe eines Kernspintomographen beobachtete Watanabe, was bei diesen Durchgängen im primären Sehzentrum der Probanden geschah
"Wir konnten zeigen, dass sich die Nervenaktivität im primären Sehzentrum nahezu verdoppelte, wenn die Probanden ihre Aufmerksamkeit gezielt auf das Muster richteten. Interessanterweise gab es aber keinen Effekt bei der bloßen bewussten Wahrnehmung. Es war völlig egal, ob das Muster sichtbar war oder nicht, die Hirnaktivität blieb unverändert."
Das Ergebnis erklärt zunächst, warum man etwas bewusst sehen kann, ohne seine Aufmerksamkeit darauf zu richten. Denn es zeigt, dass beide Vorgänge im Gehirn zumindest teilweise unabhängig voneinander arbeiten. Das Resultat hat die Wissenschaftler aber auch verblüfft. Denn bisherige Theorien gingen davon aus, dass das gesamte Sehsystem aktiv ist, sobald wir etwas bewusst wahrnehmen, also auch das primäre Sehzentrum. Nun aber zeigt sich, dass die konzentrierte Aufmerksamkeit bereits in das Fundament des Sehsystems eingreift, bewusstes Wahrnehmen jedoch nicht. Die Hirnforscher müssen nun also nach der Stelle im Gehirn suchen, an der sich das bewusste Wahrnehmen im Sehsystem Geltung verschafft. Solche Studien können hilfreich sein, wenn man in Zukunft genauer herausfinden will, zu welchen Bewusstseinsleistungen zum Beispiel Komapatienten noch fähig sind.