"Digitaler Faschismus, Herausforderungen für die offene Gesellschaft in Zeiten sozialer Medien", so heißt eine Studie, die vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Universität Hamburg in Auftrag gegeben wurde. Darin geht es um die Annahme, dass der stets mit dem Internet verbundene Freiheitsgedanke, also die Utopie einer durch die Digitalisierung aufgeklärteren Gesellschaft, nicht in Erfüllung gegangen ist. Stattdessen beobachte man im Internet Unmengen an reaktionären Inhalten, die mit viraler Geschwindigkeit Verbreitung fänden - darunter auch rechtsextremes Gedankengut. Besonders den sozialen Medien kommt dabei eine wesentliche Rolle zu, wie die Untersuchung ergab.
"Was wir in unserer Studie zeigen, ist, dass eben gerade Rechtsextreme die Verbindungen, die das Internet schafft, sehr stark für sich nutzen können", sagten die Konfliktforscher und Urheber der Studie, Maik Fielitz und Holger Marcks. Das Netz erlaube eine Kontaktaufnahme mit Menschen, mit denen man sonst nicht in Kontakt kommen würde, so die Forscher. Rechte Narrative von einer "Volksbedrohung" und angeblichen "Auslöschung des eigenen Volkes", ließen sich so sehr einfach in Umlauf bringen - auch Dank der Struktur der sozialen Medien, die keine neutrale Plattform darstellten. "Es ist auch so, dass die sozialen Medien selbst dazu neigen, Ängste zu verstärken", so die Konfliktforscher.
Neustrukturierung des Rechtsextremismus
Maik Fielitz und Holger Marcks beobachten darüberhinaus auch eine "Neustrukturierung des Rechtsextremismus": "Die Kommunikation und die Organisation funktioniert sehr stark über soziale Medien und ist nicht mehr so stark hierarchisch organisiert, wie wir das kennen. Deswegen hantieren wir auch mit dem Begriff des digitalen Faschismus", sagten die Forscher. Es ginge darum, gewisse Dynamiken loszulösen, die dazu beitrügen, dass sie diejenigen Menschen, die die Inhalte konsumierten gegenseitig manipulierten. Dahinter stecke die Idee einer Verselbständigung rechtsextremer Dynamiken. Dadurch entstünde ein sehr verzerrtes Bild der Realität, das wiederum rechtsextreme Parteien und Bewegungen auf der Straße nutzten.
Wir haben noch länger mit Maik Fielitz und Holger Marcks gesprochen –
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Außerdem beobachten die Forscher "eine Verquickung zwischen digitalen Kulturen, die visuell funktionieren über Bilder, über Ironie, über Spaß, die eben zusammengehen mit einer rechtsextremen Ideologie und versuchen eine digitale Hasskultur zu schaffen. Gefährlich daran sei, dass dadurch rechtsextreme Inhalte geschickt maskiert werden könnten. Daraus entstünde eine neue Normalität, die sich grundsätzlich von den faschistischen Dynamiken aus der Zwischenkriegszeit unterscheide.
Um sich den rechten Dynamiken in den sozialen Medien entgegenzustellen, müsste man die Strukturen dieser Medien angreifen, so die Konfliktforscher - und sich überlegen, was es bedeute, die Wahrheit und Relevanz der dort geteilten Inhalte, nach Likes zu messen.
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