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Trainingsgelände-Ausbau des 1. FC Köln
Geißbock versus Grüngürtel

Der 1. FC Köln will seine Geschäftsstelle und das Trainingszentrum ausbauen. Das Problem: Seit Jahrzehnten sitzt der FC im Grüngürtel, einem Landschaftsschutzgebiet. Seit einigen Tagen ist das Ganze das Gesprächsthema Nummer eins in Köln. Letztendlich geht es in dieser Debatte um viel mehr.

Von Moritz Küpper |
Der RheinEnergieSportpark ist eine Sportanlage des 1. FC Köln in Köln-Sülz. Die Anlage umgibt das Clubhaus des Vereins, das Geißbockheim. Sie besteht aus neun Plätzen und soll erweitert werden. Der Ausbau im Grüngürtel ist umstritten. Eine Bürgerinitiative ist dagegen.
Der RheinEnergieSportpark ist eine Sportanlage des 1. FC Köln in Köln-Sülz. (imago/Manngold)
Etwas schüchtern und verlegen, lose zusammengewürfelt, steht eine Gruppe Menschen auf dem Parkplatz am Geißbockheim.
"Erstmal an alle herzlich Willkommen. Schön, dass sie den Weg gefunden haben, ich war schon ein wenig skeptisch: Dachte, naja, wenn es gleich anfängt zu regnen, könnten einige abgeschreckt werden."
Gut 30 Menschen, viele in der zweiten Lebenshälfte, etwa gleich viele Frauen und Männer, sind an diesem frühen Abend unter der Woche gekommen. Obwohl der Regen langsam einsetzt, interessiert sie die Frage, ob und wie der Fußball-Bundesligist 1. FC Köln, hier im historischen Grüngürtel, einem Landschaftsschutzgebiet, drei Kunstrasenplätze und Leistungszentrum auf insgesamt zusätzlichen 36.000 Quadratmetern bauen möchte.
"Ich finde immer, dass es am besten ist, man guckt sich die Dinge selber an. Weil: Sie kriegen jetzt natürlich viele Informationen aus verschiedenen Quellen."
An diesem Abend eben von der Bürgerinitiative "Grüngürtel für alle". Im Hintergrund prangt, fast menschengroß, das Emblem des FC an der Wand, der Geißbock auf rundem Wappen mit Dom-Silhouette. Die Schirme werden ausgeklappt, Gruppe läuft los.
Eine herbstliche Allee am Decksteiner Weiher in Köln.
Der Decksteiner Weiher in Köln - eine der grünen Lungen der Stadt (Imago/Manngold)
Klima-Themen haben Konjunktur
"Wir gehen einmal hier um das Gebäude."
Seit einigen Wochen nun bietet die Bürgerinitiative diese Spaziergänge an, die immer mehr Zuspruch bekommen. Denn: Der Geißbockheim-Ausbau, dessen Planung im Jahr 2015 begann, war in den letzten Monaten und Jahren eher ein Thema für die Anwohner, die Nutzer des Grüngürtels, doch seit einigen Tagen nun, ist es das zentrale Thema in der Millionenstadt Köln, zeigt die Konjunktur und die Komplexität des Klima-Themas, wie schnell lokale Themen heutzutage groß werden können, gibt einen Einblick in die Macht und das Anspruchsdenken des modernen Fußballs und beantwortet wohl auch die Frage, ob und wer Köln in den kommenden Jahren regieren will.
"Also, der Grüngürtel, so wunderbar er ist, er ist ja kein Selbstzweck. Sondern, er dient ja dazu, dass er für die Kölnerinnen und Kölner da ist, und wie kann man sich besser erholen, als beim Sport."
Henriette Reker ist zu Gast beim 1. FC Köln. Rückblick in den Wahlkampf im Jahr 2015, den sie gewinnen wird. Reker, Juristin, parteilos, damals unterstützt von CDU, FDP und Grünen, hat eine klare Botschaft:
"Und ich werde mich auch überall dafür einsetzen, gefragt und ungefragt, dass es zu diesem Ausbau kommen kann."
Applaus im Publikum. Das juristische Verfahren lief an, doch langsam und über die Jahre schwoll der Protest an, wurde kreativ. In einem rot-weißen Schlauchkostüm, also in den FC-Farben gehalten, als Raupe-Nimmersatt, die sich in das Grün frisst, demonstrierte die Bürger-Initiative im Grüngürtel.

Konrad Adenauer, der Enkel des Altkanzlers, ehemaligen Kölner Oberbürgermeisters und Begründer des Grüngürtels übte scharfe Kritik: "Dieses Grün ist unverzichtbar für Köln und das darf nicht weiter angeknabbert werden. Wir brauchen eher mehr, als weniger. Gerade, wenn man die heutige Zeit betrachtet, wo alles nach Klimaschutz und so weiter schreit, dann das machen zu wollen, ist für mich ein Wahnsinn, also völlig kontraproduktiv."
Die Oberbürgermeisterin von Köln, Henriette Reker, spricht vor einem Verhandlungssaal des Oberlandesgerichts in Düsseldorf mit Journalisten. Reker sagt hier als Zeugin im Prozess gegen einen Mann aus, der sie mit einem Messer schwer verletzt hatte.
Die Oberbürgermeisterin von Köln, Henriette Reker, hat mit dem Ausbau des Traingszentrums des 1. FC Kölns ein großes Problem (dpa-Bildfunk / Rolf Vennenbernd)
Die Gegner kriegen massiv Zulauf
Bis zum Ende dieser Woche nun, können Bürgerinnen und Bürger die Pläne einsehen, Einwendung für oder gegen das Projekt schreiben. Hunderte, wenn nicht sogar Tausende, gebe es schon, schreiben die Lokalzeitungen. Adenauer war einer der ersten, der Kölner Bundestagsabgeordnete Sven Lehmann von den Grünen folgte.
Denn: Auch die Grünen in Köln, wie allerorts im demoskopischen Höhenflug und eine der zentralen Reker-Unterstützer-Parteien, äußern sich nun eindeutig gegen Ausbau. Und Lehmann nimmt dabei auch die anstehende Kommunalwahl im kommenden Jahr in den Blick:
"Die Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat ja noch nicht erklärt, ob sie noch einmal antreten möchte. Sie hat gesagt, dass sie das nach der Sommerpause tun wird und dann werden wir als Grüne natürlich mit ihr in den Dialog treten, ob die Grünen das auch ein zweites Mal unterstützen. Ich kann sagen, dass gerade das Thema Verkehrswende, sozialer Wohnungsbau, aber auch der Schutz Grünflächen, sehr, sehr wichtige Themen sind, die wir auch dann anlegen werden an diese Entscheidung."
Reekers Sinneswandel
Es ist wohl diese Stimmungslage, die bei Kölns Oberbürgermeisterin zu einem Sinneswandel geführt hat:
"Ich muss Ihnen sagen, ich kann mir auch andere Lösungen vorstellen. Natürlich immer im engen Schulterschluss mit dem FC", sagt Reker, vor einigen Tagen, in ihrem Büro sitzend.
Am nächsten Morgen werden die Kölner Zeitungen auf den Titelseiten von ihren, allgemein als Sinneswandel aufgefassten, Aussagen berichten. Die Rahmenbedingungen, so Reker, hätten sich geändert:
"Der Beschluss des Rates, den Klimanotstand auszurufen, hat natürlich eine große Wirkung und der ist absolut ernst zu nehmen. Bei mir hat auch die Offenlage einen ernsten Hintergrund. Ich habe die Offenlage extra verlängert, um allen, die sich in den Sommerferien befinden, die Möglichkeit zu geben, teilzunehmen und ich darf Ihnen sagen, dass wir die Argumente, die dafür und dagegen sprechen werden, ernst nehmen und abwägen werden."
Die Köln oppositionelle SPD tobt, auch die FDP wirft der OB Wortbruch vor. Fest steht: Reker, das offenbart diese Äußerung, will wohl wieder antreten, positioniert sich an der Seite der Grünen und die Bürgerinitiative im Grüngürtel verspürt Rückendwind.
Der 1. FC Köln, neben dem Karneval das emotionale Aushängeschild der Domstadt, 110.000 Mitglieder, in dessen Gremien sich die Elite der Stadt trifft, schien ein übermächtiger Gegner, dessen Argumente allerdings ebenfalls plausibel sind.
Fassungslosigkeit beim 1. FC Köln
Die Spaziergänger am Geißbockheim, laufen an den bestehenden Gebäuden entlang, passieren einen Kunstrasenplatz, auf dem eine Mädchenmannschaft trainiert.
Alexander Wehrle sitzt im Geißbockheim. Der Geschäftsführer der 1. FC Köln GmbH und Co. KGaA, der Kommanditgesellschaft auf Aktien, was viele Fußball-Vereine heute auch noch sind, ist seit einigen Tagen fassungslos:
"Ja, ich persönlich war schon überrascht. Denn: Wir befinden uns jetzt seit vier Jahren in einem Flächennutzungs- und Bebauungsplanverfahren und haben das ja absichtlich gewählt, weil wir die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt da mitnehmen wollten und so kurz vor Ende eines Verfahrens – das ja auch demokratisch legitimiert ist – da einen Richtungswechsel zu kommunizieren hat mich überrascht."
Das Argument mit dem Klimanotstand überzeugt Wehrle nicht:
"Das kann ich nicht nachvollziehen, dass drei Fußballplätze wirklich nachhaltig das Klima der Stadt Köln schädigen. Und wenn das so wäre, dann würde das ja bedeuten, dass wir überhaupt keine Kunstrasenplätze in Köln bauen darf. Es sind, glaube ich, noch 21 vorgesehen für den Breitensport. Und das wäre natürlich auch ein fatales Signal für die Sportstadt Köln, dass man dann keine Sporttreibenden mehr unterstützen kann. Deswegen sind wir, glaub ich, gut beraten, da nochmal in den Dialog zu gehen um vielleicht die Aussagen besser einordnen zu können."
Seit 1953 hat der Verein seinen Sitz hier, ist – unstrittiger Weise – ein wichtiger Faktor in der Stadt – und will die Plätze außerhalb der Trainingszeiten, auch der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Auch der FC hat für das nun laufende Verfahren seine 110.000 Mitglieder per E-Mail kontaktiert:
"Wir haben sehr viele Zuschriften bekommen von Mitgliedern und Fans, wie sie sich denn überhaupt jetzt beteiligen können, wie das Verfahren ist, an wen sie sich wenden können und dann haben wir eigentlich nur Hilfestellung gegeben und Hinweise gegeben, wie man das machen kann. Bis zum 30. August kann noch jeder seine Anmerkungen, ob positiver oder negativer Natur dann eben dem Baudezernenten zukommen lassen und dann werden auch alle Eingaben bearbeitet und dann hoffe ich, dass wir im vierten Quartal diesen Jahres dann auch zu einem Beschluss kommen."
Am ersten Tag danach, soll es direkt 600 Eingaben gegeben haben. Beide Seiten, das zeigt auch der Besuch in Wehrles Büro, haben gute Argumente: Kinder, Jugendliche, aber auch Profifußballer, sollen Sport treiben; als der Grüngürtel konzipiert und angelegt wurde, waren Sportflächen vorgesehen, allerdings – so die Kritiker – keine Kunstrasen, die den Boden versiegeln.
Ob dies nun auf Ackerfläche vor den Toren der Stadt oder eben hier geschehe, mache keinen Unterschied für das Klima, kommt als Gegenargument. Dennoch: Gibt es wirklich ein öffentliches Interesse, das den Bau in einem Landschaftsschutzgebiet, das zugleich auch dem Denkmalschutz unterliegt, gebaut werden darf? Jedes pro, zieht ein kontra nach sich – und andersrum.
Eine emotionale Angelegenheit
Die Spaziergänger der Bürgerinitiative sind nun auf den Wiesen angekommen, auf denen gebaut werden soll:
"So, wir stehen hier sozusagen auf dem Areal, auf dem diese drei Fußballplätze angedacht sind."
Die Blicke schweifen umher.
"Sie müssen sich vorstellen, dass ungefähr 80 Prozent dieser Fläche hier, dann sozusagen…
Kopfschütteln allerorts. Aber:
"Ich kenne genügend Leute, die sagen: Ach, weil: Ich bin doch Fußball-Fan, ich liebe den Verein, ich bin sogar im Verein, ich bin Mitglied. Für die ist das nicht unbedingt eine kommerzielle Geschichte, obwohl es das eigentlich auch ist, sondern das ist eine Herzensangelegenheit."
Die – und nur das lässt sich sicher sagen – nicht einfach zu lösen ist.