Unschwer kann man hinter der Figur des Großvaters den Autor Breitbach erkennen, der als Ich-Erzähler den eigenen Untergang minutiös protokolliert. In einer maroden Monarchie angesiedelt, die dem damaligen und heutigen Belgien entspricht, ist dieser Roman kälteste Soziologie bei leuchtenster Prophetie – man erschauert fast, wenn man sich die belgischen Korruptionsskandale der letzten Jahre in Erinnerung ruft. Was in heutigen Politkrimis mit Versatzstücken der Filmdramaturgie hergestellt wird, erzeugte Joseph Breitbach 1962 noch mit sprachlicher Disziplin. Ein immer stärker werdender Sog geht von seiner nüchternen Beschreibungsprosa aus, die ganze Schlüsselszenen indirekt referiert, als Fest des geschliffenen Konjuktivs. Obwohl der Ost-West-Konflikt mit Sowjetspionage ebenso überholt ist, wie sich die gesellschaftlichen Konfliktfelder rund um Ehebruch und Homosexualität beruhigt haben, liest sich der "Bericht über Bruno" als Leitfaden für politische Aufsteiger. Breitbachs tiefschwarzes Menschenbild kannte nur käufliche oder erpreßbare Typen – die beiden Seiten der Manipulation; eine dritte schien ihm undenkbar.
So bekommt der hoch dotierte Breitbach-Preis einen höhnischen Aspekt: Nicht um Literaturförderung ging es dem reichen Zyniker, sondern um Standhaftigkeit. Wer immer als Literat etwas taugt, darf sich – ebensowenig wie ein Politiker – von einer läppischen Viertelmillion Mark nicht korrumpieren lassen. Der Jury sei ans Herz gelegt, potentiellen Preisträgern zuerst den "Bericht über Bruno" zukommen zu lassen. Wer dann noch das Geld annimmt, darf sich der galligen Verachtung des Stifters gewiß sein. Zum Glück kann er vom Jenseits aus keine Ränke mehr schmieden.