Freitag, 29. März 2024

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Zum Werk von Rainer Werner Fassbinder
"Er hat in die Seele und Abgründe dieses Landes geblickt"

Rainer Werner Fassbinder war Regisseur, Produzent, Autor und Schauspieler. In seinen 37 Lebensjahren hat er mehr als 40 Filme gedreht. Er sei ein Diagnostiker der deutschen Gesellschaft gewesen, sagte die Filmkritikerin Katja Nicodemus im Dlf. Fassbinder wäre nun 75 geworden.

Katja Nicodemus im Gespräch mit Michael Köhler | 31.05.2020
Der Regisseur, Produzent, Autor und Schauspieler Rainer Werner Fassbinder am 16.02.1978 in Coburg bei den Dreharbeiten zu dem Film "Die Ehe der Maria Braun".
Der Regisseur Rainer Werner Fassbinder im Februar 1978 während der Dreharbeiten zu dem Film "Die Ehe der Maria Braun" (dpa/Picture-alliance )
Wichtiger Teil seiner Filme seien Fassbinders Frauenfiguren gewesen. Diese hätten den Zuschauer nicht mehr losgelassen, "weil sie auf so verzweifelte und auch stolze Weise eigentlich an sich selbst vorbei leben und auch an sich selbst vorbei lieben", so Nicodemus.
Schauspielerinnen wie Margit Carstensen, Hanna Schygulla oder Irm Hermann seien dabei die schillerndsten, widersprüchlichsten, erotischsten und auch bittersten Heldinnen des deutschen Nachkriegskinos gewesen.
Schauspielerin Irm Hermann bei der Premiere des Films "Fassbinder" in der Volksbühne Berlin. Die Schauspielerin starb im Alter von 77 Jahren.
Zum Tod von Irm Hermann - Die Anti-Bürgerin
Irm Hermann war eine Schauspiel-Anarchistin. Als Fassbinders Muse stellte sie schrullige Spießerinnen ebenso dar wie deren Gegenentwurf. Im Alter von 77 Jahren ist die gebürtige Münchnerin nun gestorben.
Ein "berserkerhaft drehender Zeitdiagnostiker"
Erzählt habe Fassbinder in seinen Filmen von Menschen, "die eine Ahnung haben von ihren Möglichkeiten und Bedürfnissen und trotzdem das herrschende System im Kopf akzeptieren und es durch ihre Taten festigen", sagte die Kritikerin im Dlf.
Als Filmemacher sei Fassbinder "ein fiebriger, berserkerhaft drehender Zeitdiagnostiker" und auch ein Diagnostiker der deutschen Gesellschaft gewesen. In fast jedem seiner Filme habe er in die Seele und Abgründe Deutschlands geblickt und die deutsche Geschichte und Nachkriegsgeschichte analysiert.
Dass ihm so viel Ablehnung entgegenschlug und es das Bild vom "Bürgerschreck Fassbinder" gab, daran hab er mit Auftritten in Talkshows als breitbeinig dasitzender Bad Boy selbst gearbeitet, so Katja Nicodemus über das Image des Filmemachers.