Mirna und Milda aus Syrien haben sich gemeinsam mit acht weiteren zugewanderten Schülern zwischen Klasse 5 und 11 durch sechs Test-Module abgestufter Schwierigkeitsgrade gearbeitet, haben Währungstabellen ergänzt, Diagramme gezeichnet und Begriffspaare gebildet .Mirnas Bilanz fällt gemischt aus:
"Englisch war leicht, Deutsch auch, Mathe war schwer, Intelligenz war sehr schwer."
Den Logik-Test meint die 18-Jährige, bei dem sie Analogiereihen fortsetzen musste. Die 15-jährige Milda kam vor allem bei Mathe ins Schwitzen. Die Aufgabenstellung aber, text-arm und illustriert von Strichmännchen mit Gedankenblasen, war für die Mädchen gut nachvollziehbar, auch ohne perfektes Deutsch. Mirna:
"Die Lehrer erklären uns, was wir machen und es gibt Bilder, die erklären, was wir machen, also es war einfach zu verstehen."
Rheinland-Pfalz hat nach Baden-Württemberg als zweites Bundesland die vom Tübinger Forschungsinstitut MTO eigens entwickelten Tests für neu Zugewanderte übernommen, in beiden Ländern fördert der Bund diese neuartige Kompetenzanalyse. Zu ermitteln, wie gut die Kinder und Jugendlichen mit geringen Deutschkenntnissen in den Kernfächern sind, ist für Lehrer schwierig, konstatiert die Mainzer Bildungsministerin Stefanie Hubig von der SPD:
"Deshalb macht man jetzt einen Test, der sehr spracharm ist. Um dann festzustellen, wo kann man die Kinder eingruppieren. Denn wir machen es so, dass die Kinder die zuwandern, direkt in die Regelklassen reinkommen. Und da muss man gucken, in welche Klasse passt ein Kind vom Wissenstand und vom Alter."
Deutsch-Förderbedarf kann genauer ermittelt und mit Intensivkursen abgedeckt werden
Die Test-Ergebnisse sollen also dazu beitragen, die Einstufung, die bislang stark von den Deutschkenntnissen abhing, auf eine verlässlichere Grundlage zu stellen. Der Deutsch-Förderbedarf kann genauer ermittelt werden und kann mit Intensivkursen abgedeckt werden. Stefanie Hubig:
"So einen allgemeinen Test haben wir schon eingeführt in Rheinland-Pfalz, da geht es vor allem um die berufliche Orientierung und die Stärken von Kindern und vor allem von Jugendlichen."
Und wenn sich die Tests für zugewanderte Kinder als genauso aufschlussreich erweisen, will Rheinland-Pfalz sie von zunächst fünf Schulen auf die neunzig ausweiten, die mit der beruflich orientierten Potential-Analyse schon arbeiten. Auch der Kompetenztest für zugewanderte Schüler soll um ein neues Modul ergänzt werden, das berufliche Interessen, Neigungen und Stärken erfasst. Denn nicht alle wissen schon so genau, wo sie hin wollen wie Mirna:
"Ich möchte Abitur machen, und danach möchte ich Medizin lernen in der Universität."
Mirna hat gute Noten, schlechtere nur dort, wo Sprachkenntnisse entscheidend sind, wie in Geschichte. Wie die offensichtlich talentierte Elftklässlerin, die erst vor wenigen Monaten aus Aleppo floh, passgenau gefördert werden kann, das soll die Analyse ihrer Testergebnisse gemeinsam mit ihrem Stammkursleiter ergeben.
"Und das ist ein Teil der Integration", hält Petra Fischer-Wolfert fest, an der IGS Ludwigshafen-Gartenstadt für Didaktik zuständig. Schulleiter Jens Pellkofer begrüßt an dem Pilotprojekt für zugewanderte Schüler, "dass es dann auch Erfolgserlebnisse gibt. Voraussetzung für den Beruf ist ja auch, Stärken identifizieren und ausspielen zu können".
Und zwar jenseits von Unterrichtsfächern und Noten. Bevor das Projekt "2 P", Potential und Perspektive, so richtig angelaufen ist, hoffen Lehrkräfte an der IGS bereits auf einen Wiederholungstermin, um feststellen zu können, wie sich die neu zugezogenen Schüler entwickeln. Das Forschungsunternehmen MTO bereitet sich schon darauf vor, über Kompetenzprofile hinaus auch Verlaufsprofile zu erstellen.