"Es gibt diesen Mann" behauptet Anna Kaleri in ihren 60 Geschichten und diese Eingangsformel wirkt wie eine Initialzündung für die kurzen Texte. Und von vielen Männern ist die Rede: Sie bauen Häuser, haben einen Vogel oder ein Loch im Bauch, sie sind Väter, katholisch, sie sind ersetzbar. Einer "verbreitet … einen lasziven Hunger zwischen den Beinen", ein anderer will nicht küssen. Aber alle Männer werden belebt und angetrieben vom Blick der Ich-Erzählerin. Und die sieht genau hin. Mal analytisch, mal verträumt oder ins Phantastische überzeichnet. Auf einmal verliert sich das Komplexe an Beziehungen und der groteske Schmelz unserer alltäglichen Zwänge und Banalitäten wird sichtbar. Die Komik daran geht nie auf Kosten der Figuren.
Spielerisch kombiniert Anna Kaleri in den erzählerischen Miniaturen Zartes mit Krassem, amüsant geht es zu, skurril, auch brutal; Körpernähe entpuppt sich als menschlicher Abgrund, während eine surreale Szene sehr erotisch sein kann. Ihr Grundton ist lyrisch. Das bringt Ruhe in die vielen Episoden und bindet die Spitzen und die nicht selten überraschende Dramaturgie. Deutlich ist die Kraft des eigenen Tons zu hören. Und wenn die spürbar ironische Erzählhaltung eine kleine Philosophie durchscheinen lässt, bleiben die Texte dennoch erfrischend leicht; sie klingen gut und nach Lebensfreude, die weiß, dass es schwierig ist.
Am Ende der inspirierenden Blicke auf das andere Geschlecht gelingt ein Staunen und Schmunzeln über das eigene Spiegelbild - man wird neugierig auf den Roman der jungen Autorin, Absolventin des Leipziger Literaturinstituts, im nächsten Jahr soll er erscheinen.
Anna Kaleri: Es gibt diesen Mann. Erzählungen
Luchterhand Literaturverlag, 141 S., EUR 15,-