23. September 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Themen sind die neue Regierung in Frankreich sowie der Reformplan für die UNO. Zunächst aber zur Landtagswahl in Brandenburg, bei der die SPD von Ministerpräsident Woidke knapp vor der AfD stärkste Kraft geworden ist.

SPD-Wahlparty zur Landtagswahl in Brandenburg: Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke hält eine Rede vor seinen Anhängern.
Brandenburgs Ministerpräsident und SPD-Spitzenkandidat Dietmar Woidke (IMAGO / dts Nachrichtenagentur / IMAGO / dts Nachrichtenagentur)
Der SÜDKURIER meint: "Dietmar Woidke hat hoch gepokert – und es hat sich gelohnt. Mit seiner Ankündigung, bei einer Niederlage gegen die AfD zurückzuziehen, ging er persönlich voll ins Risiko. Das dürfte bei den Wählern gut angekommen sein. Vor allem hat er seinen Amtsbonus als beliebter Ministerpräsident in die Waagschale geworfen. Hopp oder topp – ich oder die AfD. Es lässt sich also durchaus Wahlkampf führen gegen die AfD", stellt der SÜDKURIER aus Konstanz fest.
Der WESER-KURIER ergänzt: "Das gute Ergebnis liegt klar an den hohen Zustimmungswerten, die Woidke im Land genießt. Selbst viele Wähler des Koalitionspartners CDU waren der Meinung, dass der 62-Jährige seine Sache ordentlich gemacht hat. Aus diesem Grund haben viele ihn dann auch gleich gewählt. Die Resultate sind aber nicht allein auf persönliche Sympathien zurückzuführen. Woidke kann auch objektiv Erfolge vorweisen. So hatte Brandenburg zuletzt ein höheres Wirtschaftswachstum als Bayern zu verzeichnen", unterstreicht der WESER-KURIER aus Bremen.
Die RHEINPFALZ aus Ludwigshafen kommentiert: "Woidkes Triumph ist paradox: Die Bundes-SPD feiert einen Sieg, der nicht wegen Scholz gelungen ist, sondern trotz Scholz. Wenn aber die SPD nur noch Wahlen gewinnen kann, indem sie ihren Kanzler versteckt, dann hat die Partei ein ziemlich großes Problem."
In der LAUSITZER RUNDSCHAU heißt es: "Bis vor wenigen Tagen hatte die AfD noch wie die sichere Siegerin ausgesehen. Alles schien an ihr abzuperlen. Ihre Werte wuchsen, obwohl sie Antworten auf Schlüsselfragen der Zukunft schuldig blieb, obwohl ihr Spitzenkandidat Hans-Christoph Berndt Diskussionsveranstaltungen verließ oder dort die Contenance verlor. Nun ist die AfD immer noch eine Siegerin, aber eben nur noch zweite. Vielleicht stimmten Berndts zuletzt erneut offen fremdenfeindliche Äußerungen und der absurde Vorstoß, Menschen von privaten Sicherheitsfirmen quasi deportieren zu lassen, statt sie durch staatliche Ordnungsbehörden rechtmäßig abzuschieben, einige AfD-Sympathisanten doch um, die schon lange genug ob der Rechtsradikalen, Fremdenfeinde und Rassisten in der blauen Partei weggesehen hatten", überlegt die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus.
DIE WELT konstatiert: "Das Wahlvolk ist der Souverän, und er kommuniziert mit dem Erfolg für AfD und BSW, dass er nicht zufrieden ist mit der lausigen Wirtschaftspolitik, der schlampigen Migrationspolitik, der grotesken Identitätspolitik, der unambitionierten Bildungspolitik. Die Regierungsbildung in Brandenburg wird möglicherweise einfacher als in Sachsen oder Thüringen. Allein das hilft Scholz und wohl auch der Ampel, zumindest für die nächsten Tage", glaubt DIE WELT.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG sieht es so: "Woidke und nur Woidke ist es zu verdanken, dass die Sozialdemokratie in Brandenburg ihr desaströses Abschneiden in der Europawahl am 9. Juni wie auch die katastrophalen Ergebnisse bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen vergessen gemacht hat. Um die SPD vor einem neuerlichen Absturz zu bewahren, musste Woidke zur Bundesregierung im Allgemeinen und Bundeskanzler Olaf Scholz im Besonderen auf größtmögliche Distanz gehen. So betrachtet, geht von der Landtagswahl für die Ampelregierung wie für die SPD die vierte Schockwelle in Folge aus", meint die F.A.Z.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG analysiert: "Die etablierten Parteien müssten eben einfach 'liefern', heißt es in den Talkshows, aber niemand weiß, was das eigentlich bedeuten soll. Sollte die Politik die Migration besser managen? Sicher, aber ausgerechnet in Brandenburg leben viel weniger Flüchtlinge als im Bundes-Durchschnitt. Muss die deutsche Wirtschaft wieder zu Kräften kommen? Unbedingt, aber gerade in Brandenburg wuchs die Wirtschaft zuletzt so stark wie in keinem anderen Bundesland mit Ausnahme von Mecklenburg-Vorpommern. Es scheint wirklich um mehr zu gehen als um konkrete politische Maßnahmen. Hunderttausende Menschen in Deutschland haben offensichtlich den Eindruck, dass die Regierenden sie nicht mehr als 'die eigenen Leute' betrachteten, dass sich 'Berlin', 'die Ampel' oder speziell 'die Grünen' von ihrer Lebenswirklichkeit abgewandt hätten. Das Gefühl, von der Politik wenig wertgeschätzt und viel bevormundet zu werden, ist laut Studien unter AfD-Anhängern am weitesten verbreitet", unterstreicht die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Die BERLINER MORGENPOST vermerkt: "Um die Sorgen der Menschen vor Ort zu verstehen, lohnt es sich, ins ländliche Brandenburg zu fahren. Dorthin, wo die Menschen abgehängt sind, geografisch, wirtschaftlich, sozial. Wo es an vielem fehlt, vor allem aber an einem positiven Lebensgefühl. Es ist eine Leere, die die AfD mit Angst und Hass füllt. Aber diese Entwicklung ist nicht unumkehrbar. Es ist mühsam, nichts ändert sich von heute auf morgen. Es braucht viele große und kleine Impulse, durch Eigeninitiative genauso wie vom Staat. Ganz konkret vor Ort. Doch so, wie die AfD die Menschen langsam und schleichend für sich vereinnahmt hat, so lässt sich dieser Prozess auch umkehren. Es braucht nur Mut und Ausdauer und einen Staat, der die richtigen Rahmenbedingungen schafft. Und es braucht Politikerinnen und Politiker, die klar und deutlich sprechen und handeln. Olaf Scholz kann das nicht mehr sein", kommentiert die BERLINER MORGENPOST.
Nun nach Frankreich, wo die neue Regierung vorgestellt wurde. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG vermerkt: "Präsident Macron, der einst alles anders machen wollte, regiert jetzt mit einer konservativen Regierung. Macron, der die extreme Rechte immer verhindern wollte, hat nun Leute im Kabinett sitzen, deren Positionen nicht weit von denen Marine Le Pens abweichen. Ob es dem Präsidenten und seinem Premier so gelingt, das aufgebrachte Land zu befrieden? Eher unwahrscheinlich", glaubt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Und die TAZ unterstreicht: "Die neue Regierung kann nun jederzeit im Fall einer unheiligen Allianz der linken und rechtsnationalen Opposition anlässlich einer Vertrauensabstimmung gestürzt werden. Sie wird darum alle ihr zur Verfügung stehenden Verfassungsartikel einsetzen, um das Parlament zu umgehen. Der unzufriedenen Mehrheit im Land bleibt nach diesen Manövern der Staatsmacht nur der Protest auf der Straße." So weit die TAZ.
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU ergänzt: "In Paris wird erst Ruhe einkehren, wenn entweder Macron aufgibt oder in der Nationalversammlung ein Lager wieder eine Regierungsmehrheit hat. Neuwahlen sind aber laut Verfassung nicht vor Juni 2025 möglich. So lange wird sich Frankreich also durchhangeln müssen."
Zum Schluss ein Blick auf die UNO. In New York hat die Vollversammlung den sogenannten Zukunftspakt zur Reform der internationalen Ordnung angenommen. Die MEDIENGRUPPE BAYERN, zu der unter anderem die PASSAUER NEUE PRESSE gehört, kommentiert: "Als hirntot bezeichnete Frankreichs Präsident Macron die Nato. Will man im medizinischen Jargon bleiben, müsste den Vereinten Nationen leider die Diagnose Herztod gestellt werden. Auch wenn der von Deutschland mit ausgehandelte UNO-Reformplan – nicht ohne russisches Störfeuer natürlich – nun schließlich verabschiedet werden konnte, besteht wenig Anlass für eine hoffnungsvolle Prognose. Kanzler Scholz sprach in New York blumig von einem 'Kompass' für die Zukunft, und tatsächlich findet sich wenig mehr als Absichtserklärungen und fromme Wünsche. Dennoch bleibt das UNO-Konstrukt der beste aller schlechten Versuche, zu weltweit verbindlichen Regeln zu kommen. Es wäre schon eine gute Nachricht, wenn die UNO durch Reformbemühungen im künstlichen Koma verbliebe – auf dass ihr in Zukunft wieder Leben eingehaucht wird."