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Woche der unabhängigen Buchhandlungen
"Wir haben uns nie totgesagt"

Es gibt sie immer noch: die inhabergeführten Buchhandlungen mit Beratung vor Ort. Das werde auch so bleiben, erklärte der Buchhändler Gerrit Völker im DLF. Sorgen mache ihm und seinen Kollegen allerdings das geplante Freihandelsabkommen TTIP und der damit verbundene Wegfall der Buchpreisbindung.

Gerrit Völker im Gespräch mit Beatrix Novy | 14.11.2015
    Bücherstapel
    Bücherstapel (imago stock&people)
    Beatrix Novy: Heute beginnt die Woche der unabhängigen Buchhandlungen, eine Aktion mit vielen Veranstaltungen an den Orten, wo belesene Buchhändler ihre Kunden beraten, in denen man finden kann, was man nicht gesucht hat, also kurz die Buchhandlungen, die wir alle so sehr lieben, um dann bei Amazon zu bestellen.
    Gerrit Völker vertritt eine solche inhabergeführte Buchhandlung, die Maternus-Buchhandlung in Köln, ein Anker im Viertel, in dem sie liegt. So eine Aktion zeigt aber doch auch, dass Werbung vonnöten ist, und deswegen habe ich Gerrit Völker zunächst gefragt, wo denn derzeit die größten Bedrohungen für die unabhängige inhabergeführte Buchhandlung liegt: Bei Amazon oder bei den großen Ketten oder sonst wo?
    Gerrit Völker: Im Grunde sprechen wir ja immer über die üblichen Verdächtigen. Zwei haben Sie gerade schon genannt. Mit Amazon haben wir natürlich einen Mitbewerber am Markt im Bereich des Internet-Buchhandels, der sehr aggressiv vorgeht und sich teilweise durch seine grenzwertige illegale Marktpraxis ausgezeichnet hat. Bei den großen Ketten, die haben im Moment sehr viel mit sich selbst zu tun. Es werden Flächen geschlossen, es werden Neueröffnungen, die geplant waren, nicht durchgeführt und so weiter. Das ist auch irgendwo das Ergebnis einer Politik, die vielleicht darauf hinausführen musste. Einen Faktor haben Sie vielleicht noch nicht erwähnt. Das berühmte Freihandelsabkommen TTIP geht natürlich auch uns Buchhändler direkt an, denn wir sind uns nicht ganz sicher, auch wenn ein wenig Entwarnung seit September eingetreten ist, ob nicht die deutsche Buchpreisbindung auch verhandelt werden soll.
    "Ein Umdenken hat stattgefunden"
    Novy: Sie sprechen mit einem gewissen Selbstbewusstsein, habe ich eben herausgehört, aus der unabhängigen Buchhandlung heraus. Man hat diese Buchhandlungen in den vergangenen Jahren x-mal totgesagt, und doch gibt es sie ja noch. Wieso eigentlich?
    Völker: Wir haben uns nie totgesagt und ich war als Student schon im Buchhandel tätig und bin jetzt einige Jahre auch Sortimenter der Maternus-Buchhandlungen und muss sagen, ich sehe, wie viel Bewegung eigentlich an dem Markt ist. Ich glaube, die Begeisterung zu lesen, die wird es immer geben, und ich glaube, dass Kunden, die gerne auf Beratung setzen, sich auch dann nicht davon abbringen lassen. Die Buchpreisbindung spielt uns allerdings, das muss ich auch sagen, da in die Karten, denn dadurch haben wir transparente Preise. Bei uns kostet das Buch genauso viel wie bei Amazon und wenn wir es bestellen, ist es natürlich auch genauso schnell da. Aus meiner Sicht gibt es keinen Grund, nicht selbstbewusst zu sein.
    Novy: Haben die kleineren Buchhandlungen in Deutschland bessere Karten insgesamt als die im Ausland?
    Völker: Da fehlen mir die Zahlen dazu. Das kann ich nicht ganz genau sagen. Man muss ja auch schon festhalten, dass einige Buchhandlungen und nicht wenige von der Fläche verschwunden sind. Im Moment scheint es so eine leichte Phase der Erleichterung zu geben, und die wollen wir natürlich nutzen. Der Internet-Vertrieb im Bereich des Buchhandels hat eingebüßt. Das Sortiment hat leider 2014 auch nicht stark zugelegt, aber es hat Marktanteile gewinnen können, und das zeigt, glaube ich, auch, dass vielleicht bei gewissen Leuten zumindest was Amazon angeht ein Umdenken stattgefunden hat, was an der Praxis, denke ich, vor allem des letzten Jahres, als Amazon sich, glaube ich, das eine oder andere Eigentor reingelegt hat, liegt.
    "Die Arbeit als Buchhändler ist vielfältiger geworden"
    Novy: Nun wird es Amazon aber weiter geben. Was macht man nun als Buchhändler, um weiterhin zu bestehen am Markt und zukunftssicher zu werden?
    Völker: Ich glaube, das A und O ist immer noch bei allen Events und so weiter, die es um das Buch gibt, die teilweise erfreulich sind, wie jetzt auch die Woche der unabhängigen Buchhandlungen, bei allen diesen Events darf man es nicht übereventisieren. Man muss sich sehr stark auf die Alltagsarbeit konzentrieren. Ich glaube, dass die Arbeit als Buchhändler vielfältiger geworden ist, dass die Kunden sehr viel mehr verlangen. Wir denken, dass wir im Bereich der Beratung insbesondere im Bereich der Belletristik noch Potenzial nach oben haben.
    "Aufseiten der Verlage hat in den letzten Jahren ein Umdenken stattgefunden"
    Novy: Ziehen die Verlage eigentlich mit Ihnen an einem Strang?
    Völker: Ja und nein. Was mich auch bei der Recherche für dieses Interview etwas gewundert hat ist, dass der Vertriebsanteil am Buchmarkt der Verlage direkt über 20 Prozent liegt. Der ist höher als der Internet-Buchhandel, der so knapp über 16 Prozent liegt. Das ist eine Zahl, die mich persönlich irritiert hat. Auf der anderen Seite arbeiten wir natürlich auch mit nicht wenigen Verlagen eng zusammen und ich denke, wenn man so ein bisschen zusammenrückt als Verlag und Buchhandlungen, aufseiten der Verlage hat da sicherlich auch in den letzten Jahren noch mal ein Umdenken stattgefunden. Wir beispielsweise arbeiten sehr eng mit einem Hamburger Kinderbuch-Verlag zusammen, dessen Programm wir sehr schätzen und das wir auch fast komplett am Lager haben. Und ich glaube, dass solche Kooperationen auch die Zukunft im Buchhandel sein können.
    Novy: Das war Gerrit Völker zur Woche der unabhängigen Buchhandlungen, und wenn Sie am Montag an Ihrer Lieblingsbuchhandlung vorbeigehen, können Sie ja mal daran denken.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.