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David aus dem Borschtsch-Gürtel

Wohl kein Mensch verkörpert die Kunst der Unterhaltung derart in Reingestalt wie der US-Entertainer Danny Kaye. Jahrzehntelang setzte er Maßstäbe auf Bühne und Leinwand oder auch in seiner anarchischen "Danny Kaye Show". Es war ein Aufstieg von ganz unten nach ganz oben.

Von Katja Nicodemus |
    "Hello?"

    Er konnte singen, tanzen, schauspielern, improvisieren, Orchester dirigieren, Flugzeuge fliegen. Nicht nur Privatjets, sondern auch mal eine DC-10. Er war der einzige Koch, der außerhalb Frankreichs die französische Staatsmedaille für Köche verliehen bekam. Und er war imstande, die Wunde nach einer Herzoperation zu vernähen.

    Was eigentlich konnte Danny Kaye, alias David Kaminsky, der am 18. Januar 1913 als Sohn eines bitterarmen ukrainischen Schneiders in Brooklyn geboren wurde und zu Amerikas erfolgreichstem Komiker der 40er-, 50er-und 60er-Jahre werden sollte, nicht?

    Mit 13 Jahren brach Kaye, der von seinen amerikanischen Klassenkameraden als Jude gehänselt wurde, die Schule ab und machte bald als Stand-up-Comedian Karriere, im sogenannten Borscht-Belt, in den Feriensiedlungen osteuropäischer jüdischer Emigranten. Danach eroberte er die New Yorker Comedy-Clubs im Sturm. Und dass er sogar Russisch sprechen könnte, glaubten die Zuschauer, die ihn 1941 in dem Broadwayhit "Lady in the Dark" sahen. In dem Musical sang Kaye ein Lied namens "Tschaikowski", bestehend aus den Namen von 57 russischen Komponisten, die er in 38 Sekunden herunterratterte.

    Es war Danny Kayes spätere Ehefrau Sylvia Fine, die diesen und andere Songs für ihn maßschneiderte. Songs, in denen er mit zungenbrecherischem Talent, kalauerndem Witz und natürlicher Selbstironie das Publikum zum Toben brachte. Hollywood in Gestalt der Produzentenlegende Samuel Goldwyn wurde aufmerksam auf Danny Kaye, der sich in Kalifornien aber zunächst nicht sehr willkommen fühlte.

    "Die ersten drei Dinge, die Sam Goldwyn über mich sagte, waren: Wir müssen schauen, wie wir mit diesem Jungen umgehen, denn er sieht nicht gut aus, er kann nicht spielen, und er hat keinen Sex-Appeal."

    Letztlich lag Goldwyn, der alte Showbiz-Hase, gar nicht so falsch. Danny Kaye konnte spielen, aber er spielte eben stets auch die Parodie des Schauspielens mit. Und statt Sex-Appeal hatte er jene jungenhafte, ewig kindliche Ausstrahlung, die am Überzeugendsten in den Rollen von unschuldigen Toren wirkte. In "Der Hofnarr" zum Beispiel, der sich über das Genre der amerikanischen Ritterfilme mokiert. Oder als Titelheld in der 1947 gedrehten Komödie "Das Doppelleben des Herrn Mitty", wo er sich als Muttersöhnchen in die Figuren tollkühner Abenteurer hineinträumt. Für seine beste Freundin Shirley McLaine war der Part des Fantasten auch die Lebensrolle des Privatmenschen Danny Kaye:

    "Danny was literally Walter Mitty and lived that way."

    Danny Kayes umwerfender Erfolg beruhte auf der Verbindung von perfektem Handwerk, jüdisch-europäisch geprägtem Witz und der leichtfüßigen Verkörperung des amerikanischen Traums. Der Aufstieg von ganz unten nach ganz oben, von Brooklyns Armenviertel in den Olymp des Showbiz, verband ihn mit dem ebenfalls aus ärmlichsten Verhältnissen stammenden Louis Armstrong. Anfang der 60er-Jahre war Armstrong Stammgast in der legendären Danny Kaye Show. Ihre gemeinsamen Duette gehörten zu den Sternstunden der US-amerikanischen Fernsehunterhaltung.

    Auf dem Zenit seines Ruhms eroberte Kaye auch Europa. Während einer Tournee versetzte er London in einen wahren "Kaye-Taumel". Die Londoner Times schrieb, die Stadt sei nun nicht mehr die selbe, und sogar Winston Churchill erwies ihm die Referenz.

    "Er kam nach der Show, er gab mir die Hand und er sah mich eine lange Sekunde an und sagte: Junger Mann, Ihre Kontrolle über das Publikum ist erschreckend. Sie wären ein großartiger politischer Gegner für mich gewesen."

    Es hat eine gewisse Logik, das Danny Kaye, der große Junge, der 1987 mit 74 Jahren in Los Angeles starb, jahrzehntelang als Unicef-Botschafter und als Spendeneintreiber für das Kinderhilfswerk arbeitete. Er wisse, wie sich ausgestoßene Kinder fühlten, sagte er. Und fast überflüssig, es zu sagen: Deutsch konnte das ausgestoßene Kind von einst, das die Welt stets spielerisch in Besitz nahm, natürlich auch.