EU und Olympia
Ein Boykott, den niemand so nennt

Die deutsche Bundesregierung tut sich schwer mit einer Haltung zu den Olympischen Winterspielen in China. Kanzler Olaf Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock hofften auf einen politischen Boykott der gesamten EU, der nicht zustande kam. Nun gibt es keine offizielle gemeinsame Linie.

Von Bettina Klein |
Die Flaggen der EU und Chinas hängen nebeneinander.
Die EU-Staaten haben sich nicht auf eine gemeinsame Linie gegenüber China und den Olympischen Winterspielen 2022 einigen können. (Alexey Vitvitsky/picture alliance/dpa/Sputnik)
Wie so viele in diesen Tagen erinnert sich auch Reinhard Bütikofer an den Sommer 2008. Die Proteste von Menschenrechtsaktivisten schon damals gegen die Olympischen Spiele in China. Die Beschwichtigungen der Unterstützer, diese Großveranstaltung mit ihrem hohen Medieninteresse würde ganz sicher zur Öffnung und zum Wandel im Land beitragen. Nichts davon ist eingetreten, im Gegenteil:
„Die Sommerspiele 2008 waren ein stolzer Aufbruch für China. Mit diesen Spielen hat sich China der Welt präsentiert als ein aufstrebendes Land. Heute präsentiert sich China als ein Land mit Dominanzgehabe."
Chinas Präsident Xi Jinping
Für Chinas Präsident Xi Jinping sind die Olympischen Winterspiele ein Propaganda-Instrument. (dpa/Andy Wong)

"Unterdrückung übertünchen"

Mit Blick auf die gesellschaftliche Selbstorganisation und die Rechte ehtnischer und religiöser Minderheiten habe es in China durchweg in diesen Jahren eine Rolle rückwärts gegeben, sagt Bütikofer, der Leiter der China-Delegation des Europäischen Parlaments:
"Wir thematisieren den Versuch, mit den Olympischen Spielen zu übertünchen, was es an sich verschärfender Unterdrückung in China gibt."
Das bedeute auch: Dominanzgehabe gegenüber Gästen, Journalisten, Sportlerinnen und Sportlern, in einer Weise wie man das von Olympischen Spielen nicht gewohnt sei. Sportler wurden offen bedroht, falls sie von der durch das IOC ohnehin schon beschränkten Meinungsfreiheit Gebrauch machen. Auch eine freie Berichterstattung  war schon vor den Spielen nicht möglich, wie der Verein ausländischer Journalisten in China beklagt. Kein Korrespondent, der nun anreist, könne frei aus dem ganzen Land berichten.

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Doch die Bundesregierung, der auch Bütikofers Partei  inzwischen angehört, hat sich nicht dazu durchringen können, einen diplomatischen Boykott zu unterstützen. Von der angestrebten gemeinsamen Linie auf EU-Ebene ist schon lange keine Rede mehr.
„Die Mitteilung man suche nach einer abgestimmten Linie, die hat meines Erachtens nie gestimmt. Das war einfach eine Ausrede, um sich durchzuwursteln."

Macron gegen Boykott

Denn von  dem Moment an als der französische Präsdent Macron einen diplomatischen Boykott als Symbolpolitik ablehnte, war klar dass es nie zu der abgestimmten EU-Linie kommen wird, von der auch Olaf Scholz immer wieder sprach:
„Wir werden Entscheidungen treffen, wenn sie anstehen, und das werden wir tun im Gespräch mit vielen anderen, mit denen wir befreundet sind."
Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron zu Besuch bei Bundeskanzler olaf Scholz  in Berlin
Kein gemeinsamer diplomatischer Olympia-Boykott: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, r) und Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron (Kay Nietfeld/dpa-Pool/dpa)
Da es ja auch keinen Boykott für die Sportler geben soll, sagte Macron noch Anfang Dezember, setze er lieber auf die Zusammenarbeit mit dem IOC.

"Keine Reisepläne"

Er sei nicht dafür die Dinge zu politisieren , besonders wenn es um kleine symbolische Maßnahmen geht, so der französische Präsident. Nun wird es einen Boykott geben, den niemand so nennt. Oder wie es Bundeskanzler Scholz diese Woche im ZDF formulierte:
Scholz: „Ich habe keine Reisepläne."
Interviewer: "Also sie werden Olympia nicht besuchen."
Scholz: "Ich habe keine Reisepläne. Deshalb kann man nicht davon ausgehen, dass ich plötzlich da auftaue, sage: 'Hallo, hier bin ich.'"

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"Bundesregierung versteckt sich"

Kritk kommt aus der CDU/CSU-Gruppe der EVP Fraktion im Europäischen Parlament. "Natürlich stehen wir hinter den Sportlerinnen und Sportlern die oft ihr ganzes Leben lang hart dafür trainiert haben", sagt die Europaabgeordnete Angelika Niebler:
„Aber ich denke, es ist wichtig, dass die Bundesregierung unter Olaf Scholz klare Kante zeigt, wenn es um die politische Einordnung geht. Anstatt wie andere EU-Partner die Olympischen Winterspiele in China wenigstens mit einem diplomatischen Boykott zu belegen, versteckt sich die Bundesregierung hinter der Uneinigkeit der Europäischen Union."

"Unterschied zu 2008 unübersehbar groß"

Kein Zeichen von besonderer Souveränität meint auch der grünen Politiker Reinhard Bütikofer. Und doch:
„Wenn ich mal nicht auf das schaue, was gesagt wird, sondern auf das schaue, was getan wird, dann ist der Unterschied zu den Spielen 2008 unübersehbar groß."

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Denn damals war die europäische Beteiligung noch weit verbreitet. Doch von der Hoffnung auf veränderte Verhältnisse in Folge der olympischen Spiele ist 14 Jahre später nicht mehr viel übrig.