01. Juli 2024
Die internationale Presseschau

Mit Stimmen zur Präsidentenwahl in der Islamischen Republik Iran und zum EU-Ratsvorsitz, den heute Ungarn übernimmt. Doch zunächst nach Frankreich. Dort hat der Rassemblement National die erste Runde der vorgezogenen Parlamentswahl für sich entschieden.

Die rechtspopulistische Politikerin Marine le Pen spricht zu den Anhängern des RN nach der Parlamentswahl in Frankreich.
Viel Zustimmung bei der Parlamentswahl für den RN von Marine Le Pen (picture alliance / dpa / MAXPPP / Maillard)
Die französische Zeitung LE FIGARO schreibt: "Präsident Macron hatte eine Mehrheit, zwar eine relative, aber immerhin eine Mehrheit. Macron wollte mit der vorgezogenen Parlamentswahl die Mitte wieder vereinen, die Linke spalten und den Rassemblement National isolieren: Alle seine Berechnungen haben sich als falsch erwiesen. Die Polarisierung bringt eine radikal neue politische Landschaft. Das Programm des Rassemblement National ist in vielerlei Hinsicht besorgniserregend. Und auf der anderen Seite stehen Antisemitismus, Islamismus, Klassenhass, Steuerhysterie. Die Neue Volksfront würde das Land in den Ruin stürzen", warnt LE FIGARO aus Paris.
Das WALL STREET JOURNAL empfiehlt seinen Lesern: "Sollten Sie jemals mit Emmanuel Macron in einem Kasino sein, dann ahmen Sie nicht seine Einsätze nach. Der französische Präsident zockte, indem er kurzfristig die Wahl zur Nationalversammlung ansetzte. Allerdings kam seine Partei im ersten Wahlgang nur auf einen schwachen dritten Platz. Das ist ein peinliches Ergebnis für Macron", findet das WALL STREET JOURNAL.
Die slowakische Zeitung PRAVDA beobachtet: "Macron setzte auf das Schüren von Angst vor dem Rassemblement National und der Partei La France Insoumise. Der größte Feind Macrons ist aber seine eigene antisoziale und neoliberale Politik und das rücksichtslose Durchsetzen von Gesetzen. Da wären zum Beispiel die Erhöhung des Rentenalters und das Leugnen von Problemen in ländlichen Regionen." Das war die PRAVDA aus Bratislava.
Die in China der kommunistischen Partei nahestehende Zeitung JIEFANG RIBAO aus Schanghai stellt fest: "Das Wahlergebnis ist eine Quittung der Franzosen für die schwache Leistung der Regierung unter Präsident Macron. Die Unterstützung der Bevölkerung hat Macron bereits bei der Wahl vor zwei Jahren verfehlt."
Die belgische GAZET VAN ANTWERPEN geht auf die Wahlbeteiligung ein: "Mehr als 65 Prozent der französischen Bürger haben ihre Stimme abgegeben. Die Befürworter des Rassemblement National wollten der Partei eine absolute Mehrheit verschaffen, damit sie endlich regieren kann. Die Gegner wollten das um jeden Preis verhindern. Das Ergebnis zeigt, dass dies keiner der beiden Gruppen gelungen ist."
Die französische Zeitung LIBERATION bemerkt mit Blick auf die anstehende Stichwahl: "Wir laufen Gefahr, in eine noch nie dagewesene Periode einzutreten, in der die Machthaber nicht mehr Anhänger der liberalen Demokratie sind. Der Rassemblement National tritt zwar nicht mit einem Programm zur Abschaffung der Freiheiten an. Aber seine Machtpraxis wird zwangsläufig dazu führen. Wir dürfen uns nicht im Feind täuschen: Es kommt nicht der Faschismus, sondern einer seiner Nachfahren - einer seiner Avatare des 21. Jahrhunderts. Es ist der Illiberalismus, der lauert", mahnt LIBERATION aus Paris.
Auch das schwedische AFTONBLADET aus Stockholm blickt auf die Stichwahl: "Hoffentlich retten die Franzosen ihr Land am Sonntag erneut aus den Klauen des Rechtsextremismus. Bis dahin halten sie und der Rest Europas den Atem an."
Die polnische RZECZPOSPOLITA aus Warschau rechnet mit einer sogenannten Kohabitation: "Frankreich wird dann einen Regierungschef haben, der aus einem völlig anderen Lager kommt als der Präsident. Die Fünfte Republik war bereits dreimal in einer solchen Situation. Doch jedes Mal gehörten sowohl der Premierminister als auch der Präsident Parteien an, die gemeinsame Werte wie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit teilten."
"Was hat Frankreich, genauer gesagt Macron, mit Labourchef Sir Keir Starmer zu tun?", fragt der britische DAILY TELEGRAPH. "Sehr viel. Macron gewann 2017 zwei Drittel der Stimmen, 30 Prozent mehr als Le Pens Front National. Es war ein klarer Sieg, der zu beweisen schien, dass Frankreich ihn wollte und nicht die Alternative. Doch anstatt sich mit der Alternative zu befassen, ist Macron nun von ihr umgeben. Eine angeschlagene Wirtschaft, eine Einwanderung, die Wähler beunruhigt, und ein Regierungschef, der große Siege mit politischer Rechtschaffenheit verwechselt hat. Diesen Donnerstag wird Labour-Chef Starmer bei der vorgezogenen Parlamentswahl in Großbritannien wohl eine Mehrheit erringen. Aber er wird dies tun, ohne die Wähler davon zu überzeugen, dass seine Partei tatsächlich die Lösung ist. Wenn Starmer nicht lernt, dass es etwas anderes ist, Premierminister zu sein, als einen gemütlichen Club liberaler Progressiver zu führen, dann wird die Saat seines Untergangs schon bald aufgehen. So wie es beim Präsidenten der Fünften Republik der Fall war", kommentiert THE DAILY TELEGRAPH aus London.
Heute übernimmt Ungarn für sechs Monate den EU-Ratsvorsitz. Die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN konstatiert: "Bislang war ein Wechsel der EU-Ratspräsidentschaft eine Formalie. Dieses Mal ist es aber anders: Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban gilt als Freund von China, Russland und von Donald Trump. In den EU-Mitgliedstaaten wird bereits spekuliert, was Orban für den russischen Staatschef Putin tun könnte. Und die China-Politik der Europäischen Union könnte während der ungarischen Ratspräsidentschaft unterminiert werden. Es ist nicht auszuschließen, dass Ungarn seinen Einfluss missbraucht, um Sanktionen der EU (wie Strafzölle auf importierte Elektroautos) gegen China zu verhindern", überlegt NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.
Die SALZBURGER NACHRICHTEN raten zur Gelassenheit: "Eine EU-Ratspräsidentschaft hat in erster Linie organisatorische Aufgaben. Der Einfluss Viktor Orbans auf die Geschicke der Union wird sich daher in Grenzen halten. Aus der Sicht seiner Gegner wird er unangenehm und lästig sein (war er auch schon bisher) und er wird versuchen, für sich und sein Land herauszuholen, was herauszuholen ist. Gefährlich kann er dem Gefüge der Union wohl nicht werden", erwarten die SALZBURGER NACHRICHTEN.
Nun in den Iran. In der ersten Runde der Präsidentenwahl hat keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit erreicht, so dass es bald zu einer Stichwahl kommt. Die türkische Zeitung YENI SAFAK findet bemerkenswert: "... dass Massud Peseschkian die meisten Stimmen auf sich vereinen konnte. Der ehemalige Gesundheitsminister gilt als Reformer. Warum haben die iranischen Mullahs Peseschkian die Teilnahme an der Wahl erlaubt? Möglicherweise wollten sie der Weltöffentlichkeit zeigen, dass die Wahlen im Iran im Einklang mit pluralistischen demokratischen Werten stehen. Vielleicht dachten die Mullahs aber auch, dass die Legitimität der Wahl geschwächt würde, wenn alle Kandidaten konservativ wären. Die letzte Möglichkeit deutet darauf hin, dass die theokratische Führung im Iran beschlossen hat, mit einem kontrollierbaren, regimetreuen Reformer wie Peseschkian die Regierung aufzustellen. So könnte die Legitimität des Regimes wiederhergestellt und der wachsende Druck der Welt auf den Iran abgemildert werden", spekuliert YENI SAFAK aus Istanbul.
Die unter Kontrolle des Regimes in Teheran stehende Zeitung IRAN DAILY stellt das Ergebnis der anstehenden Stichwahl in den Kontext der Außenpolitik: "Der (konseravtive Kandidat) Jalili würde eine radikalere Haltung einnehmen. Jalili glaubt an die Neutralisierung der wirtschaftlichen Sanktionen gegen den Iran, indem er die Zusammenarbeit mit Nachbarländern und mit BRICS-Staaten wie Indien, China, Russland und Brasilien vertieft. Der Reformer Peseschkian dürfte hingegen nach Möglichkeiten suchen, das Atomabkommen von 2015 wiederzubeleben. Peseschkian dürfte auch nach Strategien suchen, um die negativen Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf die Beziehungen zwischen dem Iran und der EU sowie den USA abzumildern. Angesichts der Bedeutung des Iran in der Region ist der Ausgang der bevorstehenden Stichwahl für viele Länder von großem Interesse", fasst IRAN DAILY zusammen.