29. August 2024
Die internationale Presseschau

Heute mit Stimmen zum Antrittsbesuch des britischen Premierministers Starmer in Berlin, zu den bevorstehenden Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen und den Paralympics in Paris, die gestern Abend feierlich eröffnet wurden.

Bundeskanzler Olaf Scholz und der britische Premierminister Keir Starmer (Ansicht von der Seite) lächeln sich an
Der Premierminister Keir Starmer und Bundeskanzler Olaf Scholz wollen die Kontakte beider Länder wieder intensivieren. (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Ebrahim Noroozi)
Die britische Zeitung THE TIMES hebt die Bedeutung des geplanten bilateralen Abkommens zwischen Großbritannien und Deutschland hervor. "Der Besuch von Starmer in Berlin und seine Entschlossenheit, gemeinsam mit Bundeskanzler Scholz bis Ende des Jahres einen neuen deutsch-britischen Vertrag zu vereinbaren, kam nicht nur zur rechten Zeit. Er ist auch der erste wichtige Schritt im Rahmen des erklärten Wunsches des Premierministers nach einem 'größeren Neustart' der Beziehungen zu Europa. Starmer möchte die wirtschaftlichen Beziehungen zu Deutschland im Interesse der 'arbeitenden Menschen' in Großbritannien festigen - ungeachtet der Zwänge, die Berlin aufgrund seiner EU-Mitgliedschaft auferlegt sind. Da Großbritannien nicht mehr Mitglied der EU ist, kann es zwar niemals die Stütze sein, die sich Scholz vielleicht als Alternative zu Frankreich wünscht. Aber es kann immer noch ein wichtiger Verteidigungs- und Wirtschaftspartner sein - eine Vision, die beide Politiker teilen", unterstreicht die TIMES aus London.
Der britische DAILY TELEGRAPH ist sich sicher: "Gute Beziehungen zu Europas größter Volkswirtschaft sind sowohl für Deutschland als auch für Großbritannien wichtig. Aber die Vorstellung, dass Kanzler Scholz in der Lage ist, in Angelegenheiten, die in den Händen der gesamten EU liegen, etwas Sinnvolles anzubieten, ist absurd. Er könnte aber dazu gebracht werden, andere Mitgliedstaaten zu bitten, einige der Grenzkontrollen nach dem Brexit zu lockern", vermerkt der DAILY TELEGRAPH aus London.
"Starmer schaltet einen Gang höher", titelt die chinesische Zeitung JIEFANG RIBAO. "Nach einem Monat im Amt startet der britische Premier seine erste Auslandsreise, die zu den beiden wichtigsten Volkswirtschaften der EU führt, nämlich Deutschland und Frankreich. Starmer selbst beschreibt den Zustand von Großbritannien als 'äußerst ungesund'. London scheint dringend Hilfe von der EU zu benötigen, um aus der Misere zu kommen. In Berlin soll er mit dem deutschen Kanzler über eine engere Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft und Handel, Energie, Sicherheit und Technologie verhandelt haben. Starmer hat es verstanden, dass das Land allein seine Probleme nicht lösen kann, dass es neben den USA vor allem die EU als Partner braucht", meint JIEFANG RIBAO aus Shanghai.
Die russische Zeitung NESAWISSIMAJA GASETA interpretiert die Äußerungen von Starmer zur Unterstützung der Ukraine wie folgt: "Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Scholz sagte Starmer, dass sich die Position seiner Regierung zum Einsatz westlicher Waffen nicht von der Position des vorherigen Kabinetts von Rishi Sunak unterscheide: Die Ukraine dürfte damit keine Ziele tief im russischen Territorium angreifen. Ohne die Zustimmung der Briten sind alle Worte Selenskyjs über das Recht der Ukraine, selbst zu entscheiden, was sie angreift, dazu verdammt, Worte zu bleiben. Es war Großbritannien, das die Ukrainer mit Storm-Shadow-Raketen mit einer Flugreichweite von über 300 Kilometern versorgte. Ukrainische Piloten trainieren das Fliegen von F-16 auf britischem Boden, und London könnte den Einsatz dieser Flugzeuge gegen bestimmte Ziele verlangen", findet NESAWISSIMAJA GASETA aus Moskau.
Themenwechsel. Die spanische Zeitung EL PAIS befasst sich mit der Migrationsdebatte in Deutschland und den Konsequenzen für die bevorstehenden Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen. "Die Stimmung in der deutschen Einwanderungsdebatte ist zunehmend vergiftet, und es besteht die Gefahr, dass dadurch ultrarechten Kräften der Weg geebnet wird und die Regierungskoalition noch instabiler wird. Seit dem Anschlag von Solingen mit drei Toten sind immer mehr Töne zu hören, die zuvor noch tabu waren. So wird zum Beispiel offen gefragt, ob es einen direkten Zusammenhang zwischen Einwanderung und Kriminalität gibt. Für Druck sorgen außerdem die Landtagswahlen am Sonntag in Thüringen und Sachsen. Die offen fremdenfeindliche AfD führt dort in den Umfragen und könnte sogar die CDU überholen. Die AfD hat bereits Rathäuser und Kreistage erobert, hat aber noch nie in einem Bundesland regiert", hebt EL PAIS aus Madrid hervor.
Der Schweizer TAGES-ANZEIGER warnt: "Möglich ist, dass die AfD in den Landtagen ein Drittel der Sitze erobert. Was harmlos klingt, hätte enorme politische und praktische Bedeutung: Sie würde eine sogenannte Sperrminorität erreichen. Alle Entscheidungen und Wahlen, für die eine Zweidrittelmehrheit benötigt wird, könnten dann nicht mehr ohne konstruktives Mitwirken der AfD ablaufen. Die AfD ist keine Partei wie jede andere, schon gar nicht in Sachsen und Thüringen, wo der Verfassungsschutz sie als 'erwiesen rechtsextrem' einstuft. Sie will nicht an der Demokratie mitwirken, sondern arbeitet auf einen Umsturz hin - zu einem autoritären Regime nach ihrem Geschmack", ist im TAGES-ANZEIGER aus Zürich zu lesen.
Die schwedische Zeitung DAGENS NYHETER gibt zu bedenken: "Man möchte sich gar nicht erst vorstellen, wie es mit einer AfD auf den Fluren der Macht zuginge. Die Geschichte lehrt uns, dass ganz Europa betroffen ist, wenn in Deutschland etwas schief läuft. Sie lehrt uns aber auch, dass das moderne Deutschland ein erwachsenes und anständiges Land ist, das über Gegenkräfte und Ressourcen verfügt. Man kann Horrorszenarien entwerfen, bei denen in Berlin wieder Extremisten an der Macht sind. Man kann aber auch hoffen, dass sich das anständige Deutschland sammelt, alte Weisheiten überprüft - und Europa von den Sümpfen des Populismus wegführt", heißt es in DAGENS NYHETER aus Stockholm.
Gestern haben die Paralympics in Paris begonnen. Dazu schreibt die französische Zeitung LIBERATION: "Die Eröffnungsfeier auf den Champs-Elysées und dem Place de la Concorde sollte den Zauber der letzten Spiele fortsetzen, die Menschen erneut zum Träumen, Singen und Tanzen anregen. Die Paralympics, die im Vergleich zu den Olympischen Spielen oftmals in den Hintergrund treten, profitieren in diesem Jahr von der unglaublichen Begeisterung, die die letzten Spiele ausgelöst haben, sodass die Eintrittskarten ausverkauft sind. Die Spiele werden auch dazu beitragen, die Menschen mit Behinderungen in unserer Gesellschaft und die täglichen Schwierigkeiten, mit denen sie konfrontiert sind, ins Rampenlicht zu rücken", hofft die Zeitung LIBERATION aus Paris.
"In der französischen Hauptstadt sollen die bisher größten Paralympischen Spiele stattfinden", erinnert das luxemburgische TAGEBLATT und schiebt folgende Frage nach: "Aber werden sie auch etwas im Bewusstsein der Menschen ändern? Kann sich ein solches Event, das die Sichtbarkeit von Menschen mit Behinderung deutlich steigert, auch langfristig auf die Inklusion im Gastgeberland auswirken? Vieles hat sich in den letzten Jahren bewegt, einen wesentlichen Anteil daran haben zweifelsohne die Paralympics. Sie können tatsächlich ein wichtiger Anstoß zu Verbesserungen sein, auch wenn in vielen Bereichen noch immer sehr viel zu tun bleibt", notiert das TAGEBLATT aus Esch-sur-Alzette.
Die SOUTH CHINA MORNING POST aus Hongkong beobachtet: "Die Leistungen der Sportler mit Behinderung sind sensationell. Leider stehen sie immer im Schatten der Athleten der Olympischen Spiele. Die Paralympics fallen kleiner aus, werden nicht so stark gesponsert und haben viel weniger Zuschauer weltweit. Dabei hätten sie mehr verdient. Die Paralympics zeigen den Mut und die außergewöhnlichen Fähigkeiten von Menschen mit Behinderung überall auf der Welt, die so viel zur Gesellschaft beitragen. Sie schärfen das Bewusstsein für die Notwendigkeit von mehr Inklusion und für den Kampf gegen Diskriminierung", unterstreicht die SOUTH CHINA MORNING POST aus Hongkong. Damit endet die Internationale Presseschau.