Eine korrupte politische Klasse mit messerscharfen Worten zur Strecke zu bringen, adelt jeden Schreibenden. "Die Forderung Indiens nach dem Status einer Supermacht", heißt es da gallig, "ist so lächerlich wie die Forderung nach Teilnahme an der Fußballweltmeisterschaft, nur weil wir einen Ball haben." Zwar hinkt der Vergleich - wer Atombomben baut, ist kraft seines Zerstörungspotentials so oder so eine Supermacht -, doch an den unlauteren Motiven ändert das nichts. Mit den Augen der unterprivilegierten Bevölkerung betrachtet, lassen sich wenig lautere Motive in der indischen Politik ausmachen. Ob sie beim Staudammbau die Verelendung von Millionen billigend in Kauf nimmt, oder ob sie amerikanischen Konzernen den roten Teppich ausrollt, obwohl jeder denkende Mensch erkennen kann, dass die abgeschlossenen Verträge einseitig zu Lasten des Schwellenlandes gehen - die Elite behandelt den ihr anvertrauten Staat wie ein abzuwickelndes Beutestück. Böse Pointe am Rande: Jener amerikanische Konzern, den Arundhati Roy in einem Aufsatz des Jahres 2000 anprangerte, trägt den Namen "Enron", und seine aktuelle Pleite erspart dem indischen Volk möglicherweise zig Millionen politisch erpreßter Dollarschulden.
Vor diesem Hintergrund erstaunt die Kälte nicht, mit der diese indische Jeanne d'Arc den 11. September 2001 kommentierte und dafür weltweit Prügel bezog. Der eigentliche Affront lag allerdings nicht in der eher allegorischen Gleichsetzung von Bin Laden mit George Bush, sondern im gern überlesenen Satz vom "Nichtüberraschsein" der Dritten Welt, dass "jede Saat irgendwann auch aufgeht". Ob die USA weltweit Terror gesät haben oder nicht, bleibt dabei zweitrangig. Entscheidend ist, dass die Erste Welt zur Kenntnis nehmen sollte, was in den Schwellen- und Armutsländern unseres Planeten gedacht wird. Die vor Zorn bebenden Schriften Arundhati Roys gehören zur unbedingten Pflichtlektüre für jeden Globalisierungsdenker, denn bei allem Furor sind sie nicht einseitig. Die einheimischen Eliten kommen genauso schlecht weg wie die Weltbank, internationale Konzerne und die US-amerikanische Wirtschaftspolitik. Alle Vergröberungen der Pamphlete abgezogen, bleibt am Ende ein wunderbarer Imperativ in ganzen vier Worten übrig: "Kraft achten, nie Macht." Im Hinduismus könnte das als Mantra durchgehen.