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Europäische Arzneimittelagentur
Ein Prestige-Erfolg für die Slowakei?

Die europäische Arzneimittelagentur und die Bankenaufsicht müssen London wegen des Brexits verlassen. Heute will die EU entscheiden, wer den Zuschlag bekommt. Die meisten Länder haben schon mindestens eine der mehr als 40 EU-Agenturen. Die Slowakei ist bisher leer ausgegangen. Das soll sich ändern.

Von Peter Lange |
    Das Parlament und das Schloss der slowakischen Stadt Bratislava.
    Es wäre ein riesiger Prestige-Erfolg für das Land: Bratislava wirbt für sich als besonders gut zugängliche und preiswerte Stadt, die überdies genügend Arbeitsmöglichkeiten für die Familienangehörigen der Europäische Arzneimittelagentur bietet. (Uwe Gerig/dpa)
    Robert Fico, der Ministerpräsident, hat wohl eine Ahnung, was auf die Slowakei zukommen würde, wenn sie den Zuschlag bekäme: "Wir gehen mit aller Bescheidenheit in dieses Rennen. Denn uns ist voll bewusst, was für ein gewaltiger Brocken dies für das jeweilige Land ist."
    Der Brocken, das ist die Europäische Arzneimittelagentur, die London im Frühjahr 2019 verlassen soll. 19 EU-Länder haben sich um die Behörde mit ihren 900 Beschäftigten beworben, darunter auch die Slowakei. Es wäre ein riesiger Prestige-Erfolg für das Land, das zu den wenigen gehört, in denen noch gar keine EU-Institution angesiedelt ist.
    "Es sind klare Kriterien genannt, was von dem Land erwartet wird. Mit diesen Kriterien, so wie sie vereinbart wurden, bin ich im Grunde zufrieden."
    Denn aus Sicht des slowakischen Regierungschefs erfüllt Bratislava alle Anforderungen. Bratislava wirbt für sich als besonders gut zugängliche und preiswerte Stadt, die überdies genügend Arbeitsmöglichkeiten für die Familienangehörigen der EMA bietet. Und der Sitz der Behörde steht auch schon fest. Zuzana Eliášová, Sprecherin des Gesundheitsministeriums: "Nach Berücksichtigung aller Kriterien hat die Koordinierungsgruppe das im Bau."
    Das Gebäude steht - nur die Mitarbeiter wollen lieber woanders hin
    "Westend Plazza" heißt das Gebäude im Westen, nahe an der Autobahnausfahr D2 Richtung Tschechien. Bei einer erfolgreichen Bewerbung kann es laut Regierung rechtzeitig zum Frühjahr 2019 nach den Vorstellungen der EU fertiggestellt werden. Die Slowakei hat sich zudem verpflichtet, zwei Jahre die Miete und die Betriebskosten zu übernehmen.
    Die Mitarbeiter der EMA wollen allerdings lieber nicht nach Bratislava. Sie haben in einer Umfrage für westeuropäische Städte votiert. Zum Teil auch deshalb, weil sie Diskriminierungen befürchten in einem Land, in dem gleichgeschlechtliche Partnerschaften nicht anerkannt sind. Thomas Drucker, der slowakische Gesundheitsminister, hat zwar in Brüssel versichert, gleichgeschlechtliche Ehepartner hätten in seinem Land dieselben Rechte wie alle anderen Ehepartner auch. Aber Martin Macko von der Homosexuellen-Initiative "Inakost" - "Anderssein" - widerspricht energisch:
    "Die slowakische Regierung verspricht hier fremden Staatsangehörigen, dass sie irgendwelche Rechte haben werden, die nicht einmal slowakische Bürger haben. Das ist eine Schande und wahrscheinlich auch ein gebrochenes Versprechen."
    Bratislava gehört aus politischen Gründen zu den Favoriten
    Trotzdem: Bratislava wurde zuletzt zu den Favoriten gezählt - neben Mailand. Und da es sich auch um eine politische Entscheidung handelt, könnte auch eine Rolle spielen, dass sich die Slowakei in letzter Zeit als dezidiert pro-europäisch positioniert hat. Robert Fico, der Ministerpräsident gibt sich nach außen jedenfalls gelassen: "Wenn das Rennen fair ist und jemand bessere Bedingungen anbietet als wir, werden wir das voll respektieren. Wenn es ein unfaires Rennen ist, werden wir schreien."
    Soll heißen: protestieren. Unterstützt wird die Slowakei jedenfalls von Ungarn und Tschechien. Prag hat sich um die Europäische Bankenaufsicht beworben. Aber weil in der tschechischen Hauptstadt schon die EU-Agentur für globale Navigationssysteme sitzt, erkennt man dort an, dass die Slowakei die stärkeren Rechte hat. Außerdem gilt es als unwahrscheinlich, dass die Bankenaufsicht in ein Land vergeben wird, das nicht den Euro hat. Und den politischen Eindruck einer Art Morgengabe für einen künftigen Ministerpräsidenten Andrej Babiš will man vermutlich auch vermeiden.