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Afghanistan
Der zähe Kampf gegen die Taliban

Vor mehr als 17 Jahren marschierten die USA in Afghanistan ein. Obwohl die Taliban wieder stärker werden, wollen die USA ihr Engagement im Land beenden - und den Einsatz mit einer bezahlten Privatarmee fortsetzen. Die afghanische Regierung lehnt jedoch alle Pläne für eine Privatisierung des Krieges ab.

Von Bernd Musch-Borowska |
    Afghanische Soldaten bei der Ausbildung (Archiv).
    Trotz der internationalen Ausbildungsmission (Bild): Die Taliban-Miliz wird in Afghanistan immer stärker. (AREF KARIMI / AFP)
    Der bewaffnete Angriff der Taliban auf das Anwesen einer britischen Sicherheitsfirma in Kabul, Ende vergangenen Jahres, hat die Diskussion über die Zukunft dieser privaten Sicherheitskräfte in Afghanistan angeheizt.
    Zehn Menschen waren ums Leben gekommen und viele weitere verletzt worden, als Kämpfer der Taliban zunächst eine Autobombe vor dem Haupteingang der Firma zündeten und danach in das schwer bewachte Gebäude eindrangen und das Feuer eröffneten.
    Auch afghanische Zivilisten waren betroffen, darunter Besitzer von Läden in der Nachbarschaft:
    "Mein Geschäft ist völlig zerstört worden durch die Explosion. Fünf meiner Mitarbeiter wurden verletzt, drei sogar schwer. Alle Fenster meines Geschäfts sind kaputt und die Decke ist herunter gekommen. Und in der ganzen Nachbarschaft gab es Verletzte."
    Ein Soldat der afghanischen Armee steht vor den Trümern eines britischen Compunds in Kabul, welcher von einem Selbstmordattentäter zerstört wurde. 
    Noch Ende November gab es einen Selbstmordanschlag auf ein britischen Compound in Kabul, bei dem zehn Menschen starben. (AFP / Noorullah Shirzada)
    Britische und amerikanische Sicherheitsfirmen sind mit ihren bewaffneten Mitarbeitern allgegenwärtig in der afghanischen Hauptstadt und nicht nur dort. Sie bewachen Botschaften und internationale Einrichtungen, bieten Sicherheitsberatung und bewaffneten Schutz für Mitarbeiter von internationalen Nichtregierungsorganisationen und für ausländische Journalisten. Und sie werden als Ausbilder und Berater für die afghanischen Streitkräfte und die Polizei eingesetzt.
    Ihre Zahl übersteigt bei weitem die Truppenstärke der US- und NATO-Präsenz in Afghanistan, obwohl es heute deutlich weniger sind als noch im Jahr 2010, als noch mehr als 100.000 sogenannte Contractor im Land waren.
    Nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums waren im letzten Quartal des Jahres 2018 über 25.000 Contractor registriert, darunter knapp 11.000 US-Staatsbürger und fast ebenso viele Sicherheitsleute aus anderen Ländern.
    Wie viele es tatsächlich sind, lässt sich nur schwer verifizieren. Genaue Angaben werden mit Hinweis auf die nationale Sicherheit abgelehnt. Außerdem sind die tatsächlichen Aufgaben der privaten Sicherheitsfirmen nur vage definiert.
    Ende des Krieges mit privaten Söldnertruppen
    Seitdem US-Präsident Donald Trump angekündigt hat, er plane einen Teilabzug der US-Streitkräfte aus Afghanistan, wächst die Sorge, dass dies Tür und Tor öffnen könnte, für mehr private Sicherheitsleute und bewaffnete Kämpfer.
    Seit Monaten versucht der einstige Gründer und frühere Chef der inzwischen aufgelösten US-Sicherheitsfirma Blackwater, Eric Prince, politische Entscheidungsträger in den USA und in Afghanistan davon zu überzeugen, dass der unpopuläre Einsatz der USA in Afghanistan durch eine private Söldner-Truppe übernommen werden könnte.
    Medienberichten zufolge tritt er dabei als Berater von US-Präsident Trump auf. Nach seinen Plänen könnten die US-Streitkräfte vollkommen abgezogen werden, sagte Prince in einem BBC-Interview: "Damit könnte man den Krieg beenden und die konventionellen Truppen nach Hause holen. Damit würde man viel Geld sparen und den Verlust vieler Soldaten vermeiden. Vorbild könnte die frühere East-India-Company sein, die auch einen Sicherheitsapparat hatte, bestehend aus lokalen Soldaten und ausländischen Unterstützern, die aber langfristig in Afghanistan bleiben. Denn das Problem heute ist der Mangel an Kontinuität. Wir würden Veteranen der US-Spezialkräfte einsetzen, die schon dort waren und die Gegend kennen. Wir würden sie dafür bezahlen, dass sie dauerhaft bei ihrer Einheit, an einem bestimmten Ort bleiben. 90 Tage im Einsatz, 30 Tage zuhause und dann wieder zurück und das über Jahre. Dann hat man Kontinuität."
    Den Plänen von Eric Prince zufolge würden rund 6.000 private Sicherheitsleute ausreichen, um die Aufgabe effektiv zu erfüllen, darunter 2.000 sogenannter Special Forces. Die Mentoren, wie er sie nennt, wären jedoch fest eingebettet in die afghanischen Streitkräfte, sodass das Oberkommando bei der Regierung in Kabul bliebe.
    "Die Mentoren wären den afghanischen Streitkräften zugeordnet und würden unter afghanischem Kommando operieren. Das Problem der afghanischen Streitkräfte zurzeit ist die große Zahl von Deserteuren, weil die afghanischen Soldaten wegen der weitverbreiteten Korruption kein Geld und keinen Nachschub bekommen. Die ausländischen Mentoren würden dafür sorgen, dass die Soldaten bezahlt und versorgt werden, bei Verletzungen ausgeflogen werden und die Truppe auch Luftunterstützung bekommt."
    Bodenschätze Afghanistans im Auge
    Die Kosten für eine solche Privatarmee bezifferte Prince auf rund 5,5 Milliarden US-Dollar. Davon 3,5 Milliarden für allgemeines Personal, Ausrüstung und Unterkunft und zwei Milliarden für die Spezialkräfte.
    Zur Finanzierung seines Vorhabens hat Prince offenbar die Bodenschätze Afghanistans im Auge, wie Gold, Silber und Platin sowie Kupfer, Eisen, Lithium und Uran. Wie die New York Times berichtete, traf er sich in Kabul mit Vertretern der afghanischen Bergbau-Branche. Immerhin wurde der Wert der in Afghanistan vermuteten Bodenschätze von den USA vor wenigen Jahren auf eine Billion geschätzt, also 1.000 Milliarden US-Dollar.
    Auch US-Präsident Trump hatte im vergangenen Jahr bekräftigt, dass die USA am wirtschaftlichen Potential Afghanistans einen Anteil erhalten sollten, um die finanzielle Belastung für den Einsatz der US-Streitkräfte abzumildern.
    "Der afghanische Regierungschef hat versprochen, dass wir an der wirtschaftlichen Entwicklung beteiligt werden, um unsere Kosten für diesen Krieg zu decken."
    Unabhängig von allen Spekulationen über Bergbau-Lizenzen, lehnt die afghanische Regierung alle Pläne für eine Privatisierung des Krieges gegen die Taliban kategorisch ab. Präsident Ashraf Ghani nannte das Vorhaben destruktiv. Immerhin würde das der Taliban-Propaganda Auftrieb geben, die die Präsenz ausländischer Truppen im Land als Besatzung bezeichnet.
    US-Verteidigungsminister Mattis geht mit Mitarbeitern und Soldaten in Kabul über einen Stützpunkt. Im Hintergrund steht ein Helikopter.
    US-Verteidigungsminister Mattis bei seinem Überraschungsbesuch in Kabul (THOMAS WATKINS / AFP)
    Viele Afghanen machen die USA für die Misere verantwortlich
    In einer offiziellen Stellungnahme der afghanischen Regierung zu den Plänen von Eric Prince heißt es, diese Idee verstoße gegen die Souveränität Afghanistans. Die Regierung werde unter keinen Umständen zulassen, dass aus dem Kampf gegen den Terrorismus in Afghanistan ein Geschäftsmodell gemacht werde. Gegen Versuche, den Krieg in Afghanistan zu privatisieren, werde man auch mit rechtlichen Mitteln vorgehen.
    Dem Ansehen der USA und ihrer Streitkräfte in Afghanistan haben die Pläne von Eric Prince eher geschadet. Ohnehin gibt es nach mehr als 17 Jahren nach dem Einmarsch der USA in Afghanistan immer mehr kritische Stimmen. Frustriert von der scheinbaren Endlosigkeit des Krieges machen viele Afghanen die USA für die Misere verantwortlich. Mohammad Ismail Qasimyar, Mitglied des Hohen Friedensrates:
    "Die NATO hat es nicht geschafft, die USA haben es nicht geschafft, die Taliban zu stoppen. Entweder wollten sie das gar nicht oder sie konnten nicht. Und dass sie es nicht konnten, kann ich mir nicht vorstellen."
    Auch auf der Straße in Kabul können viele Leute nicht verstehen, dass eine Supermacht wie die USA die Taliban nicht besiegen konnte, wie Hamidullah Nasrat, der Besitzer eines Stoffladens:
    "Wie kann es denn sein, dass eine Supermacht wie die USA und all die anderen Streitkräfte aus der ganzen Welt hier zwar ihre Macht demonstriert haben und die Taliban trotzdem nicht besiegen konnten? Das ist doch nur eine kleine Armee im Vergleich zu den internationalen Truppen. Das ist eine große Frage für die Leute hier."
    Doch die Supermacht USA will ihr Engagement in Afghanistan nach mehr als 17 Jahren offenbar gerne bald beenden. Gespräche mit den Taliban und mit den Regierungen der Nachbarstaaten und Regionalmächte legen die Vermutung nahe, dass den Überlegungen der US-Regierung, die Truppen in Afghanistan zu reduzieren, bald Taten folgen könnten.
    Die USA strebten keine dauerhafte militärische Präsenz in Afghanistan an, versicherte der US-Sondergesandte, Zalmay Khalilzad, bei seinen jüngsten Gesprächen in Kabul.