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IPS-Zellen spielen Leber

Stammzellforschung. - Die einst heftig umstrittenen embryonalen Stammzellen scheinen von der Entwicklung überholt zu werden. Immer öfter werden Fortschritte mit IPS-Zellen erzielt. Das sind die "induzierten pluripotenten Stammzellen". Sie stammen aus gewöhnlichen Körperzellen. Nun haben Stammzellenforscher aus Schottland zeigen können, das sich auch Leberzellen aus IPS-Zellen herstellen lassen.

Von Michael Lang |
    Aus menschlichen Hautzellen haben Forscher des Zentrums für Regenerative Medizin in Edinburgh zunächst induzierte, pluripotente Stammzellen, so genannte IPS-Zellen, hergestellt. Das gelang, indem sie Gene einschleusten, die die reifen Zellen wieder jugendlich machten. Dann haben sie nach Botenstoffen gesucht, die aus diesen "Vielkönner-Zellen" Leberzellen machen. Der Leiter des Zentrums, Ian Wilmut, der einst durch das Klonschaf Dolly berühmt wurde, stellte nun die ersten Ergebnisse vor. Veröffentlicht wurden sie im Fachblatt "Hepatology".

    "Wir haben verschiedene IPS-Zelllinien für unterschiedliche Zwecke hergestellt. Dann haben wir Methoden verwendet, mit denen man aus embryonalen Stammzellen Leberzellen macht. Wir haben sie ein wenig anpassen müssen, aber dann waren sie sehr effektiv. Durch die Kombination zweier Techniken haben wir etwas Neues, sehr Nützliches geschaffen."

    Eines Tages könnten beispielsweise Patienten mit Leber-Zirrhose von Leberzellen aus dem Labor profitieren. Aber so weit ist es noch nicht. Dazu müssen die Zellen weiter verbessert werden, und es muss verhindert werden, dass die Zellen außer Kontrolle geraten können und Krebs entsteht. Schon bald jedoch werden die Zellen in der pharmazeutischen Forschung Anwendung finden. An ihnen könnten Nebenwirkungen von neuen Wirkstoffen frühzeitig erkannt werden, noch bevor der erste Patient das neue Mittel erhält. Wilmut:

    "Es ist eine traurige Tatsache, dass viele Medikamente Jahr für Jahr zurückgezogen werden müssen, weil bei klinischen Studien herauskommt, dass sie bei einigen Personen zu erheblichen Nebenwirkungen führen. Nicht selten ist dafür die Leber verantwortlich. Die Leberzellen einzelner Patienten unterscheiden sich stark und reagieren unterschiedlich auf Medikamente. Deshalb wollen wir viele Typen von Leberzellen herstellen, um im Labor so früh wie möglich herauszufinden, welche Substanzen von manchen Menschen nicht vertragen werden."

    Die schottischen Forscher wollen eine regelrechte Leberzell-Bank anlegen. Von mehreren Personen wollen sie aus deren Hautzellen durch IPS-Technik Leberzellen herstellen: weibliche, männliche, junge, alte, kranke, gesunde Zellen und Zellen von Menschen unterschiedlicher Herkunft, so dass die Vielfalt der Menschheit im Labor repräsentiert wird. Nur so lassen sich Nebenwirkungen aufspüren, die heute erst im Menschenversuch offenbar werden. Möglich sei dies nur mit der IPS-Technik, betont Ian Wilmut. Er hat der Klontechnik, die er einst mit entwickelt hat, inzwischen den Rücken gekehrt. Und auch die ethisch umstrittenen embryonalen Stammzellen des Menschen werden früher oder später durch die IPS-Zellen, die aus reifem Körpergewebe stammen, ersetzt werden. Davon ist Ian Wilmut überzeugt.

    "Ich glaube, dass wir mit IPS-Zellen all das tun können, was zur Zeit mit embryonalen Stammzellen möglich ist, und vielleicht noch mehr. Das ist ein wichtiger Fortschritt für die Stammzellenforschung."