Simon: Sie haben auch keinen Eindruck, ob er reden könnte, wollte?
Leyendecker: Ich hatte bislang den Eindruck, er seit tot. Von daher kann ich nicht sagen, dass ich den Eindruck habe, ob er reden kann. Bisher gingen eine Menge Leute davon aus, dass die Zielfahnder des Bundeskriminalamtes, die ja fünf Jahre hinter ihm her waren, ihn nicht fanden, weil er nicht mehr am Leben sei - er war ja auch ein kranker Mann. Das scheint alles ganz anders zu sein, und von daher werden auch die Karten in diesem Fall jetzt neu gemischt.
Simon: Der Mann war nicht tot. Er hat sich gut versteckt, und das fünf Jahre lang. Warum ist er nicht gefasst worden?
Leyendecker: Das ist eigentlich nur möglich, wenn man einflussreiche Freunde hat. Es gab immer die Vermutung in Fahnderkreisen, dass, wenn er noch am Leben sei, er mit Hilfe von Geheimdiensten sich verstecke. Er hatte gute Verbindungen nach Taiwan, auch nach China, in den Libanon, nach Frankreich, wo er mit früheren Geheimdienstlern auch geschäftlich zusammengearbeitet hatte. Es ist schon davon auszugehen, dass ein ehemaliger Präsident des Bundesamtes für den Verfassungsschutz dann doch im Laufe seines Lebens so viele Stützpunkte aufgebaut hat, dass er sich verstecken kann. Das sind dann die Leute, die ein bisschen zittern müssen, wenn sie ihm tatsächlich geholfen haben, dass das dann aufgedeckt wird.
Simon: Wenn Sie von einflussreichen Beschützern sprechen, meinen Sie das nur im Ausland?
Leyendecker: Also er hatte hier nicht mehr sehr viele Unterstützer. Es gab Freunde aus der alten Zeit: Der Kaufmann Dieter Holzer gehört dazu, der in der Affäre um Elf-Aquitaine eine Rolle spielte, ein Geschäftsmann mit vielen Wohnsitzen. Von dem ging die Augsburger Staatsanwaltschaft aus, dass er möglicherweise Fluchthelfer sei. Holzer hat wiederum ganz viele Verbindungen in die Union. Er gehörte zu den speziellen Freunden von Franz-Josef Strauss. Pfahls war ja auch mal Referent bei Fran-Josef Strauss. Holzer geht in Berlin bei Leuten der Union ein und aus. Da kann es schon sein, dass es Querverbindungen gibt. Nur hier zu sagen, das ist eine Person, die politisch bedeutsam ist, die ihm bei der Flucht geholfen haben könnte, das glaube ich nicht.
Simon: Es gab ja in den letzten Wochen schon Anzeichen dafür, dass Pfahls sich in Frankreich aufhielt und Kontakt eben zu deutschen Anwälten suchte. Können Sie sich das erklären?
Leyendecker: Ich habe zunächst gedacht, als die Meldung kam, die stimmt nicht. Aber wie man jetzt sieht, waren die Meldungen richtig. Erklären kann man sich das nur damit, dass er testen wollte, wann er eigentlich ohne Sorgen nach Deutschland reisen kann. Es gibt ja Verjährungsfristen. Zwei Vorwürfe gegen ihn, der eine Vorwurf ist Bestechlichkeit, der andere Steuerhinterziehung. Die Experten sagen, dass Bestechlichkeit vermutlich verjährt sei, dass er dem Vorwurf nicht mehr fürchten muss. Bei Steuerhinterziehung dauert der Vorwurf bis 2007. Also wenn er bis 2007 sich hätte verstecken können, würde ihm juristisch nichts passieren. Man wird sehen. Das Gericht hat die Anklage zugelassen. In der Anklage der Augsburger Staatsanwaltschaft ist die Rede davon, dass Pfahls bestechlich gewesen sei. Ob aber dann diese Entscheidung nach einer Hauptverhandlung dann Bestand vor dem Bundesgerichtshof hat, wird die Frage sein.
Simon: Was könnte denn mit Pfahls Hilfe aufgeklärt werden?
Leyendecker: Mit Pfahls Hilfe können im Wesentlichen zwei Dinge aufgeklärt werden. Das eine ist der Fall des Exports der Spürpanzer Fuchs nach Saudi-Arabien, und die Frage, wie es damals mit dem Schmiergeld war, wie es damals in der Bundesregierung genau ablief, wer wann behilflich war und warum er behilflich war. Der zweite Fall ist alles, was um Elf-Aquitaine, um den Ölkonzernkreis passiert ist, der ja in Frankreich Anfang der neunziger Jahre eine Menge Leute bestochen hat, der auch verwickelt war in der Privatisierung der Leuna-Raffinerie. Da geht man bislang davon aus, das hier kein Schmiergeld an Deutsche geflossen ist, sondern dass die französischen Manager letztlich das eingesteckt haben. Er kennt da viele Details, er hat unter anderem die Manager von Elf-Aquitaine 1992 ins Kanzleramt gebracht. Er hat da wichtige Verhandlungen geführt. Das sind die beiden Hauptaffären. Außerdem gibt es eine Menge Rüstungsprojekte, egal ob Taiwan, Indonesien mit denen zu tun hatte, bei denen auch Bestechungsgelder geflossen sein sollen. Man hat es selten, dass jemand, der politisch recht weit oben angesiedelt ist, in solche Affären verstrickt ist.
Simon: Wenn er nichts sagt, was könnte ihm maximal drohen?
Leyendecker: Das hängt davon ab, ob tatsächlich die Bestechlichkeit bleibt. Ich glaube nicht, dass sie wegen der Verjähungsgeschichte bleibt. Dann bleibt der Vorwurf der Steuerhinterziehung. Man weiß ja nicht, wie es bei Gerichten zugeht, aber das wäre eine Haftstrafe von drei bis dreieinhalb Jahren.
Simon: Wie sehen Sie denn die Chancen für eine Neuauflage des Spendenuntersuchungsausschusses? Der ist ja indirekt und direkt auch mit den Dingen befasst, die Pfahls betreffen. Bis jetzt hat sich ja nur Hans-Christian Ströbele dafür ausgesprochen.
Leyendecker: Also dafür wird es keine Mehrheit geben. Ich halte das auch nicht für sehr sinnvoll, das jetzt alles wegen Herrn Pfahls noch mal aufzurollen. Natürlich sind wichtige Fragen ungeklärt geblieben, was in der Bundesregierung war. Nur es gibt ja die Justiz, und sie hat die Aufgabe, dieses aufzurollen, in einer Hauptverhandlung zu klären. Ich sehe also nicht, dass der Spendenuntersuchungsausschuss viel Sinn machen würde, und es wird ihn auch nicht geben, weil es auch dafür keine Mehrheit geben wird.
Simon: Danke für das Gespräch.