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Zweifel an der Kupferkapsel

Hoch radioaktiver Strahlenmüll aus den schwedischen Atomkraftwerken soll nach Plänen der Industrie eingehüllt in Kupferkapseln 500 Meter tief im Granitgestein für alle Ewigkeit endgelagert werden. Eine internationale Forschergruppe hat nun massive Zweifel an der Sicherheit dieser sogenannten KBS-3-Methode aufgeworfen. In der wissenschaftlichen Zeitschrift "Catalysis Letter" präsentieren unter anderem Peter Szakálos und Gunnar Hultquist, Materialforscher an der Königlich Technischen Hochschule (KTH) in Stockholm, eigene Studien und Berechnungen, die nahelegen, dass sich Kupfer ohne Beisein von Sauerstoff im Grundwasser auflöst. Die Kapseln könnten folglich sehr viel früher durchrosten, hochgiftige Nuklide in das Grundwasser und damit an die Oberfläche gelangen.

Von Alexander Budde |
    Am 10. August 1628 versank die "Vasa" auf ihrer Jungfernfahrt. Drei Jahrhunderte lag das königliche Flaggschiff im Schlamm des Stockholmer Hafens, bis man es mit Echolot und Bleisonde aufspürte und mit großem Aufwand zurück an die Oberfläche holte. Archäologen bargen im Schiffsinneren und rund um den Fundort Hunderte Kupfermünzen, deutlich angenagt vom Zahn der Zeit. Für den Materialforscher Peter Szakálos von der Königlich Technischen Hochschule (KTH) in Stockholm sind die Münzen nicht nur von historischem Interesse. Sie sind Kronzeugen für einen lange gehegten Verdacht: dass die schwedische Methode zur Endlagerung von Atommüll nicht sicher ist.

    "Die Münzen lagen im sauerstofffreien Sediment. Gleichwohl wurde das Metall stark angegriffen. In unseren Studien können wir zeigen, dass die Korrosionsgeschwindigkeit 1000 oder gar 10.000 Mal höher ist als in den theoretischen Modellrechnungen bislang angenommen wurde."

    Nach Ansicht der Forscher herrschten am Fundort der "Vasa" Bedingungen, wie man sie auch im geplanten Endlager für den schwedischen Atommüll vorfinden würde.

    In ihrer Studie verweisen sie zudem auf eigene Langzeitversuche mit Kupferproben sowie theoretische Berechnungen. Im Labor ließe sich belegen, dass Kupfer mit Chloriden und Sulfiden, aber auch mit dem Wassermolekül an sich reagiert.

    Kupfer sei folglich kaum geeignet, um hochgiftiges Spaltmaterial für alle Ewigkeit sicher zu verwahren. Im schlimmsten Fall könnten austretende Nuklide sehr schnell in das Grundwasser und damit an die Oberfläche gelangen.

    "Wenn man sich allein auf Kupfer verlassen wollte, dann müsste der Mantel der Kupferkapsel einen Meter dick sein, um einen Zeitraum von 100.000 Jahren zu überstehen."

    Jimmy Larsson, Sprecher der mit der Planung und Erforschung des Endlagers beauftragten privaten Atomfirma SKB, weist die Kritik zurück.

    "An der Studie selbst ist nichts auszusetzen, wohl aber an den Schlussfolgerungen, die man daraus zieht. Wir bezweifeln, dass es die behauptete Kupferkorrosion gibt. Unseren eigenen Experten und denen den beteiligten Behörden ist es bislang jedenfalls nicht gelungen, das Phänomen durch eigene Experimente zu bestätigen. Selbst wenn die Vermutung zutreffen würde, liefe die Korrosion so langsam ab, dass sie die Sicherheit der Kapsel nicht beeinflussen würde."

    1977 verabschiedete die damalige schwedische Regierung ein Gesetz, wonach neue Kernkraftwerke nur dann gebaut werden dürften, wenn die Industrie ein Konzept zur sicheren Endlagerung des Atommülls entwickelt. Mit der Standortsuche und der Entwicklung der Endlagermethode wurde später die Atomfirma SKB betraut, an der die Betreiber E.ON und Vattenfall beteiligt sind. Der Bau des Depots wird durch einen staatlich verwalteten Rücklagenfonds finanziert. Für jede Kilowattstunde Atomstrom zahlen die Betreiber eine Öre ein. Aus dem Fonds werden aber auch Forschungsprojekte finanziert, die SKB in Auftrag gibt.

    Für Forscher wie Peter Szakálos, der sich vergeblich um Fördermittel für seien Studien bemühte, ein Skandal:

    "Der Antrag auf Baugenehmigung für das Endlager kommt zu früh. SKB kann keinerlei Ergebnisse vorlegen, die ihre theoretischen Modellberechnungen belegen. Wir brauchen dringend mehr unabhängige Forschung in diesem Bereich."

    Alarmiert durch den Forscherstreit zeigen sich auch Experten des schwedischen Umweltministeriums. Für den 16. November haben sie ein internationales Hearing zur Kupferkorrosion anberaumt.