Aetheretmon gehört zu den wenigen Tieren, die zweimal in der Wissenschaft für Aufsehen sorgen, obwohl die Fischart bereits seit rund 350 Millionen Jahren tot ist. Das erste Mal war 1927, als die Art an der schottischen Küste entdeckt, wissenschaftlich beschrieben und einer heute ausgestorbenen Knochenfischfamilie zugerechnet wurde.
Das zweite Mal ist jetzt - Ende 2016 -, denn dieser Fisch wirbelt eine alte These in der Evolutionsbiologie durcheinander, so Lauren Sallan. Die Paläontologin von der Universität von Pennsylvania hatte in den Sammlungen des Naturhistorischen Museums London die alten Fossilien untersucht:
"Das waren alles Jungtiere, vom Embryo bis zum fast erwachsenen Tier. Sie zeigen jeden einzelnen Entwicklungsschritt. Und hier konnten wir eine fast 200 Jahre alte These überprüfen, ob also tatsächlich diese frühen Jungfische auch die Evolution wiederholen, ob sie also die bis dato noch sehr kurze Stammesgeschichte spiegeln oder doch etwas ganz anderes zeigen."
Haeckels These wurde nie überprüft
Zu ihrer Überraschung unterschieden sich die Entwicklungsschritte der alten Embryonen überhaupt nicht von denen heutiger Tiere. Damit stellen diese versteinerten Fische eine der gängigen Thesen in der Evolutionsbiologie infrage, die so genannte Biogenetische Grundregel, die der deutsche Naturphilosoph Ernst Haeckel 1866 formuliert hatte. Dieser zufolge gibt es zwischen der Entwicklung des einzelnen Lebewesens und seiner Stammesentwicklung einen Zusammenhang und zwar in Form einer Evolution im Zeitraffer:
"Bei unserem Fossil sehen die Entwicklungsschritte aber genauso aus wie bei modernen Fischen. Es kann aber keine Wiederholung geben, wenn es noch nichts zu wiederholen gibt. Man sieht dieselben Entwicklungsschritte bei Fischen vor 350 Millionen Jahren und bei Fischen, die heute heranwachsen."
Das Problem der alten These war, dass sie nie überprüft wurde, einfach weil es bisher keine passenden Fossilien gab.
Urfische geben über Entwicklung von Schwanzstrukturen Auskunft
Bei den Detailanalysen bemerkte Lauren Sallan auch, dass diese frühen Fische zwei verschiedene knöcherne Schwanzstrukturen zeigen, eine führt bei der Schwanzflosse nach oben, eine nach unten.
Beide sind im Hinblick auf die Evolutionsbiologie wichtig, denn deren spätere Entwicklung ist nun erstmals offensichtlich. Die obere entwickelte sich bei Landwirbeltieren zum fleischigen Schwanz, wie etwa Echsen einen tragen. Die untere wurde zur Schwanzflosse bei heutigen echten Knochenfischen.
Demnach ist in der Entwicklung der einzelnen Tiere einzig und allein entscheidend, wann eine der Schwanzstrukturen wächst und noch wichtiger - welche nicht weiterwächst. Beide sind jedoch anatomisch grundsätzlich angelegt:
"Nun sieht es so aus, als ob die Schwänze bloße Auswüchse sind und zu einer Extremität werden, ähnlich wie ein Bein. Genetische Daten heutiger Fische zeigen ja, wie diese Mechanismen grundsätzlich funktionieren. Diese Fossilien beweisen nun, wie die verschiedenen Schwanzformen aus den beiden Grundtypen entstehen - sie wachsen aber unabhängig voneinander und beeinflussen sich nicht gegenseitig."
Bisher galt jedoch die Annahme, dass die ursprüngliche erwachsene Fischflossenform auch noch in Landwirbeltier-Embryonen erscheint. An diese alten Schwanzembryonenbilder, egal ob Huhn, Affe, Schwein oder Mensch, könne sich jeder erinnern, der mal einen Blick in sein Biologiebuch geworfen habe, so Lauren Sallan.
Wenn etwas oft wiederholt wird, wird es irgendwann nicht mehr hinterfragt. Bleibt abzuwarten, ob und wann diese alten, nun offensichtlich falschen Behauptungen tatsächlich aus den Schul-und Lehrbüchern verschwinden.