Im Drei-Sterne-Hotel City Plaza im Herzen Athens: Die Menschen, die hier übernachten, sind keine Touristen, sondern Flüchtlinge. So wie Dania Kassem aus Syrien. Die 26-jährige Frau mit dem lilafarbenen Kopftuch hat zusammen mit einer Freundin im Speisesaal des Hotels Platz genommen. Um sie herum tobt ihr dreijähriger Sohn Amar. In seinen Händen hält er einen weißen Luftballon. Eigentlich wollte sie nach Deutschland, sagt die junge Frau. Doch an der griechisch-mazedonischen Grenze ging es nicht mehr weiter:
"Wir waren in Idomeni. Einen Monat lang haben wir in einem Zelt gelebt. Wir hatten kein Essen, keine Medikamente, es war sehr kalt und alles war dreckig. Seit drei Tagen sind wir nun in diesem Hotel und wir sind so zufrieden: Es ist sauber, das Zimmer ist groß und es gibt auch einen Raum für die Kinder zum Spielen. Mein Sohn ist so glücklich."
"Wir mussten nur kleine Reparaturen machen"
Zu verdanken hat sie das einer Gruppe griechischer Links-Aktivisten mit dem etwas sperrigen Namen "Solidaritätsinitiative für Wirtschaftsflüchtlinge und politische Flüchtlinge". Sie kamen auf die Idee, das Hotel hinter dem Athener Viktoria-Platz zu besetzen, um Wohnraum für Flüchtlinge zu schaffen, wie Nikos Vasilopoulos, einer der Aktivisten erklärt:
"Dieses Gebäude stand sechseinhalb Jahre lang leer. Das Hotel war nicht mehr in Betrieb, es hatte aber immer noch die ganze Ausstattung: Die Betten, die Bettwäsche, es war alles da. Wir mussten nur kleine Reparaturen machen, zerbrochene Fenster austauschen und Steckdosen reparieren. Wir sind also rein, haben die ersten Etagen sauber gemacht und so konnten auch die ersten Flüchtlinge einziehen."
"Die Menschen fangen hier wieder an, auf eigenen Beinen zu stehen"
Das war am 22. April. Heute beherbergt das Hotel 250 Flüchtlinge, die Hälfte von ihnen Kinder, sagt Vasilopoulos. Dafür arbeiten rund hundert ehrenamtliche Helfer in mehreren Schichten: Sei es an der Rezeption, in der Küche oder im Spielzimmer, jeder hilft da, wo gerade Bedarf ist. Und auch die Flüchtlinge packen mit an.
"Für uns war das von vornherein selbstverständlich. Denn das hier ist ihr Zuhause. Unser Zuhause machen wir doch selber sauber. Und da kochen wir auch selbst. Die Menschen fangen hier wieder an, auf eigenen Beinen zu stehen. Nach all dem, was sie durchgemacht haben, fangen sie wieder an, sich wohlzufühlen."
Das besetzte City Plaza ist nur eines von vielen leer stehenden Gebäuden, die zur Zeit in der Athener Innenstadt von Aktivisten besetzt sind; unter ihnen eine alte Schule und ein mehrstöckiges Verwaltungsgebäude. Doch nichts sei passender als ein Hotel, sagt Nikos Vasilopoulos:
"Die meisten öffentlichen Gebäude sind Büros. Und eine Schule ist auch kein Ort, der zum Wohnen gedacht ist. Gleichzeitig stehen hier in Athen unzählige Hotels und Häuser leer. Das ist einfach furchtbar! Denn das sind Gebäude, die zum Wohnen gemacht sind und nicht, damit die Spinnen herumspazieren."
"Wir glauben, dass diese Besetzung gerechtfertigt ist"
Auch wenn das plausibel klingt; illegal bleibt die Besetzung fremden Eigentums trotzdem. Das weiß Vasilopoulos. Auf die Frage, ob er nicht Angst davor habe, dafür ins Gefängnis zu wandern, reagiert er mit einem Lächeln:
"Na und? Wenn uns der Prozess gemacht wird, weil wir Menschen geholfen haben, dann ist es eben so. Es sind zwei Rechte, die sich hier gegenüber stehen: einerseits das Recht der Eigentümerin, ihr Hotel über Jahre geschlossen zu halten. Und auf der anderen Seite das Recht dieser Kinder darauf, ein Dach über dem Kopf zu haben. Wenn die Kinder dabei verlieren sollten, dann sei es so. Wir aber glauben, dass diese Besetzung moralisch und vielleicht auch juristisch gerechtfertigt ist."
So lange die Besitzerin sie nicht daran hindert, wollen die Aktivisten weitermachen. Gerade wird die nächste Etage gereinigt, damit hier bald noch mehr Flüchtlinge einziehen können.