11. Januar 2024
Die internationale Presseschau

Die Bauernproteste in Deutschland und die Lage in Ecuador werden kommentiert. Erstes Thema ist aber die Klage Südafrikas gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag wegen Völkermord-Vorwürfen.

Den Haag: Palästinensische Sympathisanten bei Demonstrationen gleichzeitig bei der Anhörung vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) zu einer Völkermordbeschwerde Südafrikas gegen Israel.
Demonstrationen während des internationalen Völkermordverfahrens gegen Israel in Den Haag. (picture alliance/ANP/Robin Utrecht)
Die Anhörung hat heute begonnen. Die südafrikanische Zeitung THE CITIZEN schreibt: "Auch wenn einige Rechtsexperten und eine Reihe internationaler Behörden die Argumente Südafrikas für begründet halten, kann der Gerichtshof nicht einfach eine Anordnung zum Waffenstillstand erlassen. Es ist auch unwahrscheinlich, dass er eine endgültige Entscheidung darüber trifft, ob die Angriffe auf Gaza der rechtlichen Definition von Völkermord entsprechen. Es wird aber interessant sein, die Gegenargumente Israels zu hören. Der Fall muss anhand der Fakten entschieden werden und nicht anhand der Frage, ob sich Südafrika in etwas einmischen sollte, das es nichts angeht. Hoffentlich wird die Gerechtigkeit siegen", bemerkt THE CITIZEN aus Johannesburg.
"Der Versuch Südafrikas, den Krieg juristisch zu prüfen und eine unabhängige Bewertung anzustreben, ist ein beispielhafter Versuch der Deeskalation", ist in einer Kolumne in der neuseeländischen Zeitung THE POST zu lesen: "Eine Verfügung, 'alle völkermörderischen Handlungen gegen die Palästinenser zu unterlassen', wäre ein Wendepunkt in der Geschichte. Sie würde bestätigen, was Millionen von Menschen mit eigenen Augen sehen können: Die flächendeckende Bombardierung des nördlichen Gazastreifens, die ausbleibenden Lieferungen von Wasser, Strom und Hilfsgütern sowie die Äußerung von Völkermordabsichten sind falsch. Aber vielleicht noch bedeutsamer als die Verfügung wäre die daraus entstehende Verantwortung anderer Nationen, Maßnahmen zu ergreifen" heißt es in der Zeitung THE POST aus Wellington.
Die belgische Zeitung DE STANDAARD erwartet: "Es ist wahrscheinlich, dass Israel jedes Urteil gegen sich ablehnen wird. In jedem Fall erhöht es den Druck auf Israel, die humanitäre Hilfe für Gaza zu verstärken. Der Staat Israel selbst war 1948 - aus verständlichen Gründen - der größte Befürworter der Völkermord-Konvention. Die Symbolik des südafrikanischen Vorstoßes ist dementsprechend groß. Allein die Entscheidung des Gerichtshofs, dass der Fall verhandelt wird, ist eine schmerzliche Niederlage für Israel", meint DE STANDAARD aus Brüssel.
Zwei Gastkommentatoren der israelischen Zeitung JERUSALEM POST schätzen das Vorgehen Südafrikas so ein: "Indem Israel und nicht die Hamas angeklagt wird, stellt dieser Antrag Geschichte und Realität auf den Kopf und verdreht Fakten und Gesetze. Während Israel bestrebt ist, die Zahl der zivilen Opfer zu minimieren, versucht die Hamas in ihrer makabren Grausamkeit, sie zu maximieren. Südafrika steht auf der falschen Seite der Geschichte."
Die russische Zeitung NESAWISSIMAJA GASETA befasst sich angesichts von Bauernprotesten und Bahnstreik mit der Lage in Deutschland: "Der Regierung geht es vor allem darum zu verhindern, dass sich die Proteste zu einer Massenbewegung wie im Falle der französischen Gelbwesten entwickeln. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland ist aus verschiedenen Gründen sowohl mit Bundeskanzler Scholz als auch mit der Regierung insgesamt unzufrieden. Unter solchen Bedingungen kommt es normalerweise zu einem Regierungswechsel. Die Frage ist, wer Scholz ersetzen würde." So weit die NESAWISSIMAJA GASETA aus Moskau.
Die KLEINE ZEITUNG aus Österreich betont: "Mit großem Verständnis können die Bauern nicht rechnen. Seitdem sie gegen die Kürzung ihrer Begünstigungen auf die Barrikaden steigen, verwenden ihre Gegner in Politik und Medien den Hauptteil ihrer Energie darauf, nachzuweisen, dass die Proteste von rechtsradikalen Elementen unterwandert sind. Wer gesetzestreu demonstrieren will, der melde gefälligst eine Demonstration an, schallt es ihnen aus denselben Feuilletons entgegen, die unverdrossen die Blockaden der Klimakleber als den Aufschrei von verzweifelten jungen Leuten preisen, die die Welt vor der drohenden Apokalypse retten wollten. Wen wundert’s, wenn die auf solcherlei Weise zweifach Delegitimierten sich verbittert von den etablierten Parteien ab- und den Kräften an den Rändern zuwenden?", gibt die KLEINE ZEITUNG aus Graz zu bedenken.
Das LUXEMBURGER WORT plädiert dafür, mit Fakten gegen Populismus vorzugehen: "Je mehr Einordnung, Transparenz und Belegbarkeit in den Hintergrund rücken, um so einfacher haben es Populisten, mit schnell getakteten Halbwahrheiten oder auch Lügen zu punkten. Doch die Bedrohung der Debattenkultur und damit der Demokratie bleibt auf täglicher Basis erhalten. Und sich ihr entgegenzustellen, ist Sache von uns allen. Populisten haben es zu einfach, mit schnell getakteten Halbwahrheiten zu punkten."
Nun nach Ecuador, wo es zu massiver Gewalt durch kriminelle Banden kommt. Die Zeitung EL UNIVERSO aus Guayaquil fasst zusammen: "Ecuador befindet sich im Ausnahmezustand. Präsident Noboa hat zu diesem Mittel gegriffen, um das organisierte Verbrechen zu bekämpfen. Die Polizei geht mit der Unterstützung des Militärs vor, während das Land weiter von Gewalt erschüttert wird. Zweifelsohne unterstützen die Bürger die Polizei, die Armee und alle Staatsorgane, um Frieden und Ordnung wiederherzustellen. Das erfordert allerdings auch ein besonnenes Vorgehen seitens der Menschen. Denn die Verbreitung von Desinformationen über soziale Netzwerke begünstigt nur das organisierte Verbrechen", mahnt EL UNIVERSO aus Ecuador.
"Ecuador ist offiziell in den Krieg gegen sich selbst eingetreten", so formuliert es die Zeitung LE TEMPS aus Genf der Schweiz: "Bis vor kurzem hatte Ecuador das Image einer friedlichen Oase in den Anden. Dieses Bild ist jedoch falsch, wie der Ausbruch der Gewalt zeigt, der durch Falschmeldungen, Ängste und politische Instrumentalisierungen, die über die Netzwerke verbreitet werden, noch verstärkt wird."
PRENSA LIBRE aus Guatemala erinnert: "Ecuador ist ein Tropenstaat mit überfüllten Gefängnissen, die von Verbrecherbanden kontrolliert werden. Es ist ein Land, in dem Drogenhändler ganze Bereiche des öffentlichen Lebens kontrollieren, foltern und morden, während der Staat durch Abwesenheit glänzt. Es ist ein Land, in dem die Institutionen immer schwächer und immer korrupter werden. Das alles hat den Nährboden für die aktuelle Krise gebildet. Die Entwicklung sollte als Warnung für andere Länder dienen", kommentiert PRENSA LIBRE aus Guatemala-Stadt.
Die kolumbianische Zeitung EL ESPECTADOR unterstreicht: "Mit der Ausrufung des Ausnahmezustands hat der noch junge und unerfahrene Präsident Noboa zum Frontalangriff gegen das organisierte Verbrechen geblasen. Dabei ist die Polizei selbst von den Banden unterwandert, die Justiz ist untätig, die Mordrate liegt auf Rekordhöhe und viel zu viele Täter gehen straffrei aus. Aber der schlimmste Irrtum wäre es, wenn Ecuador zu einem autoritären Staat werden würde. Vielmehr muss Ecuador seine Institutionen stärken, die Gefängnisse unter Kontrolle bringen und die Korruption effektiver bekämpfen", verlangt EL ESPECTADOR aus Bogotá.
Zum Abschluss noch ein Kommentar aus der Zeitung THE POINT, die in Gambia erscheint. Sie fordert die Regierung dort auf, mehr Arbeitsplätze zu schaffen, um illegale Migration zu verhindern: "Afrika hat die Voraussetzungen dafür, für ausreichend Nahrung zu sorgen und die Lebensbedingungen seiner Bürger zu verbessern. Schlechte Führung, Gier und Korruption machen diese Vision aber unerreichbar. Es ist traurig, dass Gambia wie die meisten afrikanischen Länder Millionen an einige wenige korrupte Beamte verliert. Die Regierung muss umdenken und eine solide Politik sowie jugendfreundliche Initiativen entwickeln, um das Leben ihrer Bürger zu verbessern. Das können wir schaffen, anstatt tatenlos zuzusehen, wie unsere Jugend in den Weiten der Sahara und auf dem Meer stirbt."