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Gegenleistung für Drittmittel

Der Hochschulrat entspricht einem universitären Aufsichtsgremium, das zum einen Kontrollaufgaben hat, zum anderen sich an der strategischen Planung einer Hochschule beteiligen kann. Die Uni Duisburg-Essen hat nun in einer Erhebung herausgefunden, dass eine Vielzahl dieser Räte wesentlich von Wirtschaftsvertretern dominiert wird.

Von Hilde Braun |
    "Wenn eine Gruppe einen relativ großen numerischen Anteil hat in Entscheidungs- bzw. Kontrollorganen, dann ist das ein Einflusspotential. Ob dieses Einflusspotential genutzt wird, ist eine zweite Frage. Wie es genutzt wird und ob das positiv oder negativ ist, ist eine weitere Frage."

    Werner Nienhüser ist Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Duisburg- Essen. Er hat die Studie Anfang des Jahres begonnen und dabei Hochschulen in allen Bundesländern berücksichtigt, die zu diesem Zeitpunkt Hochschulräte gebildet hatten. Nicht vertreten sind deshalb Brandenburg, Thüringen, Nordrhein-Westfalen und Bremen. Insgesamt hat er die Zusammensetzung der Hochschulräte in 57 Hochschulen untersucht mit über 460 Mitgliedern. Dabei zeigte sich, dass ein Drittel aller Hochschulräte aus der Wirtschaft kommt, damit bilden die Manager die zweitgrößte Gruppe:

    "Da wird deutlich, dass diejenigen Hochschulen, die sehr viel Drittmittel aus der Wirtschaft bekommen, - im Verhältnis zu ihren Gesamtmitteln - dass in diesen Hochschulen auch der Anteil der externen Mitglieder im Hochschulrat, die aus der Wirtschaft kommen, relativ hoch ist."

    Unter den Hochschulratsvorsitzenden ist der Anteil der Wirtschaftsvertreter besonders hoch. 47 Prozent, knapp die Hälfte, kommt aus der Wirtschaft. Davon sind 80 Prozent Aufsichtsrats- oder Vorstandsmitglieder. Marcel Winter war in der Findungskommission für die Hochschulräte der Universität Duisburg-Essen. Dort sind zwei Wirtschaftsexperten im Hochschulrat:

    "Worauf wir geachtet haben, ist, dass diese Personen Persönlichkeiten sind, die nicht nur Einzelinteressen vertreten, sondern eben auch mit der Hochschule in gewisser Weise verwurzelt sind zum einen und zum anderen aber auch die strategische Ausrichtung der Hochschule nachvollziehen konnten."

    Auch an der Universität Duisburg-Essen ist ein Manager Vorsitzender des Hochschulrates. Laut Marcel Winter wurde er gewählt, weil er bereits seit zehn Jahren die Interessen der Universität kennt und fördert:
    "Wir verbitten uns aber jeden Einfluss von Wirtschaftsvertretern auf die Hochschulpolitik. Natürlich ist es nachvollziehbar, dass Wirtschaftsvertreter, wenn sie Geld an die Universitäten geben, wissen möchten, wie das Geld eingesetzt wird. Was nicht nachvollziehbar ist, dass Wirtschaftsvertreter glauben, sie können sich in die Hochschulen einkaufen und hier dann, weil sie eben Geld gespendet haben, die Geschicke der Hochschule bestimmen und die Ausrichtung und die Lehre mitbestimmen. Das funktioniert nicht."

    Den geringsten Anteil unter den Hochschulräten machen laut der bundesweiten Studie die Gewerkschaften aus: Sie sind gerade mal mit einem Prozent vertreten. Vier Prozent sind Politiker und Medienvertreter. Werner Nienhüser:

    "Aus Spitzenorganisationen der Wissenschaft, Forschungsförderung und Forschungsinstituten - diese Gruppe haben wir zusammengefasst - kommen überraschenderweise acht Prozent, überraschenderweise deswegen, weil ich zumindest erwartet hätte, dass diese Gruppe quantitativ anteilmäßig größer wäre."

    Auffällig sind Unterschiede in der Zusammensetzung der Hochschulräte im bundesweiten Vergleich. Im süddeutschen Raum sind an manchen Hochschulen alle externen Mitglieder Wirtschaftsvertreter. So zum Beispiel in Ulm. In den Hochschulräten der TU München und der Universität Augsburg ist es ähnlich. Der Grund dafür sind aber auch gesetzliche Vorgaben, die je nach Bundesland unterschiedlich sind. So sollen beispielsweise in Bayern acht von 16 Mitgliedern des Hochschulrates insbesondere aus der Wirtschaft kommen. Ähnlich ist es in Baden Württemberg. Marcel Winter:

    "Wir sehen, dass in Baden-Württemberg die Hochschulräte sehr stark mit Wirtschaftsvertretern besetzt sind, nicht nur aus dem Energiesektor, auch aus dem Automobilsektor. Man muss schauen, wie sich das entwickelt, sicher ist aber, dass die Hochschulen immer mehr abhängig werden von diesen Unternehmen, weil sie ja in ganz hohem Maße Drittmittel aquirieren können und sich dann darauf ausruhen und sich eben keine neuen Partner suchen und sie dann auf diese Drittmittelpartner angewiesen sind. Und das kann sich in der Zeit schon negativ auf Lehre und Forschung auswirken."

    Wie hoch letztendlich der Einfluss der Wirtschaftsvertreter auf die Hochschulen ist, lässt sich vermutlich erst in einigen Jahren sagen. Noch müssen die Hochschulräte sich erst an den Universitäten etablieren.