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Zwischen Wirtschaftsobjekt und Menschenrecht

Ob die Trinkwasserversorgung in öffentlicher Hand liegen oder besser privatwirtschaftlich organisiert sein sollte, darüber streiten nicht nur in Deutschland Politiker, Wissenschaftler und Bürgerinitiativen. Im Mittelpunkt der Kritik stehen die Qualität und vor allem die Kosten für die Verbraucher.

Von Michael Braun |
    Unterschreiben kann man noch bis Oktober. Das geht im Internet und auf papiernen Listen. Die kursieren in ganz Europa. Auch hier bei der Stadtentwässerung Frankfurt haben Mitarbeiter Unterschriften gesammelt. Rainer Fitzek, der Personalratsvorsitzende, hat seine Kollegen und Vertrauensleute befreundeter Unternehmen zusammengetrommelt.
    "Also, einen schönen guten Abend. Der Fachbereich 02, Überschrift Verdi, hat sich zusammengetan, weil: Wir wollen ein paar Unterschriften, die wir bisher gesammelt haben, auswerten. Die Unterschriftenaktion ist für 'Wasser ist ein Menschenrecht'. Und zwar ist das eine europäische Bürgerinitiative."

    In ganz Europa sind schon fast 1,3 Millionen Unterschriften zusammengekommen. Bis November wird weitergesammelt. Das EU-Parlament soll sich mit dem Anliegen der Europäischen Bürgerinitiative befassen: "Wasser ist ein Menschenrecht" lautet deren Parole. Dahinter stehen auch Tanja Hauch und Petra Scholz, Betriebsrätin beim Frankfurter Versorger Mainova die eine, Personalrätin bei der Stadtentwässerung die andere. Sie sammeln Unterschriften, prüfen Listen, sind gegen die Privatisierung der Wasserversorgung:

    Tanja Hauch:
    "Weil: Dann ist das Wasser irgendwann so teuer, dass es sich keiner mehr leisten kann. Wasser ist ein Grundnahrungsmittel. Da befürchten wir das natürlich noch mehr."

    Petra Scholz:
    "Uns ist auch noch wichtig: Ich möchte, dass derjenige, der mir das Wasser zur Verfügung stellt, dass der auf Qualität achtet und nicht darüber sich Gedanken macht, wie viel Gewinn er damit machen kann. So lebenswichtige Sachen gehören in die öffentliche Hand und nicht in die Hände von Unternehmen, denen es nur um Gewinnmaximierung geht."

    Umstrittene EU-Pläne zur Liberalisierung der Wasserversorgung

    Die Initiative richtet sich gegen die Pläne von EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier: Demnach sollen bei künftigen Ausschreibungen private Unternehmen den Zuschlag für die Wasserversorgung bekommen, wenn sie das günstigste Angebot abgeben. Die Initiative befürchtet, dass Wasser zu einem börsengehandelten Spekulationsobjekt verkommen könnte.

    Die wasserwirtschaftliche Forschung stützt die Protestinitiative, und ungewöhnlich für die Wissenschaft - aus beinahe religiösen Gründen: Eines der vier Elemente in Privatbesitz - nicht denkbar.

    "Das Wasser gehört dem lieben Gott oder Allah oder wie auch immer."

    Sagt Günter Klein, Professor für Umwelt und Ressourcen an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Und er erklärt, warum die Frage der Wasserversorgung die Menschen so bewegt.

    "Wasser ist ja nicht nur Lebensmittel Nummer eins oder eines der elementaren Güter. Sondern es ist wirklich ein Überlebensmittel. Ohne Wasser, egal, von wem es bereitgestellt wird, überleben wir keine drei Tage. Wer das Recht auf Wasser aus welchen Gründen auch immer bestreitet, verurteilt Menschen zum Tode."

    Das erklärt die Aufregung. Barniers Pläne bringen viele negative Erfahrungen wieder auf den Plan: In London ist die unter Margret Thatcher privatisierte Firma "Thames Water" für die Wasserversorgung zuständig. Viele Leitungen sind marode, Rohrbrüche gehören zum Alltag, mindestens ein Drittel des Wassers versickert. Investoren scheuen Investitionen, auch weil ihre Rendite staatlich begrenzt wurde, wenn auch auf auskömmlich klingende sechs Prozent.

    In Portugal ist der Wasserpreis in Gemeinden, die die Versorgung an private Firmen abgegeben haben, in wenigen Jahren um 400 Prozent gestiegen.

    Schlechte Erfahrung mit privatem Versorger in Berlin

    Noch näher liegen die Erfahrungen daheim, in Berlin etwa. RWE und der französische Versorger Veolia hatten 1999 die Berliner Wasserbetriebe zu knapp 50 Prozent übernommen. Und dann, so der Vorwurf, ausgeplündert: mehr als 50 Prozent der Gewinne entnommen, gut 2000 Arbeitsplätze abgebaut, die Investitionen gesenkt, Verwertungsrechte auf Patente privatisiert, Wasserwerke geschlossen, um Wasserschutzgebiete in lukratives Bauland zu verwandeln.

    Thomas Rudeck, Sprecher der Bürgerinitiative "Berliner Wassertisch", hatte sich dafür eingesetzt, die Verträge zwischen dem Land Berlin und den privaten Anteilseignern der Berliner Wasserbetriebe offenzulegen – und war entsetzt:

    "In diesem Konsortialvertrag steht drin: Egal, was der Gesetzgeber beschließt, egal, was die höchstrichterliche Rechtsprechung, was der Verfassungsgerichtshof befinden sollte, entscheiden sollte: Unsere Gewinnansprüche, die wir ursprünglich mal im kleinen, stille Kämmerlein ausgemalt haben, diese Gewinnansprüche bleiben auch weiterhin unangetastet. Im Grunde genommen sind hier Passagen drin, die die Gewinninteressen der Investoren außerhalb des Rechtsstaates stellen. Das muss man sich mal vorstellen."

    Zudem hatten die Berliner Wasserbetriebe die Preise derart angehoben, dass das Kartellamt einschritt. Was den privaten Investoren als Optimierung galt, war den Berlinern ein Graus. Das Ende vom Lied: Das Land Berlin hat die Anteile von RWE zurückgekauft, seinen Anteil auf gut 75 Prozent ausgedehnt – es wird re-kommunalisiert.

    Das Kartellamt ist wachsam. Denn es kann nur Wasserpreise privatwirtschaftlich organisierter Betreiber kontrollieren. Nicht aber Wassergebühren kommunaler Wasserversorger. Der Präsident des Bundeskartellamtes, Andreas Mundt:

    "Um einen Trend zu erkennen, ist es vielleicht ein bisschen früh. Wir haben das eine oder andere Unternehmen beobachtet, dass sich in die Gebühren zurückbewegt, das zurück will in die Re-Kommunalisierung, in den öffentlich-rechtlichen Bereich. Ich würde aber nicht so weit gehen zu sagen, dass es hier wirklich einen Trend oder eine Tendenz gibt. Im Moment ist es so, dass wir Einzelfälle beobachten. Die große Flucht in die Re-Kommunalisierung, die können wir bisher in dem Bereich nicht erkennen."

    Re-Kommunalisierung als Ausweg für manche Städte

    Sie könnte noch kommen. Die Pläne von Binnenmarktkommissar Michel Barnier könnten das forcieren. Ihm wird unterstellt, er treibe die Zwangsprivatisierung der Wasserversorgung voran. Richtig ist, dass Brüssel es den Städten und Kommunen freistellt, ob sie die Wasserversorgung bei der öffentlichen Hand belassen oder an Private vergeben. Wenn sie sich aber für die Privatisierung entscheiden, dann soll das nach einheitlichen Regeln erfolgen. Das hieße: europaweite Ausschreibung. Und dann wäre der Zweifel groß, ob sich die örtlichen Stadtwerke durchsetzten. Die Verbände, etwa die der kommunalen Unternehmen, haben protestiert. Und die Unterschriftenaktion "right2water" wirkt auch. Jedenfalls hat sich Michel Barnier zu einem Kompromiss bereitgefunden.

    Die Städte können einer Ausschreibungspflicht entgehen, aber nur, wenn ihre Stadtwerke mindestens 80 Prozent ihres Umsatzes im Heimatbezirk erzielen. Und Barnier ist bereit, dabei nur den Umsatz im Wassergeschäft als Maßstab zu nehmen und den oft meist größeren Umsatz mit Strom und Gas außen vor zu lassen.

    Das beruhigt die Mehrzahl der gut 5000 Wasserversorger in Deutschland aber nicht wirklich. Zwar gibt es hier, vor allem in Bayern und Baden-Württemberg, lokale Kleinstversorger, etwa 2000 an der Zahl. Dann rund 800 Stadtwerke, die zu 100 Prozent der Stadt gehören. Es gibt aber auch Stadtwerke mit privatem Teileigentümer, Eigenbetriebe, Regiebetriebe, Anstalten, Wasserverbände, Zweckverbände, vertragliche Kooperationen zwischen Kommunen, wonach eine Gemeinde die andere auch mit Wasser versorgt. Kurz: eine Vielzahl von Organisationsformen, die vermutlich nicht in das Barnier'sche Regelwerk passen.

    Dieses Regelwerk, so jedenfalls die Lobby der kommunalen Unternehmen, werde als "Zwangsjacke" empfunden. Und bevor man die anzieht, wird hier und da umorganisiert. Das Stichwort lautet: Re-Kommunalisierung.

    Das Beispiel "enwag" in Wetzlar

    Wetzlar gehört zu den Städten, wo dies schon geschehen ist. Die Wasserversorgung hat Anfang 2011 ein kommunaler Eigenbetrieb übernommen. In der Praxis hat sich freilich wenig geändert. Denn es bleibt dabei, dass die städtischen Werke namens "enwag" - nun im Auftrag des kommunalen Eigenbetriebes - die technischen Dienstleistungen in der Wasserversorgung erbringen.

    Etwa hier oben an der Brühlsbacher Warte. Hier betreibt die "enwag" gleich drei Wasserhochbehälter. Ihre Betonhüllen wölben sich unter Gras und Birken, nahe dabei zwei kleine Häuser, ein weißes: Das ist die Pumpstation. Und eines aus Backsteinen:

    "Hinter uns dieses Backsteingebäude ist im Grunde genommen der Eingang zu den Hochbehältern an sich. Man nennt das den Schieberraum."

    "Können Sie mir den großen Behälter mal zeigen?"

    Detlef Stein, der technische Geschäftsführer der "enwag", öffnet die Tür zum Hochbehälter, einer von 19 in Wetzlar. Hier wird Wasser gespeichert, damit auch bei hoher Nachfrage genug Wasser mit genügendem Druck aus den Hähnen fließt. In Wetzlar zählen gut 50.000 Menschen darauf. Der Hochbehälter wird gerade befüllt. Ringkolbenventile regeln den Wasserzustrom und erzeugen ein zischendes Geräusch.

    "Können Sie mir den großen Behälter mal zeigen?"

    "Ich habe jetzt das Licht auf der Kanzel ausgemacht. Und das Licht im Hochbehälter an. Wir sehen jetzt sehr schön die Bauform dieses Hochbehälters, können auf den Wasserspiegel gucken. Das Wasser ist ein bisschen unruhig, weil er unten jetzt gerade gefüllt wird. Es entstehen kleine Wellen, die sich an der Decke auch wieder spiegeln. Eine sehr interessante und schöne Atmosphäre."

    "Macht Ihnen das noch Spaß? Oder sehen Sie das hauptsächlich als Techniker?"

    "Es macht schon Spaß, die Technik zu betreiben, auch einfach zu wissen, dass wir hier mit dem Lebensmittel Nummer eins hantieren, was also wirklich für die Leute ganz, ganz wichtig ist."

    "Wie kommen die Preise für Wasser zustande? Ist der Wasserpreis ein politischer Preis, der von der Stadt festgelegt wird, oder ein Preis, der sich aus den Kosten ergibt. Wie kommt der Preis zustande?"

    "Also, wir haben in der Vergangenheit eigentlich immer eine strenge Kostenorientierung bei der Kalkulation des Wasserpreises zugrunde gelegt. Und der Kostenkalkulation der Preise liegen natürlich die großen Kostenblöcke zugrunde. Das sind die Abschreibungen, die aus den Anlagevermögen entstehen, die Personalkosten, die Energiekosten. Wir haben also, wie gesagt, 200 Meter im Versorgungsgebiet zu überwinden, und das mehrfach. Wir müssen also bis auf die höchsten Punkte kommen mit unseren Pumpen. Das ist der dritte Block. Und ein wesentlicher Block natürlich ist für die viel verzweigten Anlagen der Bereich Instandhaltung und Betrieb. Diese Kostenblöcke werden zugrunde gelegt. Und dann wird daraus eben ein entsprechender Wasserpreis gebildet und dem Kunden in Rechnung gestellt. Die Wasserversorgung ist re-kommunalisiert worden. Die Stadt hat einen Eigenbetrieb gegründet, der im Grunde alle hoheitlichen Aufgaben der Kommune übernommen hat. Die Gebührenhoheit obliegt den politischen Gremien der Stadt Wetzlar. Und die Gebührenabrechnung wird im Auftrag des Eigenbetriebs von der Stadtkasse mitgemacht. Die 'enwag' ist nur noch Anlageneigentümer und Betreiber dieser Wasserversorgungsanlage. Und diese Leistung, die wir da für die Wasserversorgung in Wetzlar erbringen, wird über einen Betriebsführungs- und Pachtvertrag der Stadt in Rechnung gestellt."

    "Ist das für Sie jetzt ein lukrativeres Geschäft geworden?"

    "Das Geschäft ist für uns natürlich etwas lukrativer geworden, weil wir nicht mehr so vom Wasserabsatz abhängig sind, der in den letzten Jahren immer weiter zurückgegangen ist. Dieses Risiko ist im Grunde genommen verlagert worden auf den Eigenbetrieb Wasserversorgung Wetzlar."

    Re-Kommunalisierung hat also Vorteile für die Wasserversorger: Sie listen ihre Kosten auf und reichen sie in der Rechnung für den Dienstleistungsvertrag an die Kommune weiter. Die muss sehen, wie sie die Kosten auf die Wassergebühr aufschlägt. Pro Kubikmeter eher mehr als weniger, wenn die Bürger Wasser sparen.

    Streitpunkt Wassergebühren

    Die Preisgestaltung der Stadtwerke zumindest in der Geschichte ist nicht unproblematisch. So hatte der damalige hessische Wirtschaftsminister Alois Rhiel vor rund sechs Jahren die Wasserpreise von 270 Lieferanten in ganz Deutschland verglichen und große Unterschiede festgestellt:

    "Das billigste Vergleichsunternehmen, in Oberbayern ein Unternehmen, verlangt nur 0,99 Euro pro Kubikmeter, während 'enwag' bei 2,35 Euro liegt."

    Selbstverständlich habe man beim Preisvergleich die Versorgungsstruktur berücksichtigt. Also die Einwohnerzahl, die Länge des Leitungsnetzes, die topografische Lage, weil die Folgen für die Zahl der Wasserbehälter und Pumpen, also die Kosten hat. Dennoch seien in mehreren Städten um knapp 30 Prozent überhöhte Preise herausgekommen.

    Das Argument, der hohe Preis sei gerechtfertigt, nur so sei sauberes Wasser sicher zu liefern, hatte Rhiel nicht gelten lassen:

    "Die Erfolgsbeispiele kostengünstiger Wasserunternehmen entlarven dies als unbegründete Schutzbehauptung."

    Die Bausteine guter Wasserversorgung

    Wasserversorgung und wie man sie organisiert, ist kein Buch mit sieben Siegeln, erklärt Günter Klein, Professor für Umwelt und Ressourcen an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Klein hat von 2001 bis 2005 das Europazentrum für Umwelt und Gesundheit der Weltgesundheitsorganisation geleitet. Und er hält die Debatte um die Privatisierung der Wasserversorgung für eine Scheindebatte. Denn die Bausteine guter Wasserversorgung seien bekannt.

    "Wie das geht, können wir dann an Erfolgsmodellen über die letzten 100, 200 Jahre studieren. Und hier kommt die Kombination genau dieser staatlichen Verantwortung für das Bereitstellen dieses Produktes mit professioneller privatwirtschaftlicher Bereitstellung der technischen und organisatorischen Voraussetzungen. Und dies löst den Konflikt auf. Wir können weder als Bürgermeister noch Bundeskanzler löten. Klempner, Maurer, Brunnenbauer, Bauingenieure sollen handwerklich, professionell in privatwirtschaftlicher Leistung dazu beitragen, dass die Gewinnung von Wasser, die Verteilung von Wasser, die Aufbereitung, die Sicherstellung des Transports zu dem Konsumenten einwandfrei organisiert wird. Das können professionelle privatwirtschaftliche Unternehmen hervorragend. Aber sie müssen es tun in einem rechtlich einwandfrei geregelten und gesicherten Rahmen, der jedem Konsumenten, jedem Bürger sein Recht auf die Verfügbarkeit dieses Wassers garantiert."

    Staatlich also die Verantwortung für die Bereitstellung des Wassers, die Umsetzung gerne privatwirtschaftlich, das ist Kleins Modell. Die Sorge, dass Kommunen als die letztlich verantwortlichen Wasserversorger überhöhte Preise oder Gebühren nehmen, hat er nicht:

    "Die Kommunen in Deutschland haben hinbekommen, dass im Gemeindebüro an der Wand eine Tabelle mit den Daten der Trinkwasserqualität steht. Tatsächlich haben die Bürger dieses Instrument der Qualitätskontrolle. Und der Bürgermeister oder der Wasserwerksdirektor hat hohes Interesse daran sicherzustellen, dass er nicht ständig in der Zeitung steht.""

    Die Macht des Kartellamts ist begrenzt

    Volkes klagende Stimme am Stammtisch und irgendwann im Lokalblatt – dem Kartellamt genügt das als Preiskontrolle nicht. Natürlich wissen auch die Kartellwächter darum, dass Wasserversorgung ein natürliches Monopol darstellt. Niemand verbaut und finanziert zwei, drei Wassernetze, um konkurrierende Angebote unterschiedlicher Anbieter möglich zu machen. Das wäre viel zu teuer. Dem Kartellamt ist im Lichte dieses Umstandes auch egal, ob ein privater oder öffentlicher Anbieter die Wasserversorgung sicherstellt:

    "Wir verfolgen da kein bestimmtes Leitbild. Es gibt sehr gut geführte Stadtwerke, es gibt sehr gut geführte Private. Und umgekehrt gibt es auch auf beiden Seiten schwarze Schafe. Wie unterschiedlich das ist, das können Sie schon an den Entsorgungsgebühren in Deutschland erkennen. Die variieren nämlich zwischen den einzelnen Kommunen um den Faktor fünf. Das heißt: In manchen Kommunen ist die Entsorgung fünf Mal so teuer wie in anderen Kommunen – ein Unterschied, den Sie kaum durch irgendwelche strukturellen Unterschiede erklären können. Hier geht es sicherlich auch zu einem großen Teil darum, wie effizient ist derjenige, der diese Leistung jeweils erbringt."

    Sagt Andreas Mundt, der Präsident des Bundeskartellamtes. Den öffentlichen Druck etwa der Lokalzeitungen auf die Stadtwerke und Bürgermeister streitet er als real existierendes Kontrollinstrument bei der Preisgestaltung nicht ab. Auch gibt es die Kommunalaufsicht, die prüft, ob die Wasserpreise in Relation zu den Kosten stehen. Das Kartellamt, so Mundt, setze aber noch mal anders an, prüfe auch die Effizienz:

    "Wir gehen ja gar nicht in die Kosten rein, sondern wir führen diese Verfahren über einen Erlösvergleich. Das heißt: Wir schauen uns vergleichbare Wasserversorger an. Und wenn die Erlöse bei diesem Versorger wesentlich niedriger sind als bei dem Unternehmen, gegen das wir ein Verfahren führen, dann beginnt die Ermittlung, warum hat das andere Unternehmen so viel höhere Erlöse. Und wenn die nicht gerechtfertigt werden können, diese Erlöse, dann kommen wir nach langen Ermittlungen dahin, dass wir eine Verfügung treffen, dass die Preise zu senken sind. Also wir gucken gar nicht unmittelbar in die einzelnen Kosten rein. Sondern wir nehmen uns ein effizientes Unternehmen mit niedrigen Erlösen und vergleichen und kommen auf diese Art und Weise auch zu einem Ergebnis. Eine Methode, die vom Bundesgerichtshof abgesegnet ist."

    Allerdings ist die Macht des Kartellamtes begrenzt. Bisher hat es sich nur privatwirtschaftlich organisierte Wasserversorger vorgenommen, die Preise erheben. Rein kommunale Wasserversorger, die Gebühren nehmen, hat es nicht geprüft. Die Zuständigkeit dafür ist nicht geklärt. Kontrolle von Wassergebühren wäre kartellrechtliches Neuland. Wenn als Folge des Privatisierungsdrucks aus Brüssel die Re-Kommunalisierung kommt, muss diese Lücke im Kartellrecht geschlossen werden.