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Karlsruhe begrenzt politischen Einfluss auf das ZDF

Der ZDF-Staatsvertrag ist in wesentlichen Teilen verfassungswidrig. Die Regelungen über die Zusammensetzung des Fernsehrats und des Verwaltungsrats des Senders verstoßen gegen die Rundfunkfreiheit, entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

    Im Bild zu sehen ist ein Mikrofon des ZDF.
    Die Richter urteilten darüber, ob zu viele Politiker in den Aufsichtsgremien des ZDF sitzen. (picture alliance / dpa)
    Die Normenkontrollanträge der Bundesländer Rheinland-Pfalz und Hamburg, die einen zu starken Einfluss von Staat und Politik im ZDF beklagt hatten, waren damit erfolgreich. Das Gericht ordnete an, dass die Bundesländer bis spätestens 30. Juni 2015 eine verfassungsgemäße Neuregelung finden müssen.
    Der Vorsitzende Richter Ferdinand Kirchhof betonte bei der Urteilsverkündung, gefordert sei keine Staatsfreiheit der Aufsichtsgremien, sondern Staatsferne. Die Staatsquoten im ZDF-Fernsehrat und im ZDF-Verwaltungsrat müssen von derzeit jeweils mehr als 40 Prozent auf ein Drittel reduziert werden.
    Chefredakteur Brenders unfreiwilliger Abgang als Auslöser
    Anlass für das Karlsruher Verfahren war der Eklat um die gescheiterte Vertragsverlängerung für den ehemaligen ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender. 2009 hatte der von der Union dominierte ZDF-Verwaltungsrat unter Führung des damaligen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) den Vertrag Brenders nicht verlängert, obwohl der damalige ZDF-Intendant Markus Schächter für eine Verlängerung plädiert hatte.
    Der frühere ZDF-Chefredaktuer Nikolaus Brender
    Der frühere ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender (dpa / picture-alliance / Jörg Carstensen)
    "Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss in einer gewissen Distanz zum Staat sich befinden", hatte der Leipziger Verfassungsrechtler Christoph Degenhart zuvor dem Deutschlandfunk gesagt. Medienrechtler halten es für vertretbar, dass bis zu ein Drittel Vertreter von Staat und Parteien in den Aufsichtsgremien sitzen - beim ZDF aber ist diese "Staatsquote" bisher jedoch höher gewesen.
    Intendant Bellut sieht Unabhängigkeit des ZDF gestärkt
    ZDF-Intendant Thomas Bellut sieht durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Unabhängigkeit des Senders "eindeutig gestärkt". Die Ein-Drittel-Begrenzung für politische Vertreter in den Aufsichtsgremien nannte Bellut "pragmatisch weise. " Besonders die Gremienunabhängigkeit hält Bellut für "extrem wichtig." Auch Brender hat mit offener Freude auf das Urteil aus Karlsruhe reagiert. "Ich glaube, die Auseinandersetzungen um meinen Fall haben sich gelohnt", sagte der ehemalige Chefredakteur. "Das Urteil des Gerichts ist relativ klar: Es erfordert eine Menge an Veränderungen in den Bundesländern, neue Staatsverträge. Und es zeigt deutlich den Politikern die Grenzen ihres Einflusses auf. Es sichert die Unabhängigkeit des Journalismus in den öffentlich-rechtlichen Anstalten und stützt die Freiheit des ZDF."
    Kontrollgremien mit vielen politischen Einflüssen
    Die nun vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten Kontrollgremien des ZDF sind der Fernsehrat und der Verwaltungsrat. Ihre Aufgaben und Zusammensetzungen:
    ZDF-Intendant Thomas Bellut
    ZDF-Intendant Thomas Bellut (dpa / picture-alliance / Fredrik von Erichsen)
    Der Fernsehrat hat 77 Vertreter gesellschaftlich relevanter Gruppen. Dazu zählen zum Beispiel die großen Kirchen, der Zentralrat der Juden in Deutschland, Gewerkschaften, Wirtschaftsverbände, Umweltverbände und der Deutsche Sportbund. Die 16 Länder schicken je einen Vertreter, der Bund entsendet drei und die politischen Parteien schicken zwölf Vertreter. Die Mitglieder sollen in ihrer Zusammensetzung die Vielfalt der Gesellschaftsordnung repräsentieren. Es gibt grob eingeteilt zwei Freundeskreise: CDU-nah und SPD-nah. Vorsitzender ist der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Ruprecht Polenz.
    Der Fernsehrat überwacht das Programm und die Richtlinien für die Sendungen, befasst sich mit Beschwerden, genehmigt den vom Verwaltungsrat beschlossenen Haushaltsplan und wählt den Intendanten.
    Der Verwaltungsrat hat 14 Mitglieder: Neben fünf Vertretern der Länder und einem des Bundes werden acht Mitglieder vom Fernsehrat gewählt - sie dürfen weder einer Regierung noch einer gesetzgebenden Institution wie etwa Bundes- oder Landtag angehören. Der frühere rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) leitet den Verwaltungsrat. Weitere Ländervertreter sind die Ministerpräsidenten von Bayern und Sachsen, Horst Seehofer (CSU) und Stanislaw Tillich (CDU), Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und Brandenburgs Ex-Regierungschef Matthias Platzeck (SPD).
    Der Verwaltungsrat überwacht die Tätigkeit des Intendanten, beschließt über dessen Dienstvertrag und über den Haushaltsplan, den der Intendant Thomas Bellut entwirft - dieser vertritt das ZDF nach außen und ist für alle Geschäfte und die Programmgestaltung verantwortlich.
    Urteil betrifft in seiner Grundsätzlichkeit auch andere Staatsverträge
    Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts betrifft in erster Line das ZDF, hat aber auch in seiner Grundsätzlichkeit Einfluss auf andere öffentlich-rechtliche Sender. Auch in den Gremien des Deutschlandradios säßen Vertreter, die als staatsnah angesehen werden müssten, sagte der Leiter des Hauptstadtstudios des Deutschlandfunks, Stephan Detjen. Der Staatsvertrag des Deutschlandradios müsse daher ebenfalls nun genau überprüft werden.