22. Februar 2024
Die internationale Presseschau

Die uns vorliegenden Zeitungen befassen sich insbesondere mit der gemeinsamen Rüstungspolitik in der Europäischen Union. Außerdem geht es um den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und den in Großbritannien inhaftierten Wikileaks-Gründer Assange.

Ein Luft-Boden-Marschflugkörper "Taurus" und dahinter ein Tornado.
Die Marschflugkörper "Taurus" starten von Flugzeugen aus und fliegen dann mit eigenem Antrieb ins Ziel. (picture alliance / dpa / Jörg Carstensen)
Über den Streit zwischen den EU-Staaten über die Höhe der Einzahlungen in den gemeinsamen Rüstungsfonds schreibt die österreichische Zeitung DER STANDARD: "Es geht nicht um Träumerei, sondern um Krieg: Waffen für die Ukraine. Das Nachbarland braucht sie dringend zur Verteidigung. Fünf Milliarden Euro sind viel Geld. Wenn man aber bedenkt, dass die Regierungschefs zugleich auch Kredit- und Direkthilfen von 50 Milliarden Euro für die Ukraine im Zivilbereich bis 2027 fixierten, ist es überschaubar. Das starke Deutschland müsste 1,4 Milliarden übernehmen: Das sind Peanuts bei 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr. Österreich zahlt 130 Millionen – so viel kostet ein bewaffneter Eurofighter. Man könnte also annehmen, dass das angesichts eines drohenden Untergangs der Ukraine für alle bewältigbar wäre. Aber Berlin und die Regierung in Paris gingen in den Clinch, neben einigen Osteuropäern, die zwar mutig reden, aber wenig zahlen wollen", heißt es im Wiener STANDARD.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG ist der Ansicht: "Das Bittere ist, dass die deutsche Regierung im Vorjahr mit einer entschiedeneren militärischen Unterstützung gezögert hat. Sie fürchtete einen ukrainischen Erfolg, der Russland weiter provoziert hätte. Für die Ukraine ist das nach hinten losgegangen. Sie steckt in einer dramatischeren Lage als 2023. Nun droht ein weiterer russischer Vormarsch. Bei der Taurus-Inszenierung in Berlin muss endlich der Vorhang fallen."
Die polnische Zeitung die RZECZPOSPOLITA argumentiert: "Deutschland trägt derzeit nicht nur die materielle Verantwortung für die Finanzierung der erhöhten Verteidigungsfähigkeiten der europäischen NATO-Staaten, insbesondere an der Ostflanke, sondern auch gegenüber der Ukraine für die Kriegsschäden, die durch die Invasion Russlands verursacht wurden. Dies ist die gesamtschuldnerische materielle Verantwortung Deutschlands und Russlands. Ohne die absurde russophile Politik Deutschlands wäre die russische Invasion in der Ukraine nicht möglich gewesen", betont die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Die belgische Zeitung DE STANDAARD beklagt die aus ihrer Sicht mangelhafte militärische Unterstützung der EU für die Ukraine: "Das europäische Versprechen, der Ukraine bis Ende März eine Million Schuss Artilleriemunition zu liefern, wird nicht eingehalten - obwohl die Industrie signalisiert, dass sie über zusätzliche Kapazitäten verfügt und auf Aufträge wartet. Aber auch die Umsetzung des fünf Milliarden Euro umfassenden Plans, der es den EU-Mitgliedstaaten ermöglichen soll, Kiew schneller zu beliefern, kommt nur sehr schleppend voran. Deutschland meint, es solle zu viel zahlen. Frankreich meint, das Geld solle nur an europäische - sprich französische - Waffenfabriken fließen. Das europäische Gezänk könnte zu einer verhängnisvollen Zeitverschwendung führen", unterstreicht DE STANDAARD aus Brüssel.
Die schwedische Zeitung GÖTEBORGS-POSTEN meint zu den Äußerungen des US-Präsidentschaftsbewerbers Trump, dass er Nato-Bündnispartnern mit geringen Verteidigungsausgaben im Fall eines russischen Angriffs keine amerikanische Unterstützung gewähren würde: "Viele haben diese Aussage zu Recht verurteilt, die die Glaubwürdigkeit des Verteidigungsbündnisses untergräbt und seine Feinde ermutigt. Gleichzeitig sollten wir wohl auf die Botschaft hören. Trump ist nicht der erste US-Präsident, der gegen sicherheitspolitische blinde Passagiere wettert. Barack Obama versuchte mehrmals, die Nato-Staaten dazu zu bewegen, mehr für ihre nationale Verteidigung auszugeben. Das Problem mit Obama war, dass er so wortgewandt und höflich war, dass seine Forderung nicht ernst genommen wurde. Trumps brutale Rhetorik hat sich als erfolgreicher erwiesen. Seine erste Amtszeit als Präsident führte tatsächlich dazu, dass die Nato-Länder insgesamt ihre Verteidigungsausgaben erhöhten", erinnert GÖTEBORGS-POSTEN.
Nach Einschätzung der chinesischen Zeitung HUANQIU SHIBAO ist Europa mitverantwortlich für den Krieg in der Ukraine: "Zwei Jahre dauert der Krieg zwischen Russland und der Ukraine an. Ganz Europa leidet darunter und trägt gleichzeitig Mitverantwortung dafür, dass der Konflikt kein Ende nimmt. Die Gefahr besteht sogar, dass er außer Kontrolle gerät. Zweifellos ist diese Entwicklung die größte Niederlage der europäischen Diplomatie seit dem Ende des Kalten Krieges. Es kann kein geopolitisch stabiles Europa geben, ohne eine enge Bindung an Russland. Dabei hat die EU entscheidende Fehler gemacht. Mit einem strategischen Sicherheitsabkommen mit Moskau und ohne die rücksichtslose Nato-Osterweiterung gäbe es diese Krise nicht. Die Tragik in Europa besteht darin, dass es an einer eigenständigen Sicherheitspolitik fehlt", glaubt HUANQIU SHIBAO aus Peking
Zu den Ambitionen Russlands schreibt die aserbaidschanische Zeitung MÜSAVAT: "Moskau geht von dem Prinzip aus: Ich bin stark, deshalb kann mir nichts passieren. Deshalb wird Russland, wenn seine neoimperialistischen Interessen nicht befriedigt werden, die Ukraine nicht aus der Hand geben. Nicht umsonst tauchen in den kremlnahen Medien immer wieder provokative Äußerungen oder Gebietsansprüche auf, oder es ist die Rede vom illegalen Austritt verbündeter ehemaliger Sowjetrepubliken insbesondere Kasachstans. Putin verfolgt offensichtlich das Projekt 'UdSSR-2'. Auch Aserbaidschan könnte davon betroffen sein", warnt MÜSAVAT aus Baku.
Nach dem Tod des russischen Oppositionellen Nawalny analysiert die norwegische Zeitung VERDENS GANG die Lage in Russland: "Vor zehn Jahren durfte Nawalny noch an Massenprotesten gegen Putin teilnehmen und später in der Politik kandidieren. Würde er heute noch leben, wäre das undenkbar. Mit Nawalnys Tod scheint Putins Werk vollendet. Fast die gesamte Opposition im eigenen Land ist zum Schweigen gebracht worden. Kritik wird nicht zugelassen, und wenn sich in Russland etwas ändert, dann in die Richtung von noch mehr Autoritarismus. Inzwischen werden selbst ältere Frauen schikaniert, die Nawalny gedenken wollen. Der alternde Diktator will sogar verhindern, dass sie Blumen ablegen. Aber das ist genau das Gegenteil der Machtdemonstration eines beliebten Anführers: Es sind dies die Taten eines paranoiden und pathetischen Diktators. Seine Kritiker riskieren Gefängnisstrafen und ihr Leben, wenn sie für ein anderes Russland eintreten. Aber die Wahrheit ist, dass Putin selbst Angst um sein eigenes Leben hat", glaubt VERDENS GANG aus Oslo.
In einem Gastkommentar der portugiesische Zeitung DIARIO DE NOTICIAS heißt es: "Nawalnys Tod ist ein Signal Putins an die übrige Welt. Als wolle er sagen: Seht her, ich kann alles machen. Auch will Putin nicht nur Teile des ukrainischen Territoriums, sondern er will das ganze europäische Projekt zerstören. Gleichzeitig wird der ukrainische Präsident Selenskyj nicht müde, seine Warnung zu wiederholen, dass die Lage auf dem Schlachtfeld immer schwieriger wird. Die Ukraine braucht Artilleriemunition und Anlagen für den Luftschutz sowie Waffen mit großer Reichweite", ist in DIARIO DE NOTICIAS aus Lissabon zu lesen.
Abschließend noch ein Blick in die KLEINE ZEITUNG aus Österreich, die das Verfahren in Großbritannnien gegen Wikileaks-Gründer Assange kritisiert: "Assange grub beharrlich und fand reichlich. Man muss ihn nicht zum Helden der Grauzone verklären, doch lebenslang als Rechnung für das Aufdecken menschenrechtswidriger Verbrechen wäre eine verheerende Botschaft. Man stelle sich die wahre Frage: Das Ringen um und das Vorlegen von Wahrheit sind im Journalismus höchste Güter – sollte das Aufdecken von Verbrechen in dieser verqueren Welt nicht auch insgesamt ein Auftrag sein? Vergehen, für die die Kriegsverbrecher bis heute nicht vor ein US-Gericht gestellt wurden, wohlgemerkt", unterstreicht die KLEINE ZEITUNG aus Graz.