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Auswertung von Smartphone-Daten
Mit digitalen Mitteln gegen das Coronavirus

Können digitale Mittel dabei helfen, die Ausbreitung des Coronavirus zu bremsen? Eine Überwachung einzelner Personen per Smartphone wie in China und Südkorea hält der Dlf-IT-Experte Peter Welchering für unwahrscheinlich. Andere digitale Werkzeuge seien hingegen hilfreich im Kampf gegen das Coronavirus.

Von Peter welchering |
Ein Mann in London mit einer Schutzmaske am 11. März 2020 blickt auf sein Smartphone.
Menschen in der Coronakrise per Smartphone zu überwachen - Datenschützer sehen das kritisch (picture alliance / Steve Taylor)
Man sei dabei, die digitalen Werkzeuge zu verbessern, um den Gesundheitsämtern die Arbeit zu erleichtern: Das teilte der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI) Lothar Wieler vor Kurzem mit. Solche digitalen Werkzeuge sind dringend notwendig, denn viele Gesundheitsämter melden ihre Fallzahlen und Testergebnisse aktuell noch per Telefax an die vorgesetzten Behörden und weitere Dienststellen.
Über ein digitales Werkzeug ist wird aktuell besonders intensiv diskutiert, nämlich die Auswertung von Handydaten, um das Virus eindämmen zu können. Dlf-IT-Experte Peter Welchering sieht den Vorschlag, Menschen per Smartphone-Ortung zu überwachen, um die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen kritisch:
"Bei einer Ausgangssperre bei einzelnen Menschen das Smartphone gewissermaßen als elektronische Fußfessel zu benutzen, ist sehr aufwändig. Bei einer allgemeinen Ausgangssperre, die ja viele Menschen beträfe, ist das gar nicht machbar."
Auch die Idee, Bewegungsdaten für individuelle Kontaktnachverfolgung eines Infizierten einzusetzen, empfehle sich auch nur bedingt. Denn die Bewegungsdaten selbst sagten nichts darüber aus, ob ein Mensch mit einem anderen Menschen stundenlang im selben Büro zusammengesessen habe oder ob er im fünften Stock und der im zweite jeweils an seinem Schreibtisch war.


Ulrich Kelber, Bundesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit über digitale Werkzeuge im Kampf gegen das Coronavirus:

"Es gibt Stimmen, die so ganz simpel wieder unterwegs sind und sagen: Das müssen wir jetzt alles wegschieben. Kennen wir übrigens als Datenschützer. Ansonsten wird behauptet, wir seien Täterschützer.
Der Bundesdatenschutzbeauftragte, Ulrich Kelber (29.9.2016).
Ulrich Kelber, Bundesdatenschutzbeauftragter: Gerade kranke Menschen sind auf den Schutz ihrer Daten angewiesen. (dpa / picture alliance / Monika Skolimowska)
Es gibt auch Sprüche wie: Datenschutz ist nur etwas für Gesunde. Interessanterweise widersprechen dort die Interessenverbände der kranken Menschen, weil gerade kranke Menschen auf den Schutz ihrer Daten angewiesen sind."
Für Aufregung sorgte kürzlich, dass die Deutsche Telekom AG dem Robert-Koch-Institut Daten zur Verfügung gestellt hatte, mit denen die Bewegung von Mobilfunkkunden nachvollzogen werden können. Lothar Wieler, der Präsident des Robert-Koch-Instituts, erklärt, was sein Haus mit diesen Daten macht.
"Die Daten zeigen uns, ob insgesamt die Mobilität der Bevölkerung nachgelassen hat. Das heißt also, anhand der Daten können wir feststellen, ob die Maßnahmen, die wir fordern und die die Bundesregierung fordert, ob die Maßnahmen auch eingehalten werden. Das ist ein wichtiger Wert, denn wir müssen ja beurteilen, wenn wir jetzt Infektionszahlen in der Zukunft haben, wir wollen ja beurteilen, warum die Infektionszahlen sich reduziert haben oder erhöht wurden.
Wenn wir sehen, dass die Menschen die Maßnahmen gar nicht umsetzen, und das sehen wir anhand dieser aggregierten Daten, dann wissen wir den Grund dafür, dass die Intervention, die wir wünschen, nicht erfolgreich ist."

Je weniger Menschen unterwegs sind, um so eher kann das Virus ausgebremst werden. Bei der Auswertung bleiben die Bewegungsdaten völlig anonym.
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Vor- und Nachteile der geplanten Go-Health-App
Diese Datenweitergabe der Telekom muss man säuberlich unterscheiden von individuellen Bewegungsdaten, die mit dem Coronavirus infizierte Menschen an die sogenannte Go-Health-App spenden könnten. Noch ist diese Datenplattform nicht im Regelbetrieb. Der Plan sieht vor, dass positiv Getestete ihre Bewegungsdaten der vergangenen zwei Wochen an die Datenanalyseplattform spenden. Diese berechnet dann für bestimmte Orte, etwa für eine Veranstaltung oder eine Fahrt mit einem Zug oder Bus das Infektionsrisiko. Dieses Ansteckungsrisiko wird in Ampelfarben signalisiert. Rot bedeutet ein sehr hohes Ansteckungsrisiko, bei Grün kann Entwarnung gegeben werden.
Wird eine Veranstaltung oder eine Zugfahrt gelb markiert, sollten Menschen, die dort vor Ort waren, in den folgenden Tagen aufmerksam sein, ob sie Krankheitssymptome entwickeln. Jedermann könnte sich dann auf dieser Plattform Orte oder Veranstaltungen, Züge oder Buslinien anzeigen lassen, um sein persönliches Infektionsrisiko besser einschätzen zu können. Diese Daten sollen auch die Gesundheitsämter nutzen. Lothar Wieler (RKI):
"Wir halten das für ein sinnhaftes Konzept. Es gibt da verschiedene Aspekte abzuwägen. Es gibt Datenschutzaspekte. Es gibt technische Aspekte. Ich sage nur so viel hier. Ich bin nach meinem Kenntnisstand davon überzeugt, dass beide Aspekte bewältigt werden können. Und der Vorteil wäre natürlich, dass wir die Gesundheitsämter enorm unterstützen."
Digitale Werkzeuge in Krankenhäusern und Kliniken
In den Krankenhäusern und Kliniken sieht es, was digitale Werkzeuge angeht etwas besser aus. Wenngleich digitale Werkzeuge für den Bevölkerungsschutz hier noch nicht sehr weit entwickelt sind. Immerhin konnte RKI-Präsident Wieler einen kleinen Erfolg vermelden, nämlich:
"Dass wir zusammen mit zwei Gesellschaften ein Werkzeug entwickelt haben, mit dem man die Intensivbetten sehr gut monitoren kann, so dass man weiß: Welche Krankenhäuser haben noch Intensivbetten-Kapazitäten frei, welche nicht? Das ist ein Werkzeug, das zunehmend ausgerollt wird, das sehr, sehr wichtig sein wird, wenn dann strategisch Patienten zu bestimmten Kliniken gebracht werden. Das heißt, wir brauchen viele von diesen Werkzeugen, um wirklich optimal das Gesundheitssystem zu nutzen."

Bei allen diesen digitalen Werkzeugen geht es um sehr persönliche Daten, um Krankheitsdaten. Dass diese Daten nicht in falsche Hände gerate, darum bemühten sich die Verantwortlichen, das Bewusstsein dafür sei groß, sagte der Dlf-IT-Experte Peter Welchering. Allerdings klappe das nicht immer:
"Das hat unterschiedliche Gründe. Zwei Ursachen wirken immer mit rein: Die komplette Unterfinanzierung und die sehr starke ökonomische Ausrichtung der Klinik-Leitungen. So hat das Robert-Koch-Institut ein extrem effizientes Werkzeug, mit dem der Anteil der schweren Lungenerkrankungen bei den COVID-19-Parienten gemessen werden kann. So lassen sich Erkenntnisse darüber gewinnen, welche Patientengruppen, welche Patienten mit welchen Vorerkrankungen, Konstellationen nach der Infektion mit dem Coronavirus eine Lungenentzündung bekommen."
Das sei für die rechtzeitige Behandlung sehr wichtig. Diese Daten bräuchten die Wissenschaftler in nur in vollkommen anonymisierter Form. Wenn Kliniken diese in dieser anonymisierten Form anlieferten, könnten die Daten auch nicht zurückgerechnet werden auf den Einzelnen. Allerdings:
"Oft fehlt in den Kliniken das Know-how für eine Anonymisierung. In einigen Fällen wurden diese Daten – wie früher per Fax – offen per E-Mail verschickt, weil das Kliniksystem Verschlüsselung hier Anfang der 1990er-Jahre noch gar nicht vorgesehen hat."
Rückschlüsse auf Einzelne ausgeschlossen
Der Dlf-IT-Experte Peter Welchering sieht aktuell keine Gefahr, dass die Daten, die von der Telekom an das RKI weitergegeben wurden, Rückschlüsse auf das Bewegungsprofil einzelner Smartphone-Nutzer zulassen.
"In diesen Bewegungsdaten sind keine individuellen Bewegungsprofile mehr enthalten, sondern Bewegungen von Clustern, von größeren Menschengruppen. Es lässt sich also auch nur ablesen, ob sich in bestimmten Regionen mehr oder weniger Menschen auf kürzere oder längere Distanzen bewegen."
Solange keine Metadaten geliefert werden wie Ausgangspunkt und Endpunkt einer Bewegung, und solange das Cluster genügen groß ist, also möglichst viele Menschen umfasst, sei eine Rückrechnung vollkommen unpraktikabel, so Welchering im Dlf.
Anders könnte das bei der Go-Health-App und deren Infektionshotspots aus.
"Da könnte rein technisch gesehen aus den verwendeten Rohdaten individuelle Bewegungsprofile und Kontakte errechnet werden. Deshalb müssen da Vorkehrungen getroffen werden, dass das nicht passiert, indem die Standortdaten nur anonymisiert auf die Plattform geladen und nach dem Hochladen sofort in einen Ortsdatensatz integriert werden."
Danach, so Peter Welchering, müssten die Rohdaten sofort gelöscht werden. Und für die künftigen Nutzer eine solchen Plattform müsste dann natürlich gelten:
"Von denen dürfen keine IP-Adressen getrackt werden, da dürfen keine Cookies überspielt werden. Und das in technischer und organisatorischer Hinsicht sicherzustellen, das ist schon nochmal eine Herausforderung. In die hat sich allerdings auch der Bundesdatenschützer eingeschaltet."
Deutschland mit Südkorea und China nicht vergleichbar
Aktuell wird auch hierzulande intensiver darüber diskutiert, dass die Ausbreitung des Coronavirus in China und Südkorea wesentlich durch die Smartphone-Überwachung seitens der Behörden gebremst wurde. Allerdings, so Peter Welchering, müsse man bei der Diskussion bedenken:
"Da gab es eine sehr einfach Ursachenzuweisung, die auch der Bundesdatenschützer schon kritisiert hat. Die sehr frühe Abschottung, die andere Siedlungsstruktur, andere Bevölkerungsstruktur wurden dabei in ihrer Auswirkung aufs Abflachen der infektionsrate völlig vernachlässigt."
Südkorea hat eindeutig Smartphone-Überwachung praktiziert, das zwar transparent gemacht, also sie haben gesagt wir tun das, und ergänzen das durch Videoüberwachung und Gesichtserkennung. Die Frage, die sich dann jedoch stelle, sei: Warum sollten wir eine solche Überwachungspraxis übernehmen, wenn wir sehen, dass datenschutzrechtlich abgesicherte, anonyme Verfahrensweisen, die unsere Grundrechte viel, viel weniger berühren, rein epidemiologisch zu ähnlichen Ergebnissen führen können."